Morales kämpft für Boliviens Kokapflanze
10. März 2009Drogenhändler nutzen zunehmend Schlupflöcher im internationalen Handel, um das Rohmaterial für ihre illegalen Drogenlabore zu beschaffen - das war die Bilanz des internationalen Suchtstoffkontrollrates in seinem jüngsten Jahresbericht. Daher treffen sich vom 11. bis 13. März 2009 Vertreter von 53 Staaten bei den Vereinten Nationen in Wien, um neue Richtlinien für die internationale Drogenpolitik festzulegen.
Ist die Kokapflanze eine Droge?
Beim diesjährigen Gipfel sollen die seit letztem Jahr ausgewerteten Ergebnisse der Zehn-Jahres-Strategie, die bei der Sondersitzung der UN-Generalversammlung für Drogen (UNGASS) 1998 in New York festgelegt wurden, bewertet werden. Das Ziel dieser Strategie war es, den illegalen Drogenanbau, den Drogenhandel und die Nachfrage nach Drogen bis 2008 zu eliminieren oder zumindest zu reduzieren.
Unter den Teilnehmern ist auch Boliviens Präsident Evo Morales, der sich in Wien für die "Entkriminalisierung der Kokapflanze" stark machen will, wie er kurz vor seiner Abreise in La Paz ankündigte. "Als Boliviens Präsident fahre ich nach Österreich, um die Kokapflanze zu verteidigen", sagte er. Begleitet wird er auf seiner Reise nach Agenturangaben von seinem Vizeminister für Soziale Verteidigung und Drogenbeauftragten, Felipe Cáceres, und einigen Vertretern des bolivianischen Kokabauernverbandes.
Immer noch illegal
Noch im vergangenen Jahr hatte der Internationale Suchtstoffkontrollrat INCB (International Narcotic Control Board) in seinem Bericht Koka abermals als illegal eingestuft und erneut an Bolivien und Peru appelliert, ihre nationalen Gesetze zu ändern, um auch "das Kauen der Kokablätter und die Herstellung von Tee" zu verbieten. Der INCB überwacht die Einhaltung der internationalen UN-Drogenkontrollverträge über den Anbau, die Produktion und Verwendung von Drogen. Sie sollen auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke beschränkt bleiben.
Für Präsident Evo Morales war das ein harter Schlag: Er war 2005 unter anderem mit dem Versprechen an die Macht gekommen, die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass das Kokablatt keine Droge ist. Auch bei seinem Besuch in Österreich werde er alles ihm Mögliche unternehmen, so der Präsident im Vorfeld, um Koka wieder von dieser Liste der Suchtstoffe zu entfernen. Seiner Meinung nach hat das Kauen des Koka-Blattes mit Drogenkonsum nichts zu tun. Seinen Auftritt vor der internationalen UN-Konferenz stellt der linksgerichtete lateinamerikanische Politiker aus dem Volk der indigenen Aymara unter das Motto "Ja zum Kokablatt! Nein zu Kokain!" ("Coca si! Cocaina no!").
Alte Tradition
Seit Jahrhunderten pflanzen die indigenen Bauern Boliviens in den Yungas Koka an und stellen daraus unter anderem Tee gegen Höhenkrankheiten oder gegen Hunger her. Anbau und Verkauf kleiner Mengen Koka sind in Bolivien erlaubt. Die indianischen Ureinwohner verwenden die Pflanze traditionell für medizinische Zwecke. Sie kauen die Koka-Blätter, die unter anderem das Hungergefühl unterdrücken.
"Es ist unmöglich, die Koka-Tradition zu beenden", sagte Evo Morales vor seiner Reise. Er musste allerdings auch zugeben, dass es derzeit keine wirksamen Kontrollen des Kokaanbaus in den Yungas gebe. Den USA zufolge landet aber ein Teil des Grundstoffs von Kokain auf den illegalen Drogenmärkten. Daher ist ihnen der bolivianische Kokaanbau ein Dorn im Auge. Nach UN-Angaben überstieg die Produktion im vergangenen Jahr 26.000 Hektar, erlaubt sind aber nur 12.000 Hektar. Bolivien gilt nach Kolumbien und Peru als drittgrößter Kokaproduzent weltweit.
Werben für die Kokapflanze
Morales kündigte zugleich den entschiedenen Kampf gegen die Drogenproduktion an. Die bolivianische Strategie beinhalte einen "konsequenten Kampf gegen Drogenproduktion, -handel und -konsum sowie eine Reduzierung des über den traditionellen Bedarf hinaus gehenden Koka-Anbaus nach dem Prinzip der sozialen Kontrolle", beschreibt die Botschaft Boliviens in Wien die Pläne des Präsidenten. Zugleich gehe es aber auch um "eine Neubewertung des Kokablattes als eines andinen Natur- und Kulturerbes", heißt es einer Pressmitteilung.
Die Tribüne der UN-Drogenkonferenz will Morales nun nutzen, um bei der Völkergemeinschaft um Verständnis für die Tradition des Kokablatt-Kauens in dem Anden-Staat zu werben. Sein Ziel ist, dass die entsprechenden Bestimmungen in den Drogenkonventionen der Vereinten Nationen "an die Realität legitimer und legaler Konsumformen des Kokablattes angepasst werden". Eine solche legale Form des Konsums sei eben "das Kauen" von Kokablättern, "das seit Jahrtausenden in der Kultur der Anden-Völker verwurzelt ist und das man nicht verbieten kann", so die Mitteilung. (ina/det/ap/dpa/rtr)