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Politik

Moskaus Machtpolitik mit russischen Pässen

Roman Goncharenko
3. Mai 2019

Russland hält Ausschau nach neuen Staatsbürgern. Mit "großzügigen" Angeboten zur Einbürgerung für Ukrainer schafft Moskau gefährliche Voraussetzungen, um seine Machtansprüche auf besetzte Gebiete zu zementieren.

Russischer Pass Personalausweis Russland
Mit russischen Pässen für Ukrainer könnte Russland versuchen, seine demografischen Probleme zu lösenBild: AFP/Getty Images

Wladimir Putin hat es eilig. Innerhalb einer Woche hat Russlands Präsident zwei Erlässe für eine beschleunigte Einbürgerung von ukrainischen Staatsbürgern unterzeichnet, den jüngsten am 1. Mai. Die von Kiew und seinen Verbündeten scharf kritisierten Initiativen geschehen vor dem Hintergrund des Machtwechsels in der Ukraine und der damit verbundenen Unsicherheit: Der bisherige Präsident Petro Poroschenko steht vor den letzten Wochen seiner Amtszeit, sein Nachfolger Wolodymyr Selenskyj ist noch nicht im Amt.

Der erste Vorstoß des Kremlchefs am 24. April zielte auf Menschen in den ostukrainischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk. Moskau begründete die Initiative mit "humanitären Gründen", um zum Beispiel Ukrainern mit abgelaufenen Pässen das Reisen zu erleichtern.

Die zweite Vorstoß weitet diese Zielgruppe deutlich aus. So können künftig Menschen, die auf der Krim geboren wurden und vor der russischen Annexion die Halbinsel verlassen haben, einen russischen Pass nach einer "vereinfachten Prozedur" beantragen. Das gilt auch für deren Verwandte.

Russische Pässe für die Donbass-Bewohner - Karikatur von Sergey Elkin

Doppelte Staatsangehörigkeit 

Das Angebot richtet sich außerdem an alle Ukrainer, die vor dem Kriegsausbruch im April 2014 in den betroffenen Gebieten der Ostukraine gelebt haben, auch wenn sie mittlerweile woanders leben. Gemeint sind offenbar sowohl Flüchtlinge und legale ukrainische Gastarbeiter in Russland, als auch Binnenflüchtlinge in der Ukraine.

Zur Begründung wird im Putin-Erlass auf den "Schutz der Menschenrechte und Freiheiten" hingewiesen. Wichtiges Detail: Die Rückgabe der ukrainischen Staatsangehörigkeit ist nicht erforderlich, was in anderen Fällen in Russland die Regel ist. 

All diese Ukrainer sollen russische Pässe innerhalb von drei Monaten und unter vereinfachten Auflagen erhalten können. Bisher konnte das Jahre dauern. Es sind Millionen Menschen, die von Putins Erlassen betroffen sein könnten.

Dank an den Donbass

Die größte Gruppe wären diejenigen Ukrainer, die vor dem Kriegsausbruch im Kohlerevier Donbass gelebt haben, dort geblieben oder geflüchtet sind. Insgesamt lebten nach ukrainischen Schätzungen Anfang 2014 rund vier Millionen Menschen in den Gebieten, die Kiew als von Russland besetztes Territorium eingestuft hat. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Die zweitgrößte Kategorie wären die legalen ukrainischen Gastarbeiter oder in Russland registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine, denn ein Großteil davon dürften Menschen aus dem Donbass sein. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin schätzte 2018 die Gesamtzahl aller ukrainischen Staatsbürger in Russland auf rund drei Millionen. Wenn man die auf der Krim geborenen Ukrainer dazu zählt, sowie Kinder und Verwandte berücksichtigt, dürfte die Gesamtzahl potenzieller Anwärter auf russische Pässe zwischen fünf und zehn Millionen liegen.

Bis jetzt konnten Bewohner der von Separatisten beherrschten Ostukraine keine russischen, sondern Pässe der "Volksrepubliken Donezk und Luhansk" erhaltenBild: picture-alliance/TASS/dpa/V. Drachev

Einen schnellen Ansturm erwartet Russland offenbar nicht. Nur zwei Einbürgerungszentren im russischen Gebiet Rostow nahe der ostukrainischen Grenze haben Ende April den Testbetrieb aufgenommen. Doch Putin will noch einen Schritt weiter gehen. Ende April sagte Russlands Präsident, man überlege, allen rund 40 Millionen Ukrainern die russische Staatsbürgerschaft nach vereinfachten Regeln anzubieten.

"Politik der russischen Welt"

Während der Zeitpunkt der Offensive für Moskau besonders günstig erscheint, wird in Kiew über die Hintergründe spekuliert. Die ukrainische Regierung und Experten wie Wilfried Jilge von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) vermuten, dass Moskau eine Begründung für eine militärische Intervention schaffen könnte, ähnlich wie 2008 in der abtrünnigen georgischen Region Südossetien.

"Wladimir Putin setzt in der Ukraine seine Politik der russischen Welt fort", sagte Jilge im DW-Gespräch. "Er versucht, seinen Anspruch auf die Menschen in den okkupierten Gebieten anzumelden", so Jilge. Der Kreml wäre in der Lage, diese Ukrainer mit russischen Pässen "zu schützen, notfalls gegen die Regierung in Kiew", so der Experte. Darin läge der "Kern der Gefahr" von Putins Erlass.

Ein weiterer Hauptgrund scheint die demographische Entwicklung Russlands zu sein, dessen Bevölkerung schrumpft. Nach Angaben des russischen Statistikamts Rosstat ist die Einwohnerzahl 2018 zum ersten Mal seit zehn Jahren zurückgegangen - um rund 100.000 Menschen. Die Prognose sei negativ.

Russische Pässe nicht nur für Ostukrainer

Mit Einbürgerungen im großen Stil ließe sich diese Entwicklung aufhalten, glaubt die Chefin des Auslandssenders RT, Margarita Simonjan. Man solle weitermachen und "alle Russen" aus dem Ausland "heimbringen", schrieb sie auf Facebook.Gemeint sind wohl nicht nur ethnische Russen, die nach dem Zerfall der UdSSR in früheren Sowjetrepubliken leben, sondern auch Menschen, die sich Russland verbunden fühlen.

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