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Politik

Steinmeier will Schutz für Kommunalpolitiker

19. Juni 2019

Der mutmaßlich rechtsextremistische Mord an Kassels Regierungspräsident treibt weiter die politische Klasse um - allen voran den Bundespräsidenten. Der CDU-Politiker Tauber macht dabei einen umstrittenen Vorschlag.

Deutscher Evangelischer Kirchentag - Rede Frank-Walter Steinmeier
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung des Evangelischen Kirchentages in DortmundBild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit Blick auf den Mordfall Walter Lübcke Respekt und Schutz für Kommunalpolitiker in Deutschland gefordert. Sie seien diejenigen, "die die Kärrnerarbeit unserer Demokratie leisten", sagte Steinmeier bei der Eröffnung des Evangelischen Kirchentages in Dortmund. "Sie verdienen nicht nur unser Vertrauen, sie verdienen Respekt, und sie verdienen vor allem Schutz vor jeder Form von Herabwürdigung, Hetze und roher Gewalt."

Steinmeier: Kurzer Weg von verrohter Sprache zur Straftat

Weiter betonte Steinmeier, es sei "furchtbar und unerträglich", dass einem "politischen Mord, mutmaßlich begangen von einem überzeugen Rechtsextremisten", auch noch "im Netz Beifall geklatscht wird". "Gerade in diesen Tagen erleben wir, wie kurz der Weg von verrohter Sprache bis zur Straftat ist", wandte sich der Bundespräsident gegen Hass und Hetze im Internet.

Als dringend Tatverdächtiger war am Wochenende der vorbestrafte Rechtsextremist Stephan E. festgenommen worden. Ob es weitere Tatbeteiligte oder Hintermänner aus dem rechtsextremen Milieu gab, wird derzeit noch überprüft. Steinmeier forderte denn auch, das Verbrechen müsse "schnellstmöglich aufgeklärt werden".

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, hier bei der Trauerfeier für Walter Lübcke am vergangenen Freitag in KasselBild: imago images/Hartenfelser

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte eine gründliche Aufklärung des Mordes an dem Regierungspräsidenten von Kassel zu. "Die Landesregierung wird alles tun, dieses scheußliche Verbrechen rückhaltlos aufzuklären", betonte der CDU-Politiker im Landtag in Wiesbaden. Die Ermittlungen müssten in alle Richtungen gehen und es dürfe keine vorschnelle Festlegung auf einen Einzeltäter geben. Sollte es sich aber wirklich um eine rechtsextremistisch motivierte Tat handeln, wäre dies eine Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte sowie eine neue Dimension von Radikalisierung und Gewalt, so Bouffier weiter.

Bouffier: Auch Angriff auf die freiheitliche Demokratie

Lübcke - er gehörte ebenfalls der CDU an - sei sehr beliebt, aber nie beliebig gewesen, habe ein klares Wertefundament gehabt und sei mutig für seine Überzeugungen eingetreten. Vor diesem Hintergrund müsse sichergestellt werden, dass jeder Mensch, jeder Politiker, auch ehrenamtlich tätige, frei ihre Meinung äußern könnten, ohne Angst zu haben, sagte Bouffier. "Der Angriff auf Walter Lübcke war auch ein Angriff auf uns und er war ein Angriff auf die freiheitliche Demokratie."

Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat derweil mit seiner der Forderung, Verfassungsfeinden bestimmte Grundrechte zu entziehen, eine heftige Kontroverse losgetreten. Nur das Strafrecht anzuwenden, genüge nicht im Kampf gegen Rechtsextremismus, schrieb Tauber in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt" mit Blick auf den Mord an Lübcke. "Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben uns ein scharfes Schwert zum Schutz der Verfassung in die Hand gegeben. Es ist Zeit, von ihm Gebrauch zu machen", schrieb Tauber.

Der CDU-Politiker Peter TauberBild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Er bezog sich auf Artikel 18 des Grundgesetzes, der noch nie angewendet worden sei. Danach können Grundrechte verwirkt werden, wenn jemand versucht, damit die freiheitliche demokratische Grundordnung zu bekämpfen. Wörtlich heißt es dort: "Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte." Entscheiden muss darüber das Bundesverfassungsgericht.

Tauber: Politische Rechte nicht integrierbar

"Die politische Rechte kann man nicht integrieren oder einbinden", so Tauber, der inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium ist. Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu, das politische Klima habe sich verändert. Explizit nannte Tauber hier auch die Namen von AfD-Politikern wie Fraktionschefin Alice Weidel und Björn Höcke.

Die AfD-Politiker Alice Weidel und Jörg MeuthenBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Weidel entgegnete: "Wer gegen illegale Masseneinwanderung kämpft, ist kein Helfershelfer von Mördern. Er nimmt nur seine Rechte im demokratischen Meinungskampf wahr." AfD-Chef Jörg Meuthen warf Tauber vor, aus dem Mord an Lübcke politisches Kapital zu schlagen, indem er AfD-Politiker für mitschuldig erkläre. "Das ist genauso abstoßend und niederträchtig wie falsch." Er forderte Taubers Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär.

Die übrigen Oppositionsparteien zeigten sich skeptisch. Nun müsse es vor allem um die Analyse rechtsextremer Netzwerke gehen, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. "Hier haben Bundesregierung und Sicherheitsbehörden jahrelang die Gefahr verkannt und sich stets auf Einzeltäter fokussiert, statt nach Zusammenhängen und Strukturen zu suchen.(...) Mit dieser Ausblendung der Wirklichkeit muss Schluss sein." Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser warf Tauber Aktionismus vor. "In Deutschland gibt es heute rund 13.000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Das hätte die Union, die seit 2005 ununterbrochen den Bundesinnenminister stellt, schon lange anders angehen müssen." Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, erklärte: "Wer so etwas fordert, arbeitet den demokratiefeindlichen Zielen der Naziterroristen geradezu in die Hände." Stattdessen müssten die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden. Die "Verharmlosung von Naziseilschaften bei der Polizei und in der Bundeswehr als vermeintliche Einzelfälle" müsse ein Ende haben.

sti/qu (afp, dpa)

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