1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Entschädigung für Ausbeutung in der DDR?

Johannes Beck
4. März 2019

Tausende Mosambikaner haben als Vertragsarbeiter in der DDR gearbeitet, aber nicht den vollen Lohn erhalten. Grundlage war ein Vertrag zwischen den beiden Ländern. Der Ex-Außenminister der DDR fordert eine Überprüfung.

DDR Gastarbeiter aus Mosambik
Bild: Imago/U. Hässler

Im Februar 1979 schlossen die Deutsche Demokratische Republik und die Volksrepublik Mosambik ein Freundschaftsabkommen. Etwa 20.000 mosambikanische Vertragsarbeiter kamen daraufhin in die DDR. Sie gingen zwar arbeiten, erhielten aber nicht den vollen Arbeitslohn: Ein Teil der Bezahlung wurde einbehalten für Sozialabgaben und die Begleichung von Schulden des mosambikanischen Staates. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und der friedlichen Revolution in der DDR streiten die Betroffenen noch immer um die Rückzahlung der in der DDR abgezogenen Löhne und Sozialversicherungsanteile.

Markus Meckel war sechs Monate lang DDR-AußenministerBild: DW/J. Beck

Das war Thema der Konferenz "Respekt und Anerkennung", die im Februar von der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands in Magdeburg organisiert wurde. Ein prominenter Teilnehmer der Konferenz war Markus Meckel, von April bis August 1990 Außenminister der DDR, die sich damals im Umbruch befand. "Ich denke, dass es wichtig ist, dass man sich die Verträge heute ansieht und versucht, nochmal zu prüfen, inwieweit bei dieser Vertragsarbeit nicht noch Ansprüche da sind", fordert Markus Meckel. "Von der DDR wurde ein Großteil des Lohnes und der Sozialversicherungsleistungen einbehalten, aber das ist letztlich bei den Personen nicht angekommen. Bei diesem Punkt glaube ich, dass sich auch 30 Jahre danach noch ein klarer rechtlicher Prüfungsauftrag lohnt."

Meckel hat als Außenminister der DDR miterlebt, wie zahlreiche staatseigene Betriebe ausländische Vertragsarbeiter entlassen haben. Die meisten der 15.000 mosambikanischen Vertragsarbeiter, die damals in der DDR lebten, kehrten in ihre Heimat zurück. Bis heute demonstrieren einige von ihnen jede Woche, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. In Mosambik werden sie "madgermanes" genannt, in Anlehnung an das Export-Siegel "Made in Germany".

Was wurde von der DDR überwiesen?

Laut dem Freundschaftsabkommen zwischen der DDR und Mosambik vom 24. Februar 1979 hatte der Einsatz der Mosambikaner zwei Ziele. Zum einen sollten in der DDR Fachkräfte ausgebildet werden. Das südafrikanische Land brauchte sie dringend, da drei Jahre nach der Unabhängigkeit von Portugal kaum qualifizierte Arbeiter im Land vorhanden waren, um die von Staatspräsident Samora Machel angestrebte sozialistische Wirtschaft aufzubauen. Zum anderen sollten mit dem Einsatz der Vertragsarbeiter auch die wachsenden Schulden Mosambiks beglichen werden, das aus der DDR zahlreiche Waren bezog.

Noch immer demonstrieren die "madgermanes" regelmäßig in MaputoBild: Friedrich Stark

Daher wurden den Mosambikanern in der DDR die Hälfte der Sozialversicherungsbeträge und Teile ihres Lohns abgezogen: anfangs 20 %, ab 1987 dann 60% des Arbeitsentgelts über 350 Mark. Konten bei der Deutschen Außenhandelsbank und der mosambikanischen Zentralbank registrieren die Abzüge.

"Die Außenhandelsbank gibt es nicht mehr. Aber es müssten trotzdem die Unterlagen noch vorhanden sein, in denen detailliert aufgeführt ist, wieviel jeder einzelne mosambikanische Vertragsarbeiter damals - egal ob Sozialversicherungsbeträge oder Lohn - transferiert hat", erläutert Ralf Straßburg, der damals im Sekretariat für Arbeit und Löhne der DDR für die mosambikanischen Arbeiter verantwortlich war.

Warum sind die Abzüge teilweise nie ausgezahlt worden?

Obwohl es Konten gab, floss de facto kein Geld. Die mosambikanische Regierung nutzte die Summen der Vertragsarbeiter, um diese direkt mit Schulden bei der DDR zu verrechnen. Und als die Arbeiter dann im Jahr 1990 zu Tausenden in ihre Heimat zurückkamen, verweigerte das mosambikanische Arbeitsministerium vielen die Auszahlung. Damals befand sich Mosambik noch im Bürgerkrieg mit der RENAMO. Außerdem hatte Präsident Joaquim Chissano Mitte der 80er Jahre der sozialistischen Wirtschaft abgeschworen und sich Richtung Marktwirtschaft orientiert.

Nina Lutter vom BMZ sieht die Verantwortung beim mosambikanischen StaatBild: DW/J. Beck

Die deutsche Bundesregierung lehnt heute jede Verantwortung ab. Sowohl die DDR als auch das wiedervereinigte Deutschland hätten alle ausstehenden Summen mit Mosambik beglichen, sagt Nina Lutter, die beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für Mosambik zuständig ist: "Daraus ergibt sich für die Bundesregierung, dass die Verantwortung zur Auszahlung von Lohn- und Renten- sowie Sozialversicherungsbeiträgen bei der mosambikanischen Regierung lag und liegt, sofern noch weitere Forderungen auf individueller Basis gelten gemacht werden sollen."

Nach Berechnungen des BMZ sind insgesamt etwa 93 Millionen US-Dollar abgezogen worden (74 Millionen Lohnanteile und 19 Millionen an Sozialversicherungsbeträgen). Das entspricht durchschnittlich etwa 4.500 Dollar für jeden der etwa 20.000 Mosambikaner, die in der DDR gearbeitet haben.

Unklarheiten über den Zweck der Überweisungen

Der Anhang des Freundschaftsabkommens von 1979, in dem der Einsatz der Vertragsarbeiter geregelt war, ist jahrelang nicht veröffentlicht worden, so dass viele Mosambikaner über seinen Inhalt und den zweck der Transfers nicht Bescheid wussten. Allerdings unterschrieben sie mit den volkseigenen Betrieben der DDR individuelle Vereinbarungen, in denen klar geregelt war, dass die Abzüge "zu ihren Gunsten" erfolgen würden, wie Unterlagen aus dem Bundesarchiv zeigen.

Laut Vertrag sollte der Arbeitslohn "zu Gunsten" des Vertragsarbeiters überwiesen werdenBild: DW/J. Beck

"Solche Dinge zu überprüfen, lohnt sich", sagt Markus Meckel. "Es kann sein, dass wir als DDR-Regierung schon manches falsch gemacht haben. Es kann sein, dass man im Rahmen des Einigungsvertrags rechtliche Regelungen gemacht hat, die vielleicht völkerrechtlich richtig waren, aber menschenrechtlich und der Ehre und Würde dieser Betroffenen nicht gerecht werden."

Meckel sieht neben der mosambikanischen auch die deutsche Regierung in der moralischen Pflicht, den Fall der Vertragsarbeiter neu aufzurollen und gegebenenfalls nachzubessern. Falls die Bundesregierung sich der Sache annimmt, könnte Mosambik nur der Anfang sein. Denn auch mit Angola, Äthiopien, Jemen, Kuba und Vietnam schloss die DDR ähnliche Verträge.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen