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Politik

Montenegros Potentat tritt in den Schatten

26. Oktober 2016

Das Geschick Montenegros bestimmt er seit fast drei Jahrzehnten - mal als kommunistischer Funktionär, mal als Präsident, mal als Regierungschef. Jetzt will Milo Đukanović nicht mehr. Oder doch?

Milo Djukanovic
Bild: picture alliance/dpa/B.Pejovic

In einem anderen Land wäre die Nachricht nicht so brisant: Der Chef der stärksten Partei, der zugleich der Ministerpräsident ist, möchte nach dem knappen Wahlsieg nicht mehr mit der Regierungsbildung beauftragt werden. In Montenegro sorgte diese Nachricht doch für Staunen. Nach 27 Jahren - mal als Funktionär der Kommunistischen Partei, mal als Ministerpräsident, mal als Präsident - wird Milo Đukanović nicht mehr die Geschicke des kleinen Balkanlandes und seiner 625.000 Bürger regieren!

Ganz neu ist das nicht. Schon zweimal zog er sich offiziell aus der Politik zurück. Zum ersten Mal war das im Oktober 2006. Bereits im Februar 2008 war er wieder Ministerpräsident. Das gleiche Bild im Jahr 2010: Đukanović trat zurück, um "Platz für eine jüngere Generation zu machen", wie er damals sagte. Diesen Platz besetzte der 54-Jährige dann aber im Jahre 2012 erneut selbst, als er Ministerpräsident wurde.

Feilschen um die Macht

Nach den jüngsten Parlamentswahlen, die in Montenegro Mitte Oktober abgehalten wurden, entstand im Lande eine Pattsituation. Đukanović ist umstrittener denn je, obwohl seine Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) die meisten Mandate gewann. Mit 36 von 81 Mandaten verfehlte die DPS jedoch klar die absolute Mehrheit. Drei oppositionelle Gruppierungen und eine ehemalige regierungstreue Partei, die vor den Wahlen die Seiten wechselte, haben zusammengenommen 39 Mandate. 

Zu Hause heftig umstritten - Tausende protestieren gegen ĐukanovićBild: DW/N. Rujević

Zu den Königsmachern werden in dieser Machtkonstellation die Minderheitenparteien der Bosniaken, der Kroaten und der Albaner, die in der Vergangenheit als "natürliche Partner" von Đukanović galten. Dazu kommen zwei Mandate einer DPS-"Blockpartei". Mit insgesamt sechs Mandaten könnten diese Abgeordnetenstimmen für eine knappe Mehrheit von 42 Mandaten sorgen. Diese Regierungsmehrheit ist aber äußerst fragil, und die Opposition arbeitet eifrig daran, sie zu untergraben: Sie bietet den Vertretern der Minderheiten sogar den Ministerpräsidentenposten an, damit sie Đukanović loswird.

Das bedeutet, dass der politische Preis für Loyalität kleiner Parteien in Montenegro gestiegen ist. Vielleicht mag das der Grund für Đukanović gewesen sein, dem treuen Parteisoldaten Duško Marković den Vortritt zu lassen. Der ehemalige Minister und Geheimdienstchef gilt als loyal und unauffällig. So könnten die "natürlichen Verbündeten" an der Regierung teilnehmen, ohne sich sofort dem Vorwurf der Opposition auszusetzen, sie würden dem Machterhalt eines Autokraten dienen.

Đukanović behält jedoch den Posten als Parteichef. Jeder, der mit lokalen Gepflogenheiten vertraut ist, weiß, dass Đukanović dadurch weiterhin aus dem Schatten regieren wird. Die regierenden Parteien sind im ehemaligen Jugoslawien die wichtigsten Interessenverbände, Versorgungsanstalten und Machtgeneratoren. Die DPS-Parteidominanz wird nach wie vor für Đukanović's informelle, aber reale Macht im Staat sorgen.

Im Westen hat er Unterstützer - und führt sein Land in die NATOBild: picture-alliance/dpa/B. Pejovic

Herrscher aus dem Hintergrund

Außenpolitisch ist Đukanović Garant für die NATO-Anbindung und EU-Annäherung des kleinen Balkanlandes. Auf dem geopolitischen Schachbrett kann sich der Zwergstaat zwischen den unzugänglichen Bergketten und der Adria gestiegener Aufmerksamkeit erfreuen. Der Grund ist die neue Rivalität zwischen Russland und dem Westen. Deshalb meint Đukanović sich weitaus mehr in seinem gelegentlich selbstherrlichen Regieren erlauben zu dürfen, als die westlichen Demokratien üblicherweise vertragen. Solange Teile der Opposition die traditionelle montenegrinische Russlandliebe zeigen, erscheint Đukanović im verkürzten Licht als ein "prowestlicher Politiker".

Sein märchenhafter Reichtum, seine fürstliche Clan-Herrschaft und seine Gängelung der Medien stören innenpolitisch sogar viele seiner Anhänger. Alternativlos ist er durchaus nicht. Trotzdem wird er in den nächsten Jahren nach wie vor den wahren Kern der Macht in Montenegro ausmachen. Dabei ist fast egal, ob er 2018 bei der Präsidentenwahl erneut kandidiert, und nach dem Putin-Prinzip zwischen den wichtigsten staatlichen Posten hin und her pendelt, oder ob er aus dem Schatten im Hintergrund alles bestimmt. Selbst wenn ein gewisser Duško Marković demnächst in Montenegro als Regierungschef fungiert, wird er, wie jeder andere in Montenegro, an Milo - wie Freund und Feind Đukanović nennen - nicht vorbeikommen.

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