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Politik

Moskau will Plutoniumvernichtung stoppen

Roman Goncharenko
18. Oktober 2016

Das russische Parlament stimmt über die Aussetzung des Vertrags mit den USA über die Vernichtung von atomwaffenfähigem Plutonium ab. Moskau wirft Washington vor, den Deal gebrochen zu haben. Was steckt dahinter?

Moskau Russische Interkontinental Rakete Atomwaffen Russland
Bild: Getty Images/AFP/N. Kolesnikova

Die Staatsduma stimmt am Mittwoch über einen Gesetzentwurf ab, der vor allem im Ausland für Aufsehen sorgt. Es geht um die Aussetzung des Vertrags zwischen Russland und den USA über die Vernichtung von atomwaffenfähigem Plutonium. Der russische Präsident Wladimir Putin gab diesen Schritt Anfang Oktober bekannt. Die Zustimmung im Unterhaus, wo die Kreml-Partei "Geeintes Russland" eine Verfassungsmehrheit hat, gilt als sicher. Auch ein einstimmiges Ergebnis scheint möglich. Ebenfalls unproblematisch dürfte die Abstimmung im Föderationsrat sein, so dass das Gesetz in den nächsten Wochen in Kraft treten könnte.  

Das Abkommen zwischen dem staatlichen russischen Atomkonzern "Rosatom" und dem US-Energieministerium wurde Ende der 1990er Jahre ausgehandelt und im Jahr 2000 unterzeichnet. Es sieht die Vernichtung von jeweils 34 Tonnen von atomwaffenfähigem Plutonium vor. Das hochradioaktive Erbe des Kalten Krieges war für beide Seiten nach vereinbarten Kürzungen ihres Atomwaffenarsenals überflüssig und zu teuer geworden.

Moskau gibt Washington die Schuld

Putin nannte zwei Gründe für seine Entscheidung: einen formellen und einen geopolitischen. Zum einen habe Washington die 2010 in einem Protokoll festgehaltene Vernichtungsmethode nicht eingehalten. Es sei vereinbart worden, waffenfähiges Plutonium in Nuklearanlagen zu verbrennen und damit unbrauchbar zu machen.

Russland hat eine solche Anlage gebaut, in der atomwaffenfähiges Plutonium zunächst mit Uran gemischt wird. Das Gemisch soll dann in einem Atomkraftwerk hinter dem Ural verwendet werden, um Energie zu produzieren. Die USA verfügen über keine solchen Anlagen und haben sich entschieden, Plutonium unterirdisch zu lagern. Aus russischer Sicht sei das ein Problem, denn das nukleare Material könnte theoretisch wiederverwendet werden.

Der Fehler liegt bei den USA - so jedenfalls begründete Präsident Putin seine EntscheidungBild: AFP/Getty Images/A. Nemenov

Als zweiten Grund für seine Entscheidung nannte Putin einen "kardinalen Wechsel" in den Beziehungen zwischen Russland und den USA. Der Kreml-Chef listete in einer Zusatzerklärung zu dem Gesetzentwurf eine ganze Reihe von negativen Entwicklungen auf: von erhöhter militärischer Präsenz der USA und der NATO in Osteuropa bis zu westlichen Sanktionen, die nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim eingeführt wurden.

Moskau sei nur dann bereit, den Vertrag über die Plutonium-Vernichtung wieder umzusetzen, wenn diese Probleme beseitigt werden, teilte das Außenministerium mit. Russland erwarte nicht nur eine Aufhebung der US-Sanktionen, sondern auch eine Entschädigung für den wirtschaftlichen Schaden, hieß es aus Moskau. 

Der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow dementierte jedoch einen direkten Zusammenhang. Es sei nicht korrekt, über Moskaus "Forderungen" zu sprechen. Putin habe lediglich detailliert die Hintergründe für seine Entscheidung dargelegt.

Die zweite Antwort nach dem Importstopp

In Russland stieß die Ankündigung auf ein positives Echo. Die meisten Politiker begrüßten den Schritt als logische Konsequenz. Das atomwaffenfähige Plutonium werde man vor dem Hintergrund der Bedrohung durch die USA brauchen, so der Tenor mancher Kommentare. Das widerspricht jedoch der offiziellen Haltung Moskaus. Russland hat versichert, das vor der Vernichtung bewahrte Plutonium nicht für militärische Zwecke zu nutzen.  

Was mit dem atomwaffenfähigem Plutonium in Russland passieren soll, ist bisher unklarBild: Imago

Manche Experten glauben, die Aussetzung des Vertrages sei die zweite große Antwort Moskaus auf die aktuelle Krise im Verhältnis mit den USA nach Einführung der sogenannten Gegensanktionen, eine Art Plan B. Russland hatte im Sommer 2014 einen Importstopp für Lebensmittel aus den Ländern beschlossen, die zuvor wegen der Ukraine-Krise Sanktionen gegen Russland verhängt hatten.

Experte: Keine militärischen Konsequenzen

Doch es gibt auch Stimmen, die auf eine eher symbolische Wirkung hinweisen. "Ich sehe keine Konsequenzen, weder technische, noch militärische", sagte der Moskauer Sicherheitsexperte Alexej Arbatow in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Interfax. Das Abkommen sei längst faktisch außer Kraft und spiele keine Rolle. Wladimir Dworkin vom Moskauer Carnegie-Zentrum sieht das ähnlich, die Entscheidung ist seiner Ansicht nach "eher ein politischer Schritt".

Was genau mit dem atomwaffenfähigem Plutonium in Russland passieren soll, ist unklar. Genaue Angaben dazu gibt es nicht. Für Russlands militärische Stärke dürfte es keine entscheidende Rolle spielen. Die Atommacht verfügt nach Schätzungen über rund 130 Tonnen waffenfähigen Plutoniums - deutlich mehr als andere Atommächte und rund 40 Tonnen mehr als die USA.

Russland betreibe "kein Säbelrasseln" und wolle niemanden erschrecken, schrieb "Rossijskaja Gaseta". Doch man werde die 34 Tonnen waffenfähigen Plutoniums nicht einseitig verbrennen: "Um den Rivalen nicht in Versuchung zu bringen, sein Spielzeug zurückzuholen", schreibt die russische Regierungszeitung.

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