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Politik

Moskau und Kiew politisieren den ESC

Nikita Batalov | Andreas Brenner
14. März 2017

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat längst den Eurovision Song Contest erreicht. Lässt Kiew die russische Kandidatin einreisen? Welche Ziele verfolgt Moskau und welche Chancen hat der russische Beitrag?

Eurovision Song Contest 2017 Logo
Bild: picture-alliance/NurPhoto

Der Eurovision Song Contest ist eine unpolitische Veranstaltung: Welchen Künstler ein Land nominiert, sollte die Entscheidung dieses Landes sein - und nicht die des Gastgeberlandes, meint Thomas Mohr, Redakteur beim NDR. "Es mag sein, dass das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland angespannt ist. Aber im Zusammenhang mit dem ESC wäre mein Votum, dass Politik mal beiseite geschoben wird", so der ESC-Experte im Gespräch mit der DW. 

Julia Samoilowa soll im Mai Russland beim ESC in Kiew vertreten. Doch der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) prüft, ob die Sängerin überhaupt in die Ukraine einreisen darf. Man werde eine Entscheidung treffen, die sich auf die ukrainischen Gesetze stütze und den nationalen Sicherheitsinteressen entspreche, so die Behörde am Montag. Außenminister Pawlo Klimkin sieht in der Nominierung Samoilowas sogar eine Provokation. Er betonte, auch für sie müssten die ukrainischen Gesetze gelten.

Der Sängerin könnte die Einreise in die Ukraine verweigert werden, weil sie ohne ukrainische Zustimmung im Juni 2015 bei einem Konzert auf der Krim aufgetreten ist. Nach ukrainischem Recht ist es verboten, die Krim ohne Einwilligung der ukrainischen Behörden und nicht vom ukrainischen Festland aus zu betreten. In ukrainischen Medien und sozialen Netzwerken sprechen sich daher viele dafür aus, Samoilowa nicht in die Ukraine einreisen zu lassen. Viele sehen in ihrem Auftritt auf der Krim eine indirekte Unterstützung der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland vor drei Jahren.  

Julia Samoilowa bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Winterspiele 2014 im russischen SotschiBild: picture-alliance/dpa/E. Lyzlova

Einreiseverbot könnte Ukraine schaden

"Wenn die Künstlerin nicht ausdrücklich eines Verbrechens beschuldigt wurde, muss sie das Recht haben, einreisen zu dürfen", meint der deutsche Journalist und Musik-Experte Jan Feddersen. Sollte es zu einem Verbot kommen, müsste die Europäische Rundfunkunion (EBU) alles dafür tun, damit es wieder aufgehoben wird: "Sonst gibt es einfach Ärger, der auch das Image der Ukraine erheblich beschädigt", warnt Feddersen. Er fügt hinzu, dass in der Geschichte des ESC noch nie einem Künstler die Einreise verweigert worden sei. 

Jens Maier von der Zeitschrift "Stern", der seit vielen Jahren über den ESC berichtet, meint, ein Einreiseverbot wäre "Unsinn": "Die EBU wird der Ukraine relativ schnell klar machen, dass Samoilowa natürlich einreisen darf, wenn sie die Interpretin für Russland 2017 ist." Wenn aber die Ukraine sie dennoch nicht einreisen lassen würde, sollte auch Deutschland seine Teilnahme am ESC absagen. 

Schickt Russland bewusst eine Rollstuhlfahrerin zum ESC? 

Samoilowa sitzt wegen Muskelschwund seit ihrer Kindheit im Rollstuhl. In sozialen Netzwerken kursiert der Vorwurf, Russland schicke bewusst eine Person mit Behinderung zum ESC, damit man sie in Kiew nicht ausbuhen könne. Diese Meinung äußerte zum Beispiel der russische Journalist Wiktor Schenderowitsch.    

Thomas Mohr vom NDR erinnert daran, dass beim ESC bereits Interpreten mit körperlicher Behinderung angetreten seien, unter anderem Blinde. So habe Polen im Jahr 2015 auch eine Sängerin im Rollstuhl zum ESC nach Wien geschickt. "Etwas Besonderes ist es in dem Sinne nicht. Wenn jetzt in einigen Foren zu lesen ist, das würden die Russen machen, damit man nicht eine Rollstuhlfahrerin auf der Bühne ausbuht, dann halte ich das nicht für gerecht", so Mohr. Er meint, eine körperliche Behinderung sollte weder von der einen noch von der anderen Seite instrumentalisiert werden.   

Im Mai findet im International Exhibition Center in Kiew der ESC 2017 stattBild: picture-alliance/dpa/R. Pilipey

Samoilowas Chancen eher gering? 

Was Samoilowas Lied "Flame Is Burning" selbst angeht, so hat es nach Einschätzung der Experten kaum Chancen, einen guten Platz zu belegen: "Der russische Beitrag ist eine große Enttäuschung. Normalerweise ist der russische Song immer sehr perfekt und aussichtsreich. Doch in diesem Jahr ist er ein bisschen langweilig und eintönig", findet Thomas Mohr. Er glaubt nicht, dass das Lied beim ESC eine große Rolle spielen wird. 

Auch Jens Maier hatte von Russland dieses Jahr mit etwas ganz anderem gerechnet: "Ich hatte erwartet, dass Russland alles daran setzt, unbedingt den ESC in diesem Jahr zu gewinnen, ausgerechnet in der Ukraine. Das Lied plätschert so belanglos vor sich hin."

Jan Lengwenath vom Prinz Eurovision Song Contest Blog hingegen hält den russischen Beitrag für eine "Hymne des Optimismus". Seiner Meinung nach ist Samoilowa zu Recht Kandidatin beim ESC. Doch er rät der Sängerin, noch an ihrer englischen Aussprache zu arbeiten.  

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