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Politik

Mossul: Nach IS-Vertreibung droht Konflikt

14. Oktober 2016

Die Schlacht um die Vertreibung des IS aus der irakischen Stadt Mossul steht bevor. Irak-Experte Renad Mansour erwartet für die Zeit danach ein Machtvakuum - und Konflikte zwischen den Parteien der Anti-IS-Koalition.

Irak Kampf gegen IS
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dicenzo

Deutsche Welle: Die Offensive zur Vertreibung des der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) aus Mossul scheint unmittelbar bevor zu stehen. Truppen der Anti-IS-Koalition beziehen Positionen rings um die zweitgrößte Stadt des Iraks. Es sind allerdings unterschiedliche Truppen unterschiedlichster Herkunft – auch solche, die sehr unterschiedliche Interessen verfolgen.

Renad Mansour: Das bereitet uns beim Blick auf die bevorstehende Schlacht - und das was danach kommt - große Sorgen. Diese vielen unterschiedliche Kräfte teilen zwar das kurzfristige Ziel, den "Islamischen Staat" aus Mossul zu vertreiben. Aber auf mittlere bis lange Sicht sehen wir Konflikte.

Es gibt Kräfte, die unter Kontrolle der Regierung stehen, Anti-Terror-Einheiten unter dem Befehl des Premierministers ebenso wie Truppen, die zum Verteidigungs- oder dem Innenministerium gehören. Es gibt verschiedene paramilitärische Milizen der schiitisch dominierten "Volksmobilisierungskräfte". Außerdem sind da noch die kurdischen Peschmerga von der "Kurdischen Demokratischen Partei" und der "Patriotischen Union Kurdistans". Und schließlich gibt es noch die verschiedenen lokalen sunnitischen Stämme mit ihren Milizen, die verschiedenen Politikern zugeordnet werden - etwa dem früheren Gouverneur von Mossul, Atheel al-Nujaifi. 

Diese unterschiedlichen Kräfte wollen zwar alle den "Islamischen Staat" vertreiben. Aber gleichzeitig erwarten danach alle ein Machtvakuum in dieser strategisch extrem wichtigen Stadt. Und darin liegt die größte Gefahr.

Irak-Experte Renad MansourBild: Chatham House

So viele verschiedene Kämpfer und wir haben noch nicht über die türkischen Truppen gesprochen: Die stehen ebenfalls mit Panzern in der Nähe von Mossul - gegen den erklärten Willen der Regierung in Bagdad. Welche Rolle spielt die Türkei?

Es gibt zahlreiche ausländische Truppen, vor allem aus dem Iran, den USA und eben der Türkei. Wenn wir die Rolle der Türkei betrachten: Präsident Erdogan hat immer noch die aus der Zeit der Ottomanen stammende Vorstellung von Mossul als türkische Provinz. Man muss sich in diesem Zusammenhang nur die Eskalation seiner Rhetorik gegenüber dem irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi ansehen: Im Grunde hat er dem Irak das Recht abgesprochen, den Rückzug der türkischen Truppen zu fordern! Die Türkei will mit Blick auf die Zeit nach dem IS sicherstellen, dass in Mossul eine Regierung arbeitet, die der Türkei freundlich gesinnt ist. Die Türkei wird vermutlich ihre Truppen dort weiter stationieren, um den türkischen Einfluss zu sichern, wenn das Machtvakuum entsteht.

Das wirft die Frage auf, wie viel Einfluss die irakische Regierung in Bagdad auf die Entwicklung der Lage überhaupt hat.

Ministerpräsident mit beschränkter Macht: Haider al-AbadiBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Unglücklicherweise ist der Staat - die Regierung von Haider al-Abadi - ziemlich schwach. Abadi sieht sich internen Gegnern innerhalb seines schiitischen Lagers gegenüber, aber auch externen Kräften wie etwa der Türkei. Zwischen all diesen Fronten versucht er, seine Macht zu wahren. Im Bezug auf Mossul bedeutet das: Er wird versuchen sicherzustellen, dass Truppen unter seinem Kommando die Ersten sein werden, die in Mossul einrücken.

Mit welchem Szenario rechnen Sie in Mossul angesichts dieser verworrenen Situation?

Es ist schwierig, Szenarien für Mossul zu entwickeln. Denn es gibt keinen gemeinsamen Plan und keine gemeinsame Vision für die Stadt. Mit Sicherheit kann man davon ausgehen, dass der "Islamische Staat" aus Mossul vertrieben wird. Danach wird es ein Machtvakuum geben. Die verschiedenen Akteure haben vollkommen unterschiedliche Vorstellungen davon, was danach geschehen soll. Es wird einen Machtkampf geben. Im besten Fall wird durch Verhandlungen eine Art Übergangsregelung gefunden. Aber das wird schwierig, weil die verschiedenen Fraktionen im Widerspruch zueinander stehen. Es sieht danach aus, als würde die Schlacht um Mossul lange dauern. Und die Verhandlungen über die Zukunft werden wohl während der Schlacht geführt werden.

Zu den vielen Problemen des Iraks gehört, das die sunnitische Minderheit sich von der Teilhabe an der Macht ausgeschlossen und an den Rand gedrängt fühlt. Jetzt wird eine von Sunniten bewohnte Millionenstadt Ziel einer militärischen Offensive, an deren Ende  möglicherweise ein Machtvakuum steht. Was bedeutet das für eine mögliche sunnitisch-schiitische Versöhnung ?

Zwei Flüchtlinge aus Mossul - Hunderttausende könnten folgenBild: Birgit Svensson

Das scheint die zentrale Frage zu sein: Wie kann man die Sunniten zurückgewinnen? Wichtig ist: Für die Sunniten in der Stadt hat die Schlacht um Mossul bereits begonnen. Denn der "Islamische Staat" geht bereits massiv gegen die Menschen vor, gegen Leute, die er für Spione oder Kollaborateure hält. Es gibt erste Todesopfer, denn der IS ist paranoid und fürchtet sich vor dem, was kommt.

Dann werden Schätzungen zufolge eine Million oder mehr Menschen in die Flucht getrieben, mehrheitlich Sunniten. Das ist hoch problematisch.

Was auch wichtig ist: Anders als andere Städte, die vom IS befreit wurden, ist Mossul keine homogene Stadt. Zumindest früher gab es dort viele verschiedene Volksstämme und verschiedene Religionen. All das kompliziert die Zukunftsaussichten von Mossul zusätzlich. Deshalb ist es zur Zeit schwer, optimistisch zu sein.

 

Renad Mansour ist Irak-Experte bei dem Londoner Think-Tank Chatham House.

Die Fragen stellte Matthias von Hein
 

 

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