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PolitikMosambik

Neue Proteste in Mosambik - ein Wendepunkt?

Martina Schwikowski
6. November 2024

In Mosambik eskalieren Proteste gegen den Wahlsieg der Regierungspartei. Das Regime beschränkt den Internetzugang und droht, gegen Demonstranten vorzugehen. Dialog gebe es nicht, sagen Experten.

Junge Oppositionelle demonstrierten in Maputo, tragen die Flagge des Landes vor sich und strecken Ihre Fäuste in die Luft (21.10.2024)
Oppositionsprotest in Maputo: Drohende Eskalation (21.10.2024)Bild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

In Mosambik droht eine Eskalation der Unruhen, die in dem südafrikanischen Land seit der Wahl des neuen Präsidenten Daniel Chapo im Oktober andauern: Am Donnerstag sollen die von der Opposition organisierten Demonstrationen in den Straßen der Hauptstadt Maputo in einem großen Protestmarsch gipfeln. 

Der sehr repressive Charakter des Regimes erwecke den Anschein, dass die Anwendung von Gewalt seit vielen Jahren die einzige Möglichkeit sei, mit dem Regime effektiv zu kommunizieren, sagt der mosambikanische Analyst Fredson Guilengue, der für die Rosa-Luxemburg-Stiftung im benachbarten Südafrika arbeitet. 

Demonstranten in Maputo (am Montag)Bild: Jaime Álvaro/DW

Seit den ersten Mehrparteienwahlen 1994 hätten die Opposition und unabhängige Analysten kein einziges Wahlergebnis als glaubwürdig anerkannt, sagt er. Guilengue zufolge hängt dieser Mangel an Glaubwürdigkeit mit wiederholtem Wahlbetrug zusammen und damit, dass die Regierungspartei den Wahlprozess und die Justiz kontrolliere. Das Ergebnis zeige sich in Instabilität nach Wahlen, einschließlich bewaffneter Konflikte. 

Keine Kommunikation mit der Regierung

"Das Regime versucht, die Menschen mit Gewalt von den Demonstrationen abzuhalten. Bislang hat das nicht funktioniert, die Menschen sind immer noch auf der Straße", sagt der Analyst im DW-Gespräch. 

Die Menschen erwarteten von der Regierung, dass sie mit den Bürgern über die von ihnen geforderten Veränderungen spreche, aber sie kommuniziere nicht. "Ich glaube, die Regierung wird die Gewalt nur noch verstärken, um die Demonstrationen zu beenden." 

Nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse am 24. Oktober kam es zu heftigen Protesten, die Opposition beschuldigte die Regierungspartei FRELIMO des Wahlbetrugs und reichte Klage beim Verfassungsgericht ein. 

Die Anhänger des Oppositionsführers Venâncio Mondlane gingen vor allem in Maputo auf die Straßen, um gegen die Wahlergebnisse zu protestieren. Mondlane war als unabhängiger Kandidat angetreten, unterstützt unter anderem von Podemos, der Optimistischen Partei für die Entwicklung Mosambiks. Laut Wahlkommission erhielt er knapp über 20 Prozent der Stimmen. 

Der Kandidat der regierenden Partei, Daniel Chapo, gewann die Präsidentenwahl demnach mit über 70 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der Renamo, der traditionell wichtigsten Oppositionspartei Mosambiks, landete mit weniger als sechs Prozent weit abgeschlagen auf dem dritten Platz.

Oppositionskandidat Venâncio Mondlane wirft der Regierungspartei Frelimo Wahlbetrug vorBild: Alfredo Zungia/AFP

Unmittelbar nach der Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse durch die Wahlkommission rief der 50-jährige Mondlane die Anhänger der Opposition zu Protesten auf.Dabei sprach er von Wahlbetrug und Manipulation zugunsten der FRELIMO, der Befreiungsfront Mosambiks.

Repressives Regime, Oppositionelle getötet

Die Polizei reagierte mit Tränengas und Schüssen, um die Demonstranten zu vereinzeln. Ein Anwalt und ein Berater Mondlanes wurden von Unbekannten im Auto erschossen, woraufhin es zu weiteren Gewaltausbrüchen kam.

Mondlane verschwand kurz danach aus der Öffentlichkeit und beschuldigte die Polizei, ihn bedroht zu haben. Medienberichten zufolge geht die Polizei davon aus, dass er sich in Südafrika versteckt hält.

Die Gefahr, dass Mondlane getötet werden könnte, wenn er sich in Mosambik aufhalte, sei real, schätzt Analyst Guilengue: "Wir haben erlebt, dass unabhängige Journalisten, öffentliche Kommentatoren, Wissenschaftler, Aktivisten und viele andere Menschen in Mosambik ermordet wurden, nur weil sie ihre Meinung zu politischen und sozioökonomischen Themen im Land geäußert haben, mit denen sie nicht einverstanden waren."

Elísio Macamo, mosambikanischer Soziologe an der Universität Basel, ist anderer Meinung: "Es mag eine weise Entscheidung gewesen sein, dass Mondlane das Land verlassen hat, aber ich glaube nicht, dass sie - unter Berücksichtigung der politischen Rationalität - ein Interesse an seiner Ermordung haben", sagte Macamo der DW. 

Konfrontation von Polizei und Protestierenden in Maputo (24.10.2024)Bild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Allen Drohungen zum Trotz hat Mondlane seine Anhänger in Videos in den sozialen Medien dazu aufgerufen, gegen die offiziellen Wahlergebnisse zu demonstrieren. In einer Live-Ansprache auf seiner Facebook-Seite versicherte Mondlane am Freitag, dass alle Voraussetzungen gegeben seien, um nach Maputo zurückzukehren und sich den Demonstranten anzuschließen.

"Auch wenn sie mich am 7. November erschießen oder vergiften, stehe ich zur Verfügung, um diese Mission zu erfüllen", sagte Mondlane und fügte hinzu: "Wenn Venâncio physisch ausgeschaltet ist, wenn ich in Maputo ankomme, wisst ihr, was zu tun ist", sagte Mondlane in einem klaren Appell an seine Unterstützer, den Kampf nicht aufzugeben.

Die Demonstrationen - ein Wendepunkt?

Die Demonstrationen seien ein Wendepunkt, so etwas habe es in Mosambik noch nie gegeben, sagt Analyst Macamo: 

"Die jungen Leute haben ihre Angst verloren und waren in der Lage, das Narrativ zu ändern. Der Fokus liegt jetzt auf Betrug und ich glaube nicht, dass der Sieg der FRELIMO allein auf Betrug zurückzuführen ist."

Das Ergebnis habe auch damit zu tun, dass der unabhängige Kandidat die Opposition gespalten habe, so dass diese am Ende um denselben Kreis von Wählern gestritten habe: "Wenn die Dinge in Mosambik nicht laufen und es gibt nichts, was richtig funktioniert, wäre es verwunderlich, wenn unsere Wahl effizient und fair ablaufen würde", so Macamo.

Zur Beeinflussung der Proteste beschränke die autokratische Regierung sogar den Internetzugang, bemängelt der Soziologe. Er selbst habe in den vergangenen Tagen Schwierigkeiten gehabt, mit seiner Familie zu sprechen und virtuelle Treffen mit Kollegen in Mosambik abzuhalten: "Offensichtlich haben die Internetunternehmen Anweisungen von der Polizei und den Justizbehörden erhalten, die Internetdienste zu sperren oder einzuschränken."

Mosambiks Wahlsieger Daniel Chapo (rechts) auf einer Wahlkampfveranstaltung (Anfang Oktober): Sieg laut Wahlkommission mit 70 Prozent der StimmenBild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Macamo fügt hinzu, dass Fake News im Umlauf seien. "Ich denke, dass jeder diese Manipulationen vornimmt, nicht nur die Regierung. Aber es gibt Leute, die Material produzieren, das mit der Frelimo-Partei in Verbindung steht, und das tun sie, um den Berichten der Opposition entgegenzuwirken."

Die Regierung sei keinesfalls in der Lage, die Fragen der Menschen und die grundlegenden Probleme, vor denen das Land stehe, zu ändern, sagt Macamo. "Die Regierung wird weiterhin repressiv vorgehen. Ich befürchte, dass die Dinge noch mehr aus dem Ruder laufen werden, und mache mir einfach Sorgen um das Land".