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KonflikteAfrika

Mosambik: Landgewinne für die Terroristen

Antonio Cascais
14. August 2020

Die Sicherheitslage in Nordmosambik spitzt sich dramatisch zu: Zuletzt haben Dschihadisten einen Hafen am indischen Ozean erobert. Die Regierung setzt im Kampf gegen den Terrorismus verstärkt auf internationale Hilfe.

Mosambik Straßenschild am Abzweig in den Ort Quissenge
Regionalstraße nach Mocímboa da Praia auf einem Foto aus dem Jahr 2018Bild: DW/A. Chissale

Die Sicherheitslage in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: Die 30.000-Einwohner-Stadt Mocímboa da Praia ist zum wiederholten Mal von Dschihadisten angegriffen und teilweise eingenommen worden. Es handelt sich nicht um den wichtigsten Hafen des Nordens Mosambiks, nach Meinung von Beobachtern stellt die Eroberung des Hafens dennoch eine Blamage für die Regierungstruppen Mosambiks dar.

Städte wie Mocímboa da Praia, Macomia und andere glichen inzwischen Bürgerkriegsgebieten, erklärt der investigative Journalist Estácio Valói, der seit den ersten Vorfällen im Oktober 2017 immer wieder für das unabhängige Portal "Moz 24 Horas" aus der Region berichtet. Viele Dörfer seien dem Erdboden gleich gemacht worden. Wer nicht fliehen könne, werde bedroht oder gleich enthauptet. Viele Familien seien in den vergangenen Tagen mit Booten, übers Meer, oder mit Kleinbussen, über Land, nach Pemba, in die Hauptstadt Cabo Delgados, geflohen. Die Lage sei völlig außer Kontrolle. UN-Angaben zufolge sind in den vergangenen drei Jahren rund eintausend Menschen im Zuge dieses Krieges gestorben, etwa 250.000 sind in andere Landesteile geflüchtet.

Auch diese Lehrer sind wegen der Sicherheitslage in Cabo Delgado geflüchtetBild: DW

Viel zu spät seien Regierungssoldaten in großer Anzahl in die Region verlegt worden, so Valói weiter. Doch die Truppen seien völlig überfordert. Es mangele an Waffen und Ausrüstung, militärischer Ausbildung und Ortskenntnis. Im Morgengrauen des vergangenen Mittwochs seien die Soldaten von den Terroristen angegriffen und regelrecht niedergemetzelt worden. Die Verluste seien hoch: "Leichen und Leichenteile" lägen teilweise mitten auf den Straßen.

Beschwichtigungen der Regierung

Die Regierung Mosambiks im 1700 Kilometer entfernten Maputo übt sich derweil weiter in Optimismus: Die Regierungstruppen übernähmen langsam wieder die Kontrolle, man habe 59 "Terroristen" getötet, viele andere in die Flucht geschlagen. Zudem werde jetzt internationale Hilfe angefordert. Vor allem mit der Regierung und Armee des benachbarten Tansania wolle man zukünftig Einfälle an der gemeinsamen Grenze stoppen, kündigte die mosambikanische Außenministerin Verónica Macamo an.

Mosambikanische Soldaten 2018 in Mocímboa da PraiaBild: Getty Images/AFP/A. Barbier

"Alle Bemühungen der Regierung, die Lage militärisch unter Kontrolle zu bringen, sind bisher gescheitert", sagt Journalist Estácio Valói. Sie habe es mit der Wagner-Gruppe, einer russischen Söldnerfirma mit mutmaßlichen Verbindungen in den Kreml, sowie mit einer Sicherheitsfirma aus Südafrika versucht. "Teure Lösungen, ohne Erfolg." Vielleicht ändere sich ja etwas zum Besseren, wenn Russland bald eine Militärbasis in Mosambik eröffne, so Valoi. Presseberichten zufolge soll Russland mit Mosambik und weiteren fünf Ländern Afrikas eine enge Militärkooperation vereinbart haben, die unter anderem die Einrichtung einer Militärbasis vorsehe; ein Thema, das derzeit in Mosambik kontrovers diskutiert wird. Eine Bestätigung aus dem Kreml gibt es dafür bislang nicht.

Verbindungen ins Ausland

Obwohl die Wurzeln des Konflikts eher lokal sind, haben die mosambikanischen Dschihadisten internationale Verbindungen aufgebaut - vor allem nach Tansania, wo nach Erkenntnis der mosambikanischen Regierung auch ein Großteil der Kämpfer rekrutiert wird: Am 13. November 2019 gab es einen ersten grenzüberschreitenden Angriff auf ein tansanisches Grenzdorf, bei dem die Terroristen sechs Menschen exekutierten. Tansania gilt als ein Land, das für die Expansion der Dschihad-Bewegung anfällig ist. Zwischen 30 und 40 Prozent seiner Bevölkerung sind Muslime, gegenüber 18 bis 20 Prozent in Mosambik.

Binnenvertriebene in Metuge im Norden der Provinz Cabo DelgadoBild: DW

Die Dschihadisten sollen auch eine Verbindung nach Südafrika haben: Im August 2018 verhafteten die mosambikanischen Behörden den 60 Jahre alten Südafrikaner André Mayer Hanekom, genannt "Baba Mzungo" ("weißer Papa"), der für die Lieferung von Waffen, Medikamenten und Bargeld an die Rebellen verantwortlich war und es den Dschihadisten ermöglichte, ihren Kämpfern Gehälter zu zahlen. Er starb im Januar 2019 unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam.

Im Juni 2019 hat die Terrormiliz IS zum ersten Mal in einem Kommuniqué die Verantwortung für einen Angriff der "Soldaten des Kalifats" gegen die "Kreuzritter" der mosambikanischen Streitkräfte übernommen. Im Mai 2018 erklärte ein Vertreter der Afrikanischen Union, dass der IS seine Reichweite auf Ostafrika und Mosambik ausgedehnt habe.

Auslandsinvestitionen in Gefahr?
Laut Journalist Valoi bedeutet die Einnahme des Hafens von Mocímboa da Praia durch die Aufständischen, dass die Regierungstruppen derzeit nicht in der Lage sind, den Vormarsch der Dschihadisten einzudämmen: "Mocímboa da Praia ist de facto zu einem Staat im Staate geworden. Dies ist besorgniserregend und ernst, vor allem weil es sich um eine strategisch und vor allem wirtschaftlich wichtige Region handelt."

Vor der Küste von Cabo Delgado liegen große Erdgas-Vorkommen

"Wir haben in diesem Teil des Landes, in der Region Cabo Delgado, die größten Investitionen im Rohstoffsektor in ganz Afrika", bestätigt der Politologe Dércio Alfazema. Mocímboa da Praia liege nur 90 Kilometer entfernt von einem Erdgas-Megaprojekt, an dem französische, US-amerikanische, italienische und andere Energiekonzerne beteiligt seien.

Alfazema ist sich bewusst, dass die Aufständischen eine sehr strategische Region nicht nur für die Entwicklung des Cabo Delgado, sondern für das ganze Land eingenommen haben: "Es geht um die Kontrolle über strategisch wichtige Punkte des Landes und der Region."

Mitarbeit: Romeu da Silva (Maputo)

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