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Moskauer Maulwurf beim BND?

23. Dezember 2022

Beim Bundesnachrichtendienst wurde ein mutmaßlicher russischer Spion enttarnt. Eine alarmierende Nachricht zehn Monate nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs.

Ein Maulwurf mit aufgerissenem Maul und ausgestreckten Pfoten, die aussehen wie Speerspitzen.
Ein Maulwurf gilt auch als Synonym für Spione, die im Verborgenen wühlen Bild: Dieter Mahlke/imagebroker/IMAGO

Der Vorwurf gegen Carsten L. wiegt schwer: "Im Jahr 2022 übermittelte er Informationen, die er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit erlangt hatte, an einen russischen Nachrichtendienst."

Es handele sich um ein Staatsgeheimnis im Sinne des Paragrafen 93 im Strafgesetzbuch (StGB). So steht es in einer kurzen Pressemitteilung des Generalbundesanwalts (GBA) vom 22. Dezember. Seitdem sitzt der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Untersuchungshaft.

BND-Präsident setzt auf Zurückhaltung und Diskretion

Der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes, Bruno Kahl, ist alarmiert und wirft Russland "Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft" vor. Schon Mitte Oktober hatte BND-Chef öffentlich über Kreml-Chef Wladimir Putin gesagt, er werde weiterhin Gewalt anwenden, "um seine politischen Ziele durchzusetzen".

Auf Details über den Spionage-Vorwurf im Bundesnachrichtendienst wird die Öffentlichkeit aber wohl noch eine Weile warten müssen, ließ Kahl durchblicken. "Zurückhaltung und Diskretion sind in diesem besonderen Fall sehr wichtig."

BND-Präsident Kahl: "Besonderer Fall"Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Am Tag danach sind zahlreiche Stimmen aus der Politik zu vernehmen. Sie klingen ähnlich, wie sich der Präsident des Auslandsgeheimdienstes kurz nach der Festnahme des Beschuldigten gegenüber Journalistinnen und Journalisten in Berlin geäußert hat: besorgt.

Der Sozialdemokrat Nils Schmid, außenpolitischer Experte seiner Fraktion im Bundestag, sprach im Deutschlandfunk von einer "hybriden Kriegsführung" Moskaus.

SPD: "Innere und äußere Sicherheit zusammenzudenken"

Russland sehe sich seit Jahren in einem Konflikt und meine, dass alle Mittel zulässig seien, sagt Schmid.  Ermordung von Oppositionellen auf deutschem Boden und eben auch Spionage.

Man müsse sehr wachsam sein und entschieden vorgehen, fordert Schmid. Aufgabe der nationalen Sicherheitsstrategie werde es sein, "innere und äußere Sicherheit zusammenzudenken".

Tatort in Berlin (2019): Ermordung eines Exil-Tschetschenen womöglich im Auftrag eines russischen GeheimdienstesBild: Christoph Soeder/dpa/picture-alliance

Wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar hatte Deutschland beschlossen, die Bundeswehr mit zusätzlich 100 Milliarden Euro aufzurüsten. Auch dies sei ein Wandlungsprozess, sagt Schmid. "Vor allem nachdem wir 30 Jahre lang sehr stark auf den Dialog im Verhältnis zu Russland gesetzt haben.

Linke: Spionageaktivitäten "wenig verwunderlich"

Andre Hahn von der Linken hält russische Spionageaktivitäten in Deutschland für "wenig verwunderlich". Wenn nun aber selbst in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes ein Mitarbeiter für Russland spioniert haben soll, "dann wäre das eine völlig neue und erschreckende Qualität", schreibt Hahn auf eine Anfrage der Deutschen Welle.

"Da stellt sich dann natürlich auch die Frage nach der Wirksamkeit der Eigensicherung des BND und der Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz", betont er. 

Der Linken-Abgeordnete Hahn ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr). Er  erinnert an einen anderen Spionage-Fall im BND, der 2014 aufgeflogen war. Dabei handelte es sich um einen Mann, der jahrelang streng geheime Dokumente an den US-Geheimdienst CIA weitergegeben hatte.

Darunter war eine Datenbank mit Tarn- und Klarnamen deutscher Agenten im Ausland. Auch einem russischen Geheimdienst hatte sich der BND-Mitarbeiter als Spion angedient.

Ein Fall für das Parlamentarische Kontrollgremium

Das Münchener Oberlandesgericht verurteilte ihn 2016 wegen Landesverrats und der Verletzung von Dienstgeheimnissen zu acht Jahren Haft.

Ob es auch im Fall des jetzt festgenommenen mutmaßlichen Agenten zur Anklage kommen wird, hängt von den weiteren Ermittlungen ab.

"Klar ist, dass sich auch das Parlamentarische Kontrollgremium spätestens im neuen Jahr mit dem Vorgang befassen wird", sagt Andre Hahn von der Linkspartei. Das sei aber erst dann sinnvoll, "wenn die Bundesregierung auch substantielle Auskünfte geben kann".

FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann: "Da werden alle Register gezogen"Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Aus Sicht der Freidemokratin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die jetzt erfolgte Festnahme des BND-Mitarbeiters ein "Weckruf an alle". Die verteidigungspolitische Expertin sieht in dem Vorgang den Versuch Russlands, die Bundesrepublik zu destabilisieren. "Und da werden eben alle Register gezogen", sagte die FDP-Abgeordnete im Bayrischen Rundfunk

FDP: "Die Behörden sind hellwach"

Jeder, der für Russland oder andere Staaten in Deutschland spioniere, müsse damit rechnen, entdeckt zu werden. Das sei die gute Botschaft. "Die Behörden sind hellwach und schlagen zu, wenn es sein muss", freut sich Marie-Agnes Strack-Zimmermann über den Ermittlungserfolg.

Derweil befürchtet ihr Parteifreund, der stellvertretende Parlamentspräsident Wolfgang Kubicki, negative Folgen. "Wenn wirklich Informationen aus dem BND nach Russland gelangen konnten, wird das die Zusammenarbeit mit unseren Partnern enorm erschweren", sagte er dem Handelsblatt.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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