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Konflikte

Moskau will keine türkisch-syrischen Kämpfe

15. Oktober 2019

Durch die Verlegung syrischer Truppen in den kurdisch kontrollierten Norden wächst die Gefahr von Zusammenstößen mit türkischen Soldaten. Russland rechnet aber nicht mit einer direkten militärischen Konfrontation.

Türkei/Syrien: Ceylanpinar - Rauch über syrische Stadt Ras al-Ain
Bis vor kurzem noch heftig umkämpft: die nordsyrische Stadt Ras al-AinBild: Reuters/M. Sezer

Der russische Vize-Außenminister Michail Bogdanow sagte angesichts der neuen militärischen Konstellation in Nordsyrien, derzeit würden Kontakte geknüpft, um Ansätze auf Grundlage des Völkerrechts zu entwickeln. Dabei sollen auch die Interessen der jeweiligen Parteien berücksichtigt werden, erklärte Bogdanow nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS. Der Sondergesandte des Staatspräsidenten für Nahost betonte weiter: "Natürlich hoffen wir, dass es nicht zu Konflikten kommt."

Nicht kommentieren wollte der Vize-Minister, ob Russland zwischen den Kurden und der syrischen Seite vermittelt. Er sei noch nicht bereit, zu diesem Thema zu sprechen. Vereinbarungen müssten ohnehin zwischen Syrern und Kurden und zwischen Syrern und Türken getroffen werden.

Der stellvertretende russische Außenminister Michail BogdanowBild: picture-alliance/dpa/Sputnik/M. Blinov

Russland verhandelt seit langem mit der Türkei und dem Iran über eine Lösung für den Syrien-Konflikt. Der Kreml hatte zuletzt betont, sich nicht in den Konflikt im Norden Syrien hineinziehen zu lassen. Moskau steht aber nach eigenen Angaben im engen Kontakt zu Ankara.

Hunderttausende auf der Flucht

Die Türkei hatte Mittwoch vergangener Woche einen lange geplanten Militäreinsatz gegen die kurdische YPG-Miliz begonnen, die an der Grenze zur Türkei in Nordsyrien ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei hält die YPG für einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit für eine Terrororganisation. Nach jüngsten kurdischen Angaben wurden bereits mehr als 275.000 Bewohner in die Flucht getrieben.

Am Montag waren syrische Regierungstruppen in dem kurdisch kontrollierten Norden des Landes eingetroffen. Ihre Verlegung folgt auf eine Vereinbarung der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit dem Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und Russland.Die SDF hatten sich nach dem angekündigten Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien hilfesuchend an Damaskus gewandt, die Vereinbarung zugleich aber als "schmerzhaften Kompromiss" bezeichnet.

Reibungslose Übergabe von Manbidsch

Am Dienstag trafen nach übereinstimmenden Angaben der Kurden und des syrischen Staatsfernsehens auch in der Stadt Manbidsch im Norden des Landes syrische Truppen ein. Manbidsch wurde bisher von den Kurden kontrolliert und liegt knapp zwei Autostunden östlich von Aleppo und westlich des Flusses Euphrat. Kurz zuvor hatten sich von dort 150 US-Soldaten auf den Weg in den Irak gemacht. Zur Lage in Manbidsch wurden nun Einzelheiten bekannt. Das US-Magazin "Newsweek" berichtet, bei ihrem Abzug habe das amerikanischen Militär das dort eintreffende russische Militär teilweise unterstützt.

Türkische Panzer rollen auf die Stadt Tukhar nördlich von Manbidsch zuBild: AFP/A. Tammawi

"Im Grunde genommen war es eine Übergabe", zitierte das Magazin einen ranghohen Mitarbeiter im Pentagon. Ziel sei gewesen, mit "so vielen Dingen wie möglich" abzuziehen und "jegliches sensibles Gerät" zu zerstören. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, das russische Militär patrouilliere in der Gegend. Die syrische Armee habe die "volle Kontrolle" über Manbidsch übernommen. Zugleich sprach das Ministerium von einem "organisierten Zusammenwirken mit der türkischen Seite".

Kurdischer Gegenangriff

Unterdessen haben Kurdenmilizen in Nordsyrien einen Gegenangriff auf die eingerückten türkischen Truppen begonnen und nach Berichten von Aktivisten die strategisch wichtige Grenzstadt Ras al-Ain zurückerobert. Kämpfer der SDF hätten den Ort nach schweren Gefechten eingenommen, berichtete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Türkische Einheiten hatten den Ort mit Unterstützung von Milizionären der sogenannten syrischen Nationalarmee zwei Tage zuvor unter ihre Kontrolle gebracht.

Kurdische Quellen bestätigten den Gegenangriff und die Eroberung von Ras al-Ain. In Kreisen der Syrischen Nationalarmee war dagegen von anhaltenden Kämpfen um Ras al-Ain die Rede. Die von der Türkei unterstützten Rebellen hätten eine schwere Attacke gegen die Angreifer in dem Grenzort begonnen, hieß es.

Türkische Lira erholt sich

Mit Erleichterung reagierten derweil Anleger auf die vergleichsweise moderaten US-Sanktionen gegen die Türkei. Der Leitindex der Istanbuler Börse stieg am Dienstag um zwei Prozent, nachdem er am Montag um gut fünf Prozent abgerutscht war. Das war der stärkste Verlust seit März. Der Bankenindex ging ebenfalls auf Erholungskurs und legte knapp vier Prozent zu. Die Nachfrage nach der türkischen Währung drückte den Kurs von Dollar und Euro um jeweils mehr als ein Prozent. Die US-Maßnahmen schienen nicht auszureichen, die türkische Wirtschaft ernsthaft zu treffen, schrieb der Broker Is Investment in einem Kommentar.

US-Präsident Donald Trump hatte zuvor eine Verschärfung der Strafzölle auf türkischen Stahl angekündigt und die Gespräche über ein Handelsabkommen ausgesetzt. Außerdem brachte das US-Finanzministerium den türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar, Innenminister Süleyman Soylu und Energieminister Fatih Dönmez auf eine schwarze Liste und verhängte Sanktionen gegen das Verteidigungsministerium und das Energieministerium als Ganzes. "Die Vereinigten Staaten ziehen die türkische Regierung für eskalierende Gewalt durch türkische Einheiten, die Gefährdung unschuldiger Zivilisten und die Destabilisierung der Region zur Verantwortung", erklärte Finanzminister Steven Mnuchin.

kle/stu (dpa, rtr, afp, TASS, urdupointnews)

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