Russische Spielcasinos an der Adria
16. September 2009 Touristenscharen drängeln sich durch die engen Gassen der Altstadt von Budva. Die von dicken Festungsmauern umgebenen steinernen Häuser und Straßen, die Zitadelle aus dem 15. Jahrhundert, die vielen Boutiquen und Restaurants auf dieser kleinen Landzunge an der Adria sind die wichtigsten Anziehungspunkte für ausländische Gäste an der montenegrinischen Küste. Die Gäste kommen jedoch nur in den drei Sommermonaten hierher, einige wenige im Mai oder September. Das soll sich ab dem nächsten Jahr ändern: Spielkasinos sollen erbaut werden. Montenegro möchte Zocker aus der ganzen Welt ins Land holen, das ganze Jahr über.
Monaco auf dem Balkan
Viele hier sprechen schon vom neuen Monaco auf dem Balkan. Nicht alle sind glücklich darüber. Der junge Friseur Boris zum Beispiel ärgert sich über das neu geplante Spielkasino in Zentrum von Budva, direkt gegenüber seines Ladens. Viele seiner Freunde hätten schon längst alles verspielt. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: "Im Winter ist es viel zu langweilig - man kann entweder lesen, den ganzen Tag im Cafe sitzen oder eben spielen."
Budva hat rund 10.000 Einwohner. Im Winter ist Flaute im Tourismusgeschäft und es gibt wenig zu tun. Trotzdem gibt es in der Stadt mehrere 100 Millionäre: Bauern, die ihre Äcker als Bauland an Investoren und vor allem russische Privatleute verkauft haben. Dass die Entwicklung des Kasino-Tourismus Risiken birgt, erkennt auch der Hotel-Direktor Dragan Ivancevic an. Sein Vier-Sterne-Haus in einer kleinen Bucht neben Budva steigt gerade in das Geschäft mit den Roulette-Tischen und einarmigen Banditen ein. "Wir glauben nicht, dass es gut wäre, vermehrt Objekte zu eröffnen, die ausschließlich Kasinos sind." Die einheimische Bevölkerung könne sich zu denen hingezogen fühlen und spielsüchtig werden.
Hotels bauen Räume zu Spielhallen um
Ivancevic war eine Zeit lang stellvertretender Tourismusminister und für die Entwicklung der Branche in Montenegro zuständig. Mit österreichischen Partnern übernahm der Mittfünfziger später ein 500-Betten-Hotel im ehemaligen Fischerort Becici. Im August ging das Haus zu 75 Prozent an die für ihre Einkaufszentren und Kasinos bekannte Moskauer Korston Gruppe. Die habe bereits für Oktober die ersten Charter-Flüge organisiert, erklärt Direktor Ivancevic. Mehr als 6000 Touristen, potenzielle Spieler, hätten Interesse an einem Urlaub in seinem Hotel gezeigt, um an Glückspielen teil zu nehmen. "In Russland besteht dafür ein großes Potenzial“, meint Ivancevic.
Das Potenzial ist nach dem Verbot der Kasinos in Russland so groß, dass jetzt mit dem Ende der Urlaubs- und dem Beginn der Bausaison, viele Hotels in Montenegro ihre Räume zu Spielhallen umbauen. Die Lizenzen für den Spielbetrieb erteilt die Regierung in Podgorica. Bis zu einem Dutzend neuer Lizenzen für neue Spielstätten werden im nächsten Jahr erwartet. Im Moment gibt es in Montenegro nur ein richtiges Spielerparadies: Das Hotel Maestral im winzigen Fischerdorf Milocer. Verkaufsleiterin Marija Martinovic verteidigt das Spielen als eine Art der Unterhaltung. "Manche Menschen haben ihren Spaß in der Disco und trinken etwas, manche gehen gerne Einkaufen, manche mieten eine Yacht. Und es gibt eben die Menschen, die gerne Glücksspiele spielen", meint sie.
"Daran gibt es nichts Anrüchiges"
Maestral gehört einer slowenischen Kette und ist auf die Gäste aus dem italienischen Süden spezialisiert. Diese, erzählt Martinovic, kommen meistens mit Charter-Flügen über das Wochenende. Es seien vor allem Familien, bei denen der Mann gerne spielt und die Frau sich ein paar Tage Wellness und Shopping gönnt, behauptet die resolute junge Montenegrinerin auf der Hotelterrasse. Ihr Blick gleitet über die Bucht zum nur zehn Autominuten entfernten Budva. Den Kunden biete man im Variete auch zusätzliche Unterhaltung: Zur Zeit tourt eine russische Kabarett-Truppe. Auch da wehrt sich Martinovic gegen Vorurteile: "Das sind junge geschulte Balletttänzerinnen, die ihre Tanzeinlagen natürlich etwas anpassen. Aber das sie ziehen sich nicht aus, das ist nicht vulgär." Es geschehe hier nichts in irgendwelchen abgedunkelten Räumen.
Prostitution, Drogenmissbrauch, Geldwäsche würden mit einem massenhaften Ausbau des Kasinogeschäfts Hand in Hand gehen, warnen westliche Beobachter. Marija Martinovic versucht den Ruf der Glücksspielindustrie zu retten: "Das Kasinogeschäft und die Kasinohotels haben ja auch Monte Carlo kein schlechtes Image eingebracht". Schließlich sei die Stadt an der Cote d´Azur nicht für Prostitution, sondern als hochklassiger Urlaubsort bekannt.
Autor: Filip Slavkovic
Redaktion: Matthias von Hein/Heidi Engels