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Momentum-Taktik für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat

Klaus Dahmann, New York26. Mai 2005

Mit neuem Selbstbewusstsein werben deutsche Politiker und Diplomaten in aller Welt für einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat - trotz des weiter massiven Widerstands einiger Länder.

Reformbedürftig:<br>Die Vereinten Nationen

Strahlender Optimismus ist angesagt im Deutschen Haus in New York - obwohl oder gerade weil die Zeit knapp ist für Deutschland und die anderen drei Aspiranten auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat: Bis Ende Juli sollen zwei Drittel der Staaten von dem Vorschlag Deutschlands, Japans, Indiens und Brasiliens überzeugt sein. Der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger sieht jedenfalls gute Chancen: "Ich glaube, dass wir ein Momentum der Reform haben, wie wir es nie vorher gehabt haben."

Die Zeit ist reif

Der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger schaut zuversichtlich in die ZukunftBild: AP

"Momentum" ist das Wort der Stunde unter deutschen Diplomaten. Frei übersetzt bedeutet das: Die Zeit ist reif, die äußeren Umstände sind günstig. Dass der Sicherheitsrat dringend reformiert werden muss, darüber sind sich im Grunde alle einig. Nur wie das geschehen soll, da gehen die Meinungen auseinander: Zur Debatte steht entweder eine Erweiterung um ausschließlich nicht-ständige Mitglieder, wie es Pakistan, Mexiko und Italien vorgeschlagen haben - oder aber um einige ständige und einige nicht-ständige Mitglieder, wie es eben die Vierergruppe mit Deutschland fordert. Bei den ersten Stimmungstests unter den 191 Staaten hat Gunter Pleuger eine deutliche Mehrheit für letzteres Modell festgestellt: "In den Debatten haben sich über 120 Staaten für unseren Vorschlag ausgesprochen. Ich glaube deshalb, dass unser Vorschlag geeignet ist, in der Abstimmung eine Mehrheit zu finden. Da sind wir sehr zuversichtlich."

USA noch unschlüssig?

Doch es ist noch viel Überredungskunst notwendig - sowohl auf der Ebene der UN-Botschafter in New York, als auch zwischen den Hauptstädten. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat jüngst sogar einen Oppositionspolitiker zum Sondergesandten in Sachen Sicherheitsratsreform ernannt: Volker Rühe, einst Verteidigungsminister und jetzt Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, verfügt über gute Kontakte nach Washington.

Sondergesandter in New York: Volker Rühe wirbt in den USA für einen deutschen Sitz im UN-SicherheitsratBild: dpa

Das war vergangene Woche auch seine erste - und möglicherweise schwierigste - Mission. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass die US-Regierung Deutschlands Ambitionen auf einen ständigen Sitz nicht unterstützt. Laut "Washington Post" soll sich Außenministerin Condoleezza Rice intern sogar explizit gegen einen ständigen Sitz für Deutschland ausgesprochen haben.

Der Artikel erschien zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt - nämlich während Rühe in Washington um Unterstützung warb. Doch er wiegelte danach ab. Ihm habe man in Washington gesagt, diesen Artikel solle man nicht zu ernst nehmen: "Die Amerikaner sind noch offen. Sie haben nur gesagt, dass sie eine Mitgliedschaft Japans als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat unterstützen. Das aber geht nur, wenn es auch zu einer Reform kommen wird. Hier sind die Positionen offen."

Verzögerungsstrategie

Und Rühe findet es im Übrigen gut, dass die Amerikaner sich noch nicht festgelegt haben. Seiner Meinung nach sei es im Augenblick für die USA erst mal wichtig abzuwarten und zu sehen, welche Meinung die Staaten der Welt vertreten: "Für die Amerikaner wird es wichtig sein, wie viel Unterstützung die vier Staaten - Brasilien, Indien, Deutschland und Japan - international mit ihrer Initiative finden werden."

Ein "Nein" von den USA und Deutschland wird es sehr schwer haben, ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat zu werdenBild: AP

Die USA sollen abwarten - damit die Vierergruppe derweil eine Zwei-Drittel-Mehrheit für ihr Erweiterungsmodell schmieden kann. Zwei andere ständige Mitglieder - nämlich Frankreich und Großbritannien - habe man bereits überzeugt, heißt es in New York. Auch aus Russland gebe es positive Signale. Schwieriger dürfte es allerdings mit China werden, das vor allem Einwände gegen Japan hat.

Afrika steht hinter der deutschen Bewerbung

Afrika, so die Vier, werde der große Gewinner der Sicherheitsratsreform sein. Ein Argument, das offenbar überzeugt: In Afrika gibt es derzeit gleich mehrere Staaten, die für die zwei neuen ständigen Sitze kandidieren. Die aussichtsreichsten Kandidaten sind Südafrika, Nigeria und Ägypten. Die Afrikanische Union will sich beim Gipfel Anfang Juli auf zwei gemeinsame Kandidaten einigen.

Auch in Osteuropa sind die Sympathien für den Vorschlag der Vierergruppe gewachsen, seit er um einen zusätzlichen nicht-ständigen Sitz für ein osteuropäisches Land aufgestockt worden ist. Polen hat sich sogar bereit erklärt, dieses Erweiterungsmodell aktiv zu unterstützen.

Magische Grenze liegt bei 128 Stimmen

Ziel der deutschen Bemühungen: Mitbestimmung im UN-SicherheitsratBild: AP

Für eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist das allerdings noch immer knapp, denn die magische Grenze liegt bei 128 Stimmen. Laut Rühe komme es jetzt darauf an, das Momentum zu entwickeln, damit es deutlich über 128 Staaten werden, die diese umfassende Reform unterstützen: "Wenn das nicht gelingen sollte, dann wird es keine Reform geben - und das nach zwölf Jahren der Diskussion. Das wäre auch eine schwere Hypothek für die Generalversammlung im Herbst, deshalb muss man diese Situation vermeiden."

Und was, wenn das "Momentum" schließlich nicht Deutschland, sondern ein anderes europäisches Land auf den ständigen Sitz befördert? Diesem Szenario sieht Botschafter Pleuger gelassen entgegen: "Dann würde uns das zwar nicht gefallen, aber wir würden das als eine demokratische Entscheidung akzeptieren. Ich glaube aber, dass Deutschland - als einer der wichtigsten Beitragszahler, sowie als eines der wichtigsten Mitglieder der Vereinten Nationen - so viel Ansehen genießt, dass wir diese Zwei-Drittel-Mehrheit auch bekommen werden."

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