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Politik

Startschuss für gemeinsames Militärmanöver

Vladimir Dorokhov
10. September 2021

An den Manövern "Westen 2021" in Russland und Belarus nehmen Militärs aus zehn Ländern teil. Die Übungen unterscheiden sich von früheren. Welche Bedeutung haben sie für die Region und wie reagieren die Nachbarländer?

Weißrussland Zapad-2017 Militärmanöver
Während der Manöver "Westen 2017" auf dem Territorium von BelarusBild: Reuters/Vayar military information agency/Belarussian Defence Ministry

Die gemeinsamen strategischen Manöver "Westen 2021" beginnen am 10. September und finden auf vier belarussischen und neun russischen Truppenübungsplätzen statt. Insgesamt werden bis zu 200.000 Soldaten teilnehmen - am ersten Teil des Manövers, auf belarussischen Territorium, werden es nach Angaben aus Minsk aber nur 12.800 Soldaten sein, darunter 2500 aus Russland und rund 50 aus Kasachstan.

In Belarus und Russland gab es bisher alle zwei Jahre Übungen der "Kollektiven Schnellen Eingreiftruppe" (CRRF) der Länder, die dem Militärbündnis "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" (OVKS) angehören. Unter der Bezeichnung "Westen" fanden zuletzt 2017 strategische Militärmanöver statt. Diesmal werden sich dem zweiten Teil der Manöver auf russischem Boden auch Militärs aus Armenien, Kasachstan, Tadschikistan, Indien, Kirgisistan, der Mongolei, Serbien und Sri Lanka anschließen. China, Vietnam, Myanmar, Pakistan und Usbekistan entsenden Beobachter.

"Eine riesige russische Militär-Show"

Das Besondere diesmal sei das beispiellose Ausmaß der Manöver, meint Siarhei Bohdan vom geschichtswissenschaftlichen Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. "Die Manöver, auf die Minsk früher Einfluss hatte, verwandeln sich nun in eine Leinwand für eine riesige russische Militär-Show", sagte er der DW. Gleichzeitig ist Bogdan überzeugt, dass die Teilnahme kasachischer Militärs für Minsk eine Errungenschaft darstellt: "Ich denke, Belarus hatte sich aufgrund seiner ernsten politischen Isolation eine noch größere Beteiligung Kasachstans und anderer Länder gewünscht."

Siarhei Bohdan von der FU BerlinBild: privat

Denis Meljanzow von der Expertenplattform "Minsk Dialogue" erläuterte im Gespräch mit der DW, dass der erste Teil der Manöver, der in Belarus stattfindet, traditionell auf die Verteidigung des russisch-belarussischen Unionsstaates abzielt. Doch diesmal seien dafür weniger Personal und Ausrüstung vorgesehen als noch vor vier Jahren. Und beim zweiten Teil auf russischen Übungsplätzen wolle Moskau demonstrieren, dass "es genügend Verbündete hat und eine Koalition gegen den Westen bilden kann", so Meljanzow.

Der Militärexperte Wasilij Kaschin von der Moskauer Hochschule für Wirtschaft ist überzeugt, dass mit den jetzigen Übungen auch die Einsatzbereitschaft des gesamten Führungssystems der russischen Streitkräfte im Fall großer Konflikte getestet werden soll: "Wenn die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen konstruktiver wären, würden die Manöver anders aussehen - mit vielen Beobachtern", sagte Kaschin der DW.

Übungen spiegeln die Situation in der Region wider

Die Manöver "Westen 2021" basieren auf einem Krisen- und Konfliktszenario, das mit "einer zunehmenden Aktivität illegaler bewaffneter Gruppen, separatistischer und internationaler Terrororganisationen mit externer Unterstützung" verbunden ist. Siarhei Bohdan zufolge ist dies ein Szenario, das auch bei früheren gemeinsamen Manövern praktiziert wurde.

Auch Wasilij Kaschin findet, die Übungen würden stattfinden, um gegen terroristische Angriffe gerüstet zu sein. Doch der Hinweis auf eine "externe Unterstützung" deute, so der Experte, auf gravierende internationale Gegensätze hin. "Russland und der Westen werfen sich gegenseitig subversive Aktivitäten vor. Daher spiegelt jene Begründung lediglich den schlechten Zustand der Beziehungen zwischen Moskau und den Nato-Staaten wider", sagte Kaschin.

Reaktion der Nachbarn und die Folgen für die Region

Während der Manöver "Westen 2017" hatten europäische Beobachter befürchtet, ein Teil der russischen Truppen könnte in Belarus bleiben. Grund dafür waren Denis Meljanzow zufolge die angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine. Auch in diesem Jahr gebe es ähnliche Stimmen, bis hin zu dem Vorwurf, Moskau und Minsk würden einen hybriden Krieg, eine Kombination von klassischen Militäreinsätzen, Cyberattacken oder Propanda, gegen die EU führen. Dies wiederum hänge, so der Experte, mit der Isolation von Belarus und den Sanktionen des Westens zusammen, die nach der Niederschlagung der Massenproteste durch Machthaber Alexander Lukaschenko im letzten Jahr folgten. Ein weiterer Grund sei die von Belarus provozierte Flüchtlingskrise  an der Grenze zu Litauen und Polen.

Denis Meljanzow vom "Minsk Dialogue"Bild: DW/Pawljuk Bykowsky

Wasilij Kaschin betont, dass die Zeit vor und nach den Protesten gegen die verkündeten Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen im August 2020 zwei unterschiedliche Epochen in der belarussischen Außenpolitik seien. "Minsk weiß, dass es kaum Chancen hat, in absehbarer Zeit zur einstigen sogenannten Multi-Vektor-Politik zurückzukehren. Lukaschenko war es gelungen, lange Zeit auf zwei Stühlen zu sitzen, aber er musste sich entscheiden, und das hat er getan", so Kaschin. Ihm zufolge will Lukaschenko nun ein völlig neues Maß an militärischer Interaktion mit Russland demonstrieren.

Manöver "Sea Breeze 2021" der Ukraine und NATO-Staaten im Schwarzen Meer im Juli 2021Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Über die Reaktion der Nachbarn in der Region auf die Manöver "Westen 2021" sagte Siarhei Bohdan, Ende September würden auf allen Übungsplätzen der ukrainischen Armee, aber auch im Schwarzen und Asowschen Meer, die Manöver "Joint Efforts 2021" stattfinden - unter Beteiligung von Militärs aus einem Dutzend NATO-Staaten und von Partnern der Allianz. "Die Seiten weiten ihre Manöver aus, verstärken deren offensive Komponente und provozieren sich sogar gegenseitig", so Bogdan. Er rechnet mit einer "fortschreitenden Militarisierung der Region, mit Konsequenzen für die Sicherheit und Stabilität des gesamten Kontinents und der Welt".

"Erinnert an Routine des Kalten Krieges"

Vor vier Jahren habe Minsk Moskau noch demonstrativ widersprochen und die Manöver auf Truppengelände fernab der Staatsgrenzen verwiesen und dabei größere Transparenz mit möglichst vielen Beobachtern gefordert, erinnert sich Meljanzow. Gleichzeitig, so Bogdan, sei Belarus in den vergangenen Jahren vom Westen vorgeworfen worden, die Lage zu zuzuspitzen und sozusagen eine russische Invasion in die Ukraine mit vorzubereiten.

Trotz aller Probleme, meint Kaschin, dürfe man die Situation nicht überdramatisieren. "Vor dem Treffen zwischen Biden und Putin im Juni in Genf gab es eine Phase äußerst gefährlicher Spannungen um die Ukraine. Es gab Truppenkonzentrationen, große Übungen und einen unschönen Ton. Der Gipfel änderte daran nichts grundlegend, brachte aber trotzdem etwas Entspannung", so Kaschin. Ihm zufolge zeigen die gegnerischen Seiten mit ihren jetzigen Manövern, die fast gleichzeitig stattfinden, bereit zu sein, eigene Interessen zu verteidigen. Gleichzeitig wolle aber niemand zu weit gehen. "Dies ähnelt bereits der Routine des Kalten Krieges", findet der Experte.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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