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Politik

Moskaus Machtpoker in Nahost

12. Oktober 2016

Entschieden bekämpft Russland an der Seite des syrischen Präsidenten Assad die Aufständischen in Aleppo. Dabei geht es nicht mehr allein um Syrien. In Moskau hat man längst eine Strategie für die gesamte Region.

Syrien Krieg - Kämpfe in Aleppo
Bild: Reuters/A. Ismail

Russland rüstet in Syrien auf. Von Lakatia aus starten Kampfjets Richtung Aleppo. Im Hafen von Tartus ist die russische Marine präsent. Längst sind auch Luftabwehrsysteme vom Typ S-300 und S-400 in Syrien stationiert. Sie lassen sich nicht allein gegen Flugzeuge einsetzen, sondern sind auch in der Lage, Marschflugkörper abzufangen. Und der Flugzeugträger "Admiral Kuznetsow" soll die geballte Militärmacht in Kürze aus dem östlichen Mittelmeer heraus zusätzlich verstärken.

Damit kontrolliert Russland endgültig den gesamten syrischen Luftraum. Amerikanische Gedankenspiele, in den Krieg noch entscheidend einzugreifen, sind damit vorerst Makulatur. "Nach Hunderttausenden von Toten können die Amerikaner die Russen nicht mehr bis auf den letzten Syrer bekämpfen", schreibt der politische Analyst Marwan Bishara auf der Website des Nachrichtensenders Al Jazeera. "Eine solche Situation scheint für Russland eine Art Endspiel zu sein, durch das es die USA erniedrigt", so Marwan Bishara weiter.

Die Botschaft von Aleppo

Zwar wollen US-Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow am Samstag in Lausanne Verhandlungen über eine Waffenruhe wieder aufnehmen. Doch über dem Himmel von Aleppo kreisen die russischen und syrischen Kampfjets weiter. Zu leiden hat weiterhin vor allem die Zivilbevölkerung. Allein am Mittwoch starben über 50 Menschen.

Diese Rücksichtslosigkeit dürfte Russland nicht allein dazu einsetzen, die Rebellen in Aleppo zu besiegen und die Stadt zurück zu erobern. Das rigorose Vorgehen ist auch eine Botschaft an die USA: Wir haben uns in Syrien festgesetzt, soll sie besagen. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Überleben in Ruinen: Szene aus dem zerstörten AleppoBild: Reuters/A. Ismail

Ein politisches Vakuum

US-Präsident Barack Obama setzte nach dem von seinem Vorgänger George W. Bush verantworteten Desaster im Irak im Nahen Osten auf eine sehr zurückhaltende Politik. Es sollten keine amerikanischen Soldaten mehr in der Region sterben. Auch sonst trieb er Appeasement-Politik - vor allem gegenüber dem Iran, den er dazu bewegen konnte, sich mit den westlichen Staaten auf einen Atomdeal einzulassen: Teheran verzichtete auf Atomwaffen, im Gegenzug wurden die Sanktionen aufgehoben.

Spürbar auf Distanz ging Obama auch zu einem der ältesten Verbündeten in der Region: Saudi-Arabien. Die defensive Politik hinterließ ein Vakuum, das nun Russland zu füllen versucht. Syrien ist offenbar nur ein Baustein der Nahost-Strategie Moskaus. Langfristig geht es für Russland darum, sich im Nahen Osten wieder festzusetzen.

Diplomatische Offensiven in Nahost

Auf dieses Ziel scheint die russische Außenpolitik inzwischen konsequent ausgerichtet. So war Russlands Präsident Putin vor wenigen Tagen in Ankara. Nach einer durch den Abschuss eines russischen Kampfjets ausgelösten einjährigen Eiszeit unterzeichnete er nun mit seinem türkischen Amtskollegen Erdogan ein Abkommen über den Bau einer Erdgasleitung zwischen beiden Ländern.

Mit Ägypten, dem ehemaligen Verbündeten aus den Zeiten Gamal Abdel Nassers, stehen Verhandlungen zu einer Sicherheitskooperation an. Und auch die Beziehungen zu Israel hat Russland verbessert. Im Gespräch ist sogar, eine Verhandlungsrunde zwischen Israelis und Palästinensern in Moskau stattfinden zu lassen. Und zu Teheran hat Moskau durch den gemeinsamen Waffengang in Syrien ohnehin enge Verbindungen.

Enge Partner: Der iranische Staatspräsident Hassan Rohani und sein russischer Amtskollege Wladimir PutinBild: IRNA

Allem Anschein lässt Teheran sich auch nicht durch den Umstand stören, dass Moskau Gespräche mit Saudi-Arabien führt. Dort registriert man, dass im Westen die Kritik an der von dem Königreich geführten internationalen Koalition im Jemen immer lauter wird. Angesichts von laut UN über 10.000 Menschenleben, die der Krieg seit seinem Beginn vor anderthalb Jahren gefordert hat, wird in Großbritannien bereits über ein Verbot von Waffenexporten in das saudische Königreich diskutiert. Umso größter dürfte in Riad das Interesse an neuen Partnern und Waffenlieferanten sein.

Lockruf des Erdöls

"Es ist atemberaubend, wie der Kremlchef seine westlichen Widersacher vor sich her treibt - in Syrien und anderswo", schreibt der Russland-Experte Boris Reitschuster. "Obama und Co. agieren nicht mehr - sie reagieren fast nur noch."

Das rüde Vorgehen, gepaart mit diplomatischen Offensiven, scheint Früchte zu tragen. Bislang wurde vor allem vermutet, Russland wolle sich der Welt wieder als globale Großmacht präsentieren. Damit wolle Putin seine von einer tiefen Rezession geplagten Landsleute durch patriotische Gefühle wieder aufpäppeln, wurde und wird vermutet. Immer deutlicher zeigt sich nun aber, dass es um mehr gegen könnte als nur darum, Innenpolitik mit außenpolitischen Kräften zu machen.

Objekt der Begierde: Erdöl aus Saudi-ArabienBild: picture-alliance/dpa/A. Haider

"Russland will erreichen, dass es im Nahen und Mittleren Osten wieder zu einer führenden Macht wird", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Chancen dafür stehen seit dem nachlassenden Engagement der USA in der Region so gut wie selten zuvor.

Und auch die Gründe für das russische Interesse liegen auf der Hand. Die Region, gelegen an der Schnittstelle Europas, Afrikas und Asiens, ist nicht nur strategisch von größter Bedeutung. Sie ist auch Lagerstätte der weltweit größten Bodenschätze. Über Syrien kommt Russland deren Besitzern immer näher.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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