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Sechs Fakten, die Sie nicht über deutsche Moscheen wussten

Bettina Baumann | Kristina Reymann-Schneider
2. Oktober 2022

Deutschland hat zwar tausende Moscheen - doch die meisten sind versteckt in Hinterhöfen oder Gewerbegebieten. Zum Tag der offenen Moschee am 3. Oktober öffnen sie ihre Pforten.

Blick in die Sehitlik Moschee mit betenden Menschen auf dem Boden und Menschen auf den Rängen.
Tag der offenen Moschee in der Sehitlik Moschee in Berlin-Neukölln (2013)Bild: Thomas Trutschel/photothek/picture alliance

Deutschland ist berühmt für seine Genauigkeit und Ordnung. Alles Mögliche wird dokumentiert und analysiert. Doch wie viele Moscheen es in Deutschland gibt, das weiß niemand so genau - die Schätzungen reichen von 2350 bis 2750. Im Jahr 2019 wurden diese Moscheen von 24 Prozent der 5,5 Millionen in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslimen mindestens einmal in der Woche besucht, wie eine Studie der Deutschen Islam Konferenz herausfand. 

Am Tag der offenen Moschee, der seit 1997 jährlich am 3. Oktober stattfindet, öffnen rund 1000 Moscheen in ganz Deutschland ihre Pforten, um muslimische und nicht-muslimische Menschen zusammenzubringen. Das Motto lautet in diesem Jahr "Knappe Ressourcen - große Verantwortung". Die "Auswirkungen der Klimakrise lassen sich bei uns und in vielen Teilen der Welt, wie zuletzt bei der verheerenden Flutkatastrophe in Pakistan, beobachten", sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). 

Wir haben den Tag der offenen Moschee zum Anlass genommen, um sechs Fakten rund um Moscheen in Deutschland zusammenzutragen: 

1. In der ersten deutschen Moschee wurden Dschihadisten ausgebildet

Die Wünsdorfer Moschee in Brandenburg wurde 1915 auf Wunsch des Muftis von Istanbul erbaut und gilt als der älteste islamische Bau Deutschlands, ja sogar ganz Mitteleuropas. Die Moschee stand im Zentrum eines Kriegsgefangenenlagers für Muslime, des sogenannten "Halbmondlagers". Hier wurde nicht nur friedlich gebetet, sondern das Kaiserreich nutzte die Moschee auch, um muslimische Gefangene gegen deren Kolonialmächte aufzustacheln: Frankreich und England. "Revolutionsstrategie" nannte das das deutsche Kaiserreich. Hier wurden Dschihadisten vereidigt und schließlich in den "Heiligen Krieg" geschickt. 

Gefangenenlager für muslimische Soldaten in Wünsdorf-Zossen mit der Moschee im Zentrum (digital nachkoloriertes Foto)Bild: akg-images/picture alliance

Aber auch zu Forschungszwecken wurden die muslimischen Gefangenen missbraucht: Sprachaufnahmen und anthropologische Vermessungen wurden mit und an ihnen durchgeführt. Diese flossen später auch in die sogenannten "Rassenforschungen" der Nationalsozialisten ein. Mit dem Bau einer Moschee in Berlin-Wilmersdorf im Jahr 1928 verlor die Wünsdorfer Moschee an Bedeutung und wurde 1930 - nicht einmal 15 Jahre nach ihrer Einweihung - wieder abgerissen.

2. Deutschlands älteste Moschee ähnelt dem Taj Mahal 

Die besagte Moschee in Berlin-Wilmersdorf ist heute die älteste noch bestehende Moschee in Deutschland und erinnert stark an ein weltbekanntes Monument aus Indien: das Taj Mahal. Zwei mehr als 30 Meter hohe Minarette rahmen das Gebäude ein. Konzipiert hat es der deutsche Architekt Karl August Herrmann für die islamische Gemeinschaft der Ahmadiyya-Lahore aus dem heutigen Pakistan, deren Mitglieder 1920 nach Deutschland kamen. Sie gründeten gemeinsam mit deutschen Muslimen die Deutsch-Muslimische Gesellschaft. Die Moschee in Berlin-Wilmersdorf wurde zum Mittelpunkt muslimischen Lebens. 

Die Ahmadiyya-Moschee ist die älteste erhaltene Moschee in DeutschlandBild: Schoening/imageBROKER/picture alliance

3. In einer Berliner Moschee predigen auch Frauen

In der deutschen Hauptstadt entstand 2017 ein muslimischer Gebetsort der ganz besonderen Art: In der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee beten alle Geschlechter gemeinsam, Frauen dürfen predigen und queere Menschen werden nicht ausgeschlossen. "Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee vertritt einen progressiven, zeitgemäßen Islam, welcher mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar ist. Wir leben einen Islam, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt und gleichwertig sind", heißt es auf der Homepage. Außerdem seien alle Glaubensrichtungen des Islam herzlich willkommen: "Sunniten, Schiiten, Sufis und Aleviten fühlen sich zu unserer Gemeinde zugehörig." 

Ort der Gleichberechtigung und Toleranz: die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in BerlinBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Die Initiatorin und Mitbegründerin der Moschee, die Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş, zahlt dafür einen hohen Preis: Sie erhält Morddrohungen und steht rund um die Uhr unter polizeilichem Personenschutz. 

4. Moscheevereine stehen in der Kritik

In Deutschland betreiben Moscheevereine die Moscheen. Der wohl bekannteste und nach Zahl der Moscheegemeinden größte islamische Verband in Deutschland ist die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", kurz DITIB. Der Verein steht in der Kritik, weil er der türkischen Religionsbehörde Diyanet untersteht, dem staatlichen Präsidium für religiöse Angelegenheiten. Deren Imame werden meist in der Türkei ausgebildet, vom türkischen Staat bezahlt und predigen einige Jahre in deutschen Moscheen. Kritiker warnen seit Jahren vor der Einflussnahme des türkischen Staates auf die Gläubigen. Dass der türkische Präsident in Deutschland viele Befürworter hat, zeigte sich zuletzt bei den türkischen Präsidentschaftswahlen 2018, aber auch bei seinen Deutschland-Besuchen, bei denen er von seinen Anhängern stets herzlich empfangen und frenetisch bejubelt wurde. 

5. Moscheen in Deutschland sind meist unsichtbar

Während christliche Sakralbauten in Deutschland das Stadtbild prägen und die allermeisten Dörfer um eine Kirche herum gebaut wurden, fallen Moscheen kaum auf. Die meisten Moscheen sind von außen fast gar nicht als solche erkennbar. Oft weist nur ein Schild darauf hin, dass sich hinter einem unscheinbaren Hauseingang in einem Wohngebiet oder außerhalb der Stadtzentren in einem Gewerbegebiet eine Moschee befindet. Der nicht gerade wertschätzende, aber treffende Begriff "Hinterhofmoschee" bezeichnet ein solches Gebäude.

Muslime feiern das Zuckerfest vor der DITIB-Zentralmoschee in Köln-EhrenfeldBild: Mesut Zeyrek/AA/picture alliance

Eine Ausnahme stellt die DITIB-Zentralmoschee in Köln dar, die vom deutschen Star-Architekten Paul Böhm entworfen und im Sommer 2017 eröffnet wurde. Der moderne und imposante islamische Sakralbau, vornehmlich aus Glas und Sichtbeton, wird flankiert von zwei 55 Meter hohen geschwungenen Minaretten, die deutlich über die umliegenden Häuser hinausragen. Ursprünglich sollte sie die größte Moschee Deutschlands werden, doch nach Kritik an den Bauplänen wurde der Entwurf geändert. Heute bietet sie 1200 Gläubigen Platz - genauso vielen, wie die Ditib-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh.

6. Moscheen verzichten in der Regel auf den Muezzin-Ruf

In islamischen Ländern ruft traditionell ein Muezzin vom Minarett zum Gebet. Das ist zwar grundsätzlich auch in Deutschland erlaubt, wird aber nur äußerst selten praktiziert. Ist auch schwierig, weil die meisten Moscheen nicht mal ein Minarett besitzen. Hinzu kommt die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz. Gegner des Muezzin-Rufs halten ihn für Lärmbelästigung und kritisieren das religiöse Bekenntnis, das damit zum Ausdruck gebracht werde. Anders als Kirchenglocken habe der Ruf eine theologische Bedeutung und sei deshalb mit dem Glockengeläut nicht vergleichbar. Tatsächlich schallt nur von rund 30 Moscheen in Deutschland regelmäßig der Ruf des Muezzin. 

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