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Politik

Die Irrwege des Hussein K.

Jannis Papadimitriou
15. Dezember 2016

Der mutmaßliche Mörder von Freiburg ist bereits vor drei Jahren in Griechenland strafrechtlich auffällig geworden. Trotzdem gelang ihm die Flucht in Richtung Deutschland - unter noch ungeklärten Umständen.

Demonstration von Flüchtlingen zum Gedenken an die tote Freiburger Studentin Maria L.
Bild: DW/ M. Schneider

"Ich bin sprachlos, ich kann nur darüber staunen, wie sich dieser Mann entwickelt hat," erklärt Anwältin Maria-Eleni Nikopoulou im Gespräch mit der DW. Die junge Frau war Pflichtverteidigerin von Hussein K. auf der griechischen Insel Korfu im Jahr 2014. Ihr Mandant wurde damals zu zehn Jahren Gefängnis wegen Diebstahles und versuchter Nötigung verurteilt. Es sei gar nicht so einfach gewesen, mit ihm zu reden, zumal er kaum Englisch sprach, erinnert sich die Juristin. Und sie fügt hinzu: "Mir war sofort aufgefallen, dass dieser Mann ein völlig neutrales Verhalten an den Tag legte. Er zeigte kaum Regung, hat auch keine Angst erkennen lassen". Auf Korfu ging es damals um einen ähnlichen Tatverlauf wie neulich in Freiburg: Als die Studentin Spyridoula Ch. im Mai 2013 zur späten Stunde zu Fuß ihren Weg nach Hause antrat, wurde sie auf offener Straße angegriffen von Hussein K., der die junge Frau ausraubte und dann, um seine Tat zu vertuschen, einen steilen Küstenabhang hinunter warf. Die 20-jährige Griechin überlebte, erlitt aber schwere Verletzungen.

Wie in Freiburg auch, erklärte Hussein K. nach seiner Festnahme auf Korfu gegenüber der Polizei, er stamme aus Afghanistan und sei erst 17 Jahre alt. Sollten seine Altersangaben tatsächlich stimmen, dann wäre er heute 20 und könnte nicht mehr von den milderen Sanktionen des deutschen Jugendstrafrechts profitieren. Anders 2014 in Griechenland: Damals wurde Hussein K. in einem Jugendgefängnis nahe der Hafenstadt Volos untergebracht. Bereits im Oktober 2015 durfte er das Gefängnis vorzeitig unter Auflagen verlassen. Als Rechtsgrundlage diente ein Amnestiegesetz zur Entlastung der Gefängnisse, dass die linksgeführte Athener Regierung im April 2015 trotz heftiger Proteste seitens der konservativen Opposition im Parlament durchbringen konnte. Häftlinge mit einer Freiheitsstrafe von über zehn Jahren bekamen nach diesem Gesetz erstmals die Chance, vorzeitig entlassen zu werden. Besonders günstige Regelungen waren zudem für Minderjährige und Personen mit Behinderung vorgesehen. 

Die 19jährige Medizinstudentin Maria L. ist nahe dieser Fußgängerbrücke über den Fluß Dreisam in Freiburg vergewaltigt und ermordet wordenBild: Getty Images/S. Gallup

Umstrittenes Amnestiegesetz der Syriza-Regierung

"Dieses Gesetz kam auch deshalb zustande, weil Griechenland immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen der schlechten Haftbedingungen in überfüllten Gefängnissen verurteilt wird" gibt Anwältin Nikopoulou zu bedenken. In der Gesetzesbegründung des Athener Justizministeriums heißt es ausdrücklich, gerade für Minderjährige sei eine langjährige Haftstrafe so etwas wie eine "Fortbildung in Kriminalität", die es zu vermeiden gilt. Im Gespräch mit der DW sagt die Anwältin aus Korfu, sie habe damals Hussein K. dazu geraten, im Jugendgefängnis Griechisch-Unterricht zu nehmen; dies könne sich irgendwann strafmildernd für ihn auswirken. Ob ihr Mandant den Ratschlag auch befolgt hat? "Ich vermute schon, aber ich weiß es nicht. Ich habe nämlich keinen Kontakt mehr zu Hussein K." erklärt Nikopoulou. Im griechischen TV-Sender Skai fasst Rechtsexpertin Ioanna Mandrou das Ganze wie folgt zusammen: "Die vorzeitige Entlassung von Hussein K. war kein Fehler und auch keine Justizpanne, sondern sie war ausdrücklich erlaubt. Nach heutiger Rechtslage darf ein Schwerverbrecher nämlich bereits nach zweijähriger Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen werden- unter bestimmten Voraussetzungen".  

Ursprünglich sollte die Amnestieregelung für ein Jahr gelten. Bereits in den ersten acht Monaten nach Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes konnten über 1800 Straftäter ihre Chance zur Freiheit nutzen. Unter ihnen waren der Schmuggler Vassilis Stefanakos, einer der bekanntesten Schwerverbrecher Griechenlands, sowie der wegen Amtsunterschlagung inhaftierte Ex-Bürgermeister von Thessaloniki Vassilis Papageorgopoulos, der eine Schwerbehinderung geltend machte. Konservative Kommentatoren klagen über einen "Persilschein für Verbrecher". Der einstige Justizminister Nikos Paraskevopoulos sah das offenbar anders und ließ im April seine Amnestieregelung um weitere zwölf Monate verlängern. Somit gilt das Gesetz bis April 2017, auch wenn Paraskevopoulos inzwischen seinen Posten im Zuge einer umfassenden Regierungsumbildung aufgeben musste. 

Flüchtlinge unter Druck: nachdem ein junger Afghane als mutmaßlicher Mörder von Maria L. festgenommen wurdeBild: picture-alliance/Ropi

Ungeklärte Fragen über die unterlassene Fahndung

Nach seiner Entlassung auf Bewährung bekam Hussein K. im Herbst 2015 die Pflicht auferlegt, sich am Anfang jedes Monats bei der Polizeiwache im Athener Vorort Aghios Panteleimon zu melden. Wenig später verschwand er allerdings in Richtung Deutschland. Wie konnte es dazu kommen? Nach Informationen des TV-Senders Skai erschien Hussein K. tatsächlich, wie vereinbart, in der ersten  Novemberwoche 2015 bei der Polizei und tauchte danach unter. Die nächsten vier Wochen nutzte er offenbar geschickt, um ungestört nach Deutschland zu reisen. Erst im Dezember 2015 konnte die Athener Polizei überhaupt merken, dass der junge Mann gegen Meldeauflagen verstoßen hatte. Unklar ist noch, ob und zu welchem Zeitpunkt die zuständigen Behörden Hussein K. zur Fahndung ausgeschrieben haben.

 

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