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Mit Mooren Geld verdienen - und Klima schützen, aber wie?

4. November 2025

Trockengelegte Moore verursachen heute mehr CO2-Emissionen als der weltweite Flugverkehr - in Deutschland erproben Landwirte deshalb, die Flächen wieder zu vernässen. Doch noch ist das ein unsicheres Geschäftsmodell.

Das Schwarze Moor in der Rhön im Vordergrund ist Wasser zwischen den Gräsern sichtbar
Noch nicht trocken gelegt: Das Schwarze Moor in der RhönBild: Wolfgang Cezanne/picture alliance

Wer den Betrieb des Landwirts Henning Voigt in der Nähe der ostdeutschen Küste besucht, hat gute Chancen nasse Füße zu bekommen. Vor rund 25 Jahren hat sein Vater angefangen, ein einst trockengelegtes Moor wieder zu vernässen. "Wir sind seit 1996 ein Biobetrieb und bewirtschaften aktuell 350 Hektar Grünland. Das allermeiste davon ist sehr nass", erzählt Voigt.

Das Heu, das er auf diesen nassen Flächen geerntet hat, wurde in einem Kraftwerk verheizt, um Fernwärme zu produzieren. Rinderhaltung ist auf solche Flächen nicht möglich, weil der Futterwert der Moorpflanzen zu gering ist. "Die Kühe verhungern mit vollem Magen", erklärt Voigt. Daher hat er seinen Mutterkühe-Bestand immer mehr abgebaut.

Moore speichern mehr CO2 als alle Wälder der Erde

Voigt und sein Vater gehören zu den Pionieren, die in Deutschland auf Moorflächen Landwirtschaft betreiben. Seit Jahrhunderten wurden in Deutschland Moore trockengelegt, so dass sich inzwischen nur noch etwa zwei Prozent der einstigen Moore in einem naturnahen Zustand befinden. 

"Deutschland ist eins der Länder weltweit, das am stärksten die Moore entwässert hat", sagt Franziska Tannberger, eine der renommiertesten Moorforscherinnen. Das ist ein großes Problem. Zwar sind in Deutschland nur sieben Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ehemalige Moorböden, von ihnen gehen aber fast 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen aus.

Unter der nassen Oberfläche von Mooren sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert, das macht Moore zu einem wichtigen Hebel beim Klimaschutz. Obwohl Moore weltweit nur drei Prozent der globalen Landfläche bedecken, lagern sie etwa ein Drittel des gesamten auf der Erde gebildeten Kohlenstoffs. Das ist doppelt so viel wie in allen Wäldern der Erde zusammen.

Trockengelegte Moore sind Klimasünder

Werden Moore trockengelegt, kommt der eingelagerte Kohlenstoff mit Sauerstoff in Berührung. Es bildet sich CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Statt das Klima zu schützen, heizen die ehemaligen Moore die Erderwärmung kräftig an. Und genau das passiert gerade: Entwässserte Moore verursachen heute mehr Emissionen als der weltweite Flugverkehr.

CO2-Speicher: Mit wiedervernässten Mooren Geld verdienen

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"Zum Glück sind in anderen Teilen der Welt noch etwa 85 Prozent, also wirklich der sehr große Anteil der Moore, in einem guten, natürlichen, nassen Zustand", sagt Tanneberger. Noch - denn jedes Jahr würden eine halbe Million Hektar Moorfläche entwässert, so die Expertin vom Greifswald Moor Centrum.

Wiedervernässung von ehemaligen Mooren

Für das Klima wäre es das beste, die intakten Moore zu schützen und trockengelegte Moore wieder zu vernässen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Heute werden vor allem in tropischen Gegenden Moore entwässert, weil Nutzflächen gebraucht würden und auch das Wissen um den Wert der Moore nicht da sei, meint Tanneberger.

Der Großteil der trockengelegten Moore befindet sich in Europa. Hier geht es eher um das Thema Wiedervernässung. Da viele der ehemaligen Moor-Flächen heute landwirtschaftlich als Felder oder Wälder genutzt werden und auch teils mit Siedlungen bebaut wurden, ist es nicht einfach, sie in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Für betroffene Bauern geht es um die Lebensgrundlage. "Wieso sollen wir Moore wieder vernässen, wenn wir keine Wertschöpfung haben?", fragt Karsten Padeken vom Bauernverband Landvolk Niedersachsen. Seine 500 Rinder grasen im Wesermarsch in Niedersachsen auf Flächen, die zum Teil einst Moor waren.

Für viele Landwirte sei Paludikultur, also Landwirtschaft in Moorgebieten, keine realistische Alternative, um den Lebensunterhalt zu sichern, meint Padeken. „Ich spreche viel mit den Landwirten und höre mir deren Argumente an“, so der Vorsitzende der AG Moorbauern im Landvolk. „Die meisten wollen davon nichts wissen.“

Welche Chancen bietet Paludikultur?

Dabei gibt es viele Ideen, wie Paludikultur aussehen könnte. Einige Projekte setzen auf die energetische Nutzung von Moorpflanzen  - etwa zur Gewinnung von Biogas oder Wärme, wie im Fall des Landwirts Henning Voigt.

Andere erproben die Herstellung von Bau- und Dämmstoffen aus Schilf, Rohrkolben oder Seggen. Solche Produkte, Prototypen und Dienstleistungen werden im Paludilkatalogaufgelistet, der in diesem Jahr veröffentlicht wurde.

Nach Finnland wurde 2023 in Deutschland immer noch der meiste Torf weltweit abgebaut und damit Moore zerstörtBild: Countrypixel/IMAGO

Padeken hält Paludikultur bisher höchstens für eine Nische. "Sie ist noch nicht so weit, dass sie in großem Maßstab betrieben werden kann", sagt der Landwirt, ist. "Selbst im kleinen Maßstab noch nicht." In der Tat befinden sich die meisten Einträge im Paludikatalog in der Erprobungsphase. Am Markt etabliert sind nur wenige.

Es ist ein Henne-Ei-Problem. Solange noch kein größeres Angebot an Paludiprodukten besteht, werden sie auch nicht nachgefragt. Aber ohne eine größere Nachfrage, lohnt es sich nicht, Paludikultur zu betreiben und damit ein Angebot zu schaffen.

Und wenn dann die große Nachfrage da ist, kann sie von Landwirten, die noch nicht vernässt haben, nicht kurzfristig bedient werden. Denn es dauert mehrere Jahre, bis ein Ertrag auf solchen Flächen erzielt werden kann.

Eine solche langfristige Nachfrage erhofft sich der Moorbauer Voigt von Deutschlands größtem Versandhändler, dem Otto-Versand. Dieser hat zugesagt, in die Rohstoffe für seine Verpackungen aus Karton künftig Paludikulturpflanzen zu mischen.  

"Die machen ein kleines Projekt, dann nochmal eine mittlere Optimierungsstufe, und dann muss es relativ schnell ganz groß werden", sagt Voigt, sonst würde sich der Otto-Versand nach anderen Alternativen umschauen. Für ihn kein Problem: "Ich habe zertifizierte Moorflächen und kann diese Biomasse auch liefern", sagt er.

Subventionen sind unabdingbar

Für Voigt ist Paludikultur somit schon eine Einnahmequelle. Trotzdem finanziert er sich zum großen Teil über Subventionen von der EU. "Das ist der Hauptbaustein meiner Einnahmen", sagt er - ein schwieriges Betriebskonzept, weil diese Agrarsubventionen nur auf fünf Jahre festgeschrieben seien. 

"Jetzt gehen Sie mal mit so einer Aussage zur Bank und sagen: Fünf Jahre weiß ich, wo die Einnahmen sind", sagt Voigt. "Die schätzen mich nach wie vor als Hochrisikobetrieb ein." Dabei sind auch für Paludikultur Investitionen nötig. So braucht es beispielsweise spezielle Maschinen, die auf nassen Böden fahren können.

Weitere finanzielle Unterstützung für diejenigen, die Flächen wiedervernässen, könnte es demnächst geben. Das Umweltministerium und die Landwirtschaftliche Rentenbank arbeiten an einer umfangreiche Förderrichtlinie, so Tanneberger. 

Wie lange werden CO2-Emissionen noch toleriert?

"Die Tendenz ist ganz klar,", meint Tanneberger. "In Zukunft werden diejenigen, die sich bereitmachen und erkunden, wie eine solche nasse Moornutzung funktionieren kann, mittel- und langfristig besser aufgestellt sein." Bereits die Bund-Länder-Vereinbarung von 2021sieht vor, das bis 2050 alle Moorgebiete möglichst feucht bewirtschaftet werden sollen.

Moore als Kohlenstoffspeicher

07:28

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In Dänemark ist man schon einen Schritt weiter und plant, Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft in Zukunft zu bepreisen. Würde so etwas in Deutschland umgesetzt, dann kämen die CO2-Emissionen durch trockengelegte Moore die Landwirte teuer zu stehen. Umgekehrt könnten Landwirte dazu bewegt werden, ihre Flächen zu vernässen, wenn sie für die eingesparten Emissionen bezahlt würden.

Den Einstieg in nasse Moorwirtschaft erleichtern

Um das Henne-Ei-Problem zu lösen, würde es auch helfen, wenn der Staat den Landwirten eine feste Menge an Paludikultur-Produkten abnehmen würde, meint Tanneberger. Alles, was eine längerfristige Perspektive bietet, sei wichtig.

Padeken möchte neben einer besseren finanziellen Unterstützung der Landwirte auch mehr Spielraum für Experimente. Gegenwärtig dürfen einmal neu verwässerte Flächen nicht wieder trockengelegt werden.

"Wenn ich das könnte, wäre ich eher bereit, beispielsweise auf Teilflächen zu experimentieren", so der Landwirt. Derzeit würde sich aber jeder Landwirt sehr genau überlegen, ob er das Wagnis "Moor" eingeht.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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