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Moldau: Leere Schulen, leere Dörfer

Violeta Colesnic (aus Chisinau)
14. Dezember 2023

Republik Moldau: Das kleine Land in Osteuropa leidet unter Armut und Korruption. Die Folge - viele Menschen wollen das Land verlassen.

Verlassene Dörfer in der Republik Moldau
Verlassene Dörfer in der Republik Moldau: Brennholz liegt vor den Häusern in DrujbaBild: Violetta Colesniuc

Angemessene Lebensbedingungen, besser bezahlte Arbeitsplätze, ein normales Gesundheitswesen, saubere Städte, eine gut funktionierende Infrastruktur: Dies sind die Faktoren, die viele Menschen in der Republik Moldau dazu veranlassen, ein anderes Land zu wählen, in dem sie ihr Leben gestalten möchten. Die Korruption, die zur Armut führt, schürt den Wunsch nach einem Ausbruch aus der Misere, und die EU ist meistens die bessere Welt, die sie entdecken und die sie willkommen heißt. Wer zu Hause bleibt, versucht mehr schlecht als recht, sein Leben irgendwie auf die Reihe zu bekommen.

Im Dorf Drujba, unweit der Landesgrenze zu Rumänien, gibt es noch 29 Schulkinder. Das Risiko, im Dorf ohne Schule zu bleiben, ist aufgrund der geringen Schülerzahl sehr hoch. Um die Schließung zu verhindern, tun die Verwaltung und die Mitarbeiter ihr Möglichstes, um zu zeigen, dass die Schule mit minimalen Ressourcen überleben kann. Heute ist die Schule im Dorf Drujba die einzige öffentliche Einrichtung im ganzen Bezirk, die eine Solaranlage nutzt.

Angela Chitoraga leitet den Kindergarten und die Schule im Dorf DrujbaBild: Violetta Colesniuc

Wegen der geringen Schülerzahl ist die Einrichtung nicht für Projekte förderfähig, und die von der Regierung für den Unterhalt bereitgestellten Mittel sind sehr gering. Die Schule sollte "optimiert" werden - also liquidiert. Um die Einrichtung, die auch einen Kindergarten umfasst, zu retten, kontaktierte die Leiterin Angela Chitoraga mehrere Botschaften in der Hauptstadt Chisinau und bat sie um Hilfe.

Und Hilfe kam. Auch aus Deutschland: "Im Rahmen des Projekts 'Neue Energieinfrastruktur für Drujba' hat uns die Deutsche Botschaft finanzielle Unterstützung in Höhe von 400.000 Lei (rund 20.000 Euro - Anm. d. Red.) gewährt", erzählt die Schulleiterin im Gespräch mit der DW. Mit diesem Geld wurde eine Photovoltaikanlage installiert. Außerdem wurde die Heizungsanlage modernisiert, die Wände wurden wärmegedämmt. "Ich bin stolz, dass es mir gelungen ist, dieses Projekt zu bekommen. Sie riefen mich von mehreren Bildungseinrichtungen im Bezirk an und fragten mich, ob es wahr sei, dass wir eine Photovoltaikanlage hätten. Niemand glaubte daran, dass eine so kleine Schule gerettet werden könnte", sagt Angela Chitoraga.

Kleine Schule mit großen Vorhaben

Jährlich hatten Kindergarten und Schule Ausgaben in Höhe von rund 100.000 Lei (ca. 5.000 Euro) für Strom, Holz und Kohle. Nach der Installation der Solaranlage konnten die Ausgaben deutlich gesenkt werden. Die gewonnene Energie wird zum Heizen der Schule, des Kindergartens, der Bibliothek und zur Essenszubereitung verwendet. Mit dem eingesparten Geld wird zusätzliches Personal eingestellt. Außerdem wird während der Sommerferien, wenn der Energieverbrauch minimal ist, der produzierte Überschuss in das Stromnetz eingespeist, was der Schule zusätzliche Einnahmen bringt.

Deutsche Hilfe für Kindergarten und Schule im Dorf DrujbaBild: Violetta Colesniuc

An der Schule lernen fünf Kinder in der ersten Klasse, sieben Kinder in der zweiten, acht in der dritten und neun Kinder in der vierten Klasse. In den Kindergarten gehen 35 Kinder.

Das Dorf Drujba (auf Russisch "Freundschaft") ist relativ jung, es wurde erst vor 50 Jahren gegründet, als die Republik Moldau noch zur Sowjetunion gehörte. Die Bezirkshauptstadt Ungheni liegt etwas mehr als 30 Kilometer weit entfernt, bis in die Landeshauptstadt Chisinau sind es rund 100 Kilometer. Das Dorf entstand als Folge mehrerer Erdrutsche, von denen fünf Dörfer betroffen waren. An ihrer Stelle entstand Drujba - ein kompaktes, sauberes und gut verwaltetes Dorf. Mit der Abwanderung der Bevölkerung ins Ausland und dem Rückgang der Kinderzahl wurde 1993 das Gymnasium umgestaltet - in einen Kindergarten und eine Grundschule mit vier Klassen.

Moldau - Ein Land im Schatten des Krieges

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Es ist Pause. Der Schulhof füllt sich mit Kindern, die in einem Teamspiel Gruppen bilden und Rollen verteilen. Niemand hockt am Handy oder auf einem Stuhl, die Kinder rennen von einem Ende des Spielfelds zum anderen, während ein Chor fröhlicher Stimmen die Teams unterstützt.

Wie es der Schulleiterin gelungen sei, ihre Einrichtung zu retten? "Ich war ehrlich", sagt Angela Chitoraga. "Es ist nicht die Schuld der Kinder, dass immer mehr Familien ihre Dörfer verlassen. Aber die Kinder, die hier leben, wollen lernen! Da diese Kinder weit von der Stadt entfernt sind, werden sie immer noch ausgegrenzt und benachteiligt. Sie können keine Kunst- oder Sportschule besuchen, sie können weder ins Theater noch ins Kino gehen. Zumindest haben sie das Recht, in ihrem Dorf eine Schule zu haben." Mit diesem Argument hat die Schulleiterin an die europäischen Botschaften in ihrem Land appelliert und um Hilfe gebeten. Die Deutsche Botschaft in Chisinau hat sich sofort bereit erklärt, das Schulprojekt zu unterstützen.

Ein Beispiel macht Schule

Im Kindergarten ist es wohlig warm. Die wenigen Kinder in der Gruppe haben gerade gegessen und spielen auf dem Boden. Ich frage Maria, ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren, ob sie weiß, woher die Wärme im Kindergarten kommt. Sie erzählt mir, dass sie "von oben" komme, hebt eine Hand zum Dachboden und zeigt auf die Lüftungsrohre, durch die warme Luft strömt.

Eine Solaranlage sorgt für Wärme im KlassenzimmerBild: Violetta Colesniuc

Reporterin: "Aber woher kommt die Wärme?"

Maria: "Von draußen."

"Aber woher?"

"Von der Sonne."

Die Kleinen verstehen nicht wirklich, wie das ganze System mit den Sonnenkollektoren auf dem Dach funktioniert, aber sie wissen, dass es die Sonne ist, die sie sowohl im Sommer als auch im Winter wärmt. Lehrer und Erzieher sagen, sie hätten Unterrichtsstunden organisiert, um den Kindern etwas über grüne Energie zu erzählen und ihnen zu zeigen, wie sie die Natur schützen können.

Als die Solarzellen auf dem Dach der Schule installiert wurden, blieben die Einheimischen neugierig stehen und wollten wissen, wie auch sie so eine Anlage installieren könnten, damit sie kein Feuer mehr mit Holz und Kohle machen müssten. Da im Dorf das Gasnetz fehlt, bleibt den Menschen keine andere Wahl. Vor jedem Haus liegen Stapel Holz, die zum Verfeuern bereitstehen.

Mitarbeiter des Unternehmens, das für die Installation der Photovoltaikanlagen verantwortlich war, informierten die Dorfbewohner. In den Pausen kamen auch die Kinder nach draußen und wollten erfahren, wie Glasplatten auf dem Dach ihrer Schule Strom und Wärme erzeugen könnten.

Ana Caracas (re.) arbeitet als Wächterin an der Schule in DrujbaBild: Violeta Colesnic/DW

Ana Caracas ist in der Schule als Wächterin angestellt und wohnt direkt gegenüber der Einrichtung. Einer ihrer Jungen geht in die erste Klasse, ein anderer in den Kindergarten. Die Frau sagt, dass nach der Installation der Solarzellen an der Schule und im Kindergarten mehr Menschen im Dorf Interesse gezeigt hätten und auf das Heizen mit Holz und Kohle verzichten wollten. Doch der Preis, den jeder Haushalt dafür zahlen müsste, sei viel zu hoch. Ohne externe Unterstützung wäre eine Umrüstung undenkbar.

Eine Investition in die Zukunft

Angela Chitoragas Sohn lebt in Frankreich und will helfen. Die Familie überlegt, im Frühjahr eine Photovoltaikanlage am Haus zu installieren. Die Schulleiterin erzählt, sie habe von ihren Kindern, die sich ehrenamtlich im Ausland engagierten, gelernt, dass sie aktiv nach Projekten suchen müsse, um etwas zu verändern. Ihr Hauptanliegen: Lösungen zu finden, um die Schließung ihrer Schule zu verhindern.

Dieses Jahr meldete sie sich beispielsweise für ein Fußballprojekt an, bei dem sie und eine andere Lehrerin an einer Schulung teilnahmen, nur um Bälle für die Kinder in der Schule zu beschaffen. "Die meisten Leute dort waren Männer, aber ich habe mit ihnen Fußball gespielt und den Kindern am Ende einen ganzen Sack Bälle mitgebracht. Jetzt haben sie also etwas zum Spielen." Sie nutzt jede Chance, um die Schule zu modernisieren. Ihr Sohn kommt jedes Jahr mit einer Gruppe von Freiwilligen aus Frankreich ins Dorf und bringt den Kindern Schulmaterialien und Kleidung. Und als ein großer Sturm das Dach wegfegte, sammelten sie Spenden und konnten ein neues Dach aufsetzen.

Die Solaranlage in der Schule in Drujba wurde mit deutscher Hilfe installiertBild: Violetta Colesniuc

"Wir haben ein sehr schönes Projekt gemacht und ich bin den Menschen in der Deutschen Botschaft wirklich dankbar, dass sie an uns geglaubt haben. Ich hätte nie gedacht, dass wir als kleines Dorf mit einer kleinen Schule so viel Hilfe bekommen würden. Es ist eine Investition in die Zukunft dieser Kinder, in die Zukunft dieses Dorfes und in die Zukunft dieses Landes", sagt die Schulleiterin voller Optimismus.

Um die Zukunft der Republik Moldau ging es auch beim letzten EU-Gipfel des Jahres 2023. Dort wurde der Weg für Beitrittsverhandlungen in die EU frei gemacht, auch für die Ukraine. Im Schatten der russischen Aggression gegen die Ukraine war im Juni 2022 der Republik Moldau und der Ukraine der EU-Kandidatenstatus verliehen worden. Die EU-Kommission empfahl den Mitgliedsstaaten Anfang November 2023, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Moldau zu beginnen.

Adaption aus dem Rumänischen: Robert Schwartz