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Die Geheimnisse uralter Leichen

28. November 2018

In den vergangenen Monaten gelang Archäologen in Ägypten ein Sensationsfund nach dem anderen. Jetzt haben sie in Luxor einen 3500 Jahre alten Sarkophag geöffnet - und die Kameras waren dabei.

Ägypten enthüllt 3.000 Jahre altes Grab und Sarkophage
Bild: Reuters/M. Abd El Ghany

In der ägyptischen Tempelstadt Luxor gibt es Geschichte zum Anfassen. Anfang November 2018 hatten französische und ägyptische Archäologen in der Totenstadt Al-Asasif in der Nähe von Luxor eine neue Grabstätte entdeckt. Nun haben sie ihr Geheimnis vor der Presse gelüftet.

"Sehr schöne Malereien"

Samstag, 24. November 2018: Vor dem Hatschepsut-Tempel in Luxor findet eine feierliche Zeremonie statt: Der ägyptische Minister für Altertümer Khaled al-Enani erzählt stolz von dem Fund und "sehr schönen Malereien" in der Grabkammer. Die eigentliche Sensation ist der 3500 Jahre alte Sarkophag und dessen Inhalt.

In der Grabkammer versammeln sich Wissenschaftler und Presse, um live bei der Öffnung des Sarkophags dabei zu sein (Bild ganz oben). Alle tragen Schutzmasken - falls es giftige Schimmelpilze geben sollte. Vorsichtig wird der Deckel des kunstvoll verzierten Sarkophags gehoben. Im Inneren liegt eine Mumie - eine Frau, die vor etwa 3500 Jahren gestorben ist. Sie stammt aus der sogenannten 18. Dynastie - zwischen dem 16. und 13. Jahrhundert v. Chr.

Doch die Wissenschaftler haben noch mehr gefunden: Weitere Sarkophage aus einer noch älteren Zeit. Unter 300 Metern Schutt und Trümmern entdeckten sie das Grab eines hohen Beamten, der vor etwa 4000 Jahren lebte: Vermutlich handelt es sich um den damaligen Chef-Mumifizerer Thau Irchet-If.

Ein Sensationsfund nach dem anderen

Der jüngste Fund ist Teil einer Reihe von Ausgrabungen, bei denen die Archäologen einen Sensationsfund nach dem anderen machen. 

Dies waren mal gut betuchte Leute aus dem Umkreis der PharaonenBild: AFP/Getty Images/K. Desouki

April 2017: In einem gut erhaltenen Grab aus der Zeit der Pharaonen entdecken Archäologen acht Mumien, farbenprächtige Holzsarkophage sowie rund tausend Figürchen aus Ton als Grabbeigabe. Alter: Etwa 3500 Jahre.

Februar 2018: In der Stadt al-Minya (250 Kilometer südlich von Kairo) hat ein ägyptisch-deutsches Team eine antike Totenstadt entdeckt. Zu ihr gehören alte Grabkammern, gefüllt mit zahlreichen Särgen, Mumien und Artefakten. Archäologen sagen, dass der Fund nur die Spitze eines Eisberges sei, da die Ausgrabungen am Fundort voraussichtlich noch fünf Jahre andauern werden.

Zeitgleich wird in Gizeh ein etwa 4000 Jahre altes Grab gefunden. Die Grabkammer gehöre einer Priesterin Namens Hat Bet, sagte Altertumsminister Khaled al-Enani. "Die Priesterin wurde zu ihrer Zeit hochgeschätzt." Das Grab stamme aus der Zeit der fünften Dynastie.

Eine Totenmaske aus Edelmetall gilt unter Wissenschaftlern als besondere RaritätBild: picture-alliance/dpa/M. El Raai

Juli 2018: In Sakkara, südlich von Kairo gelegen, findet ein Forscherteam der Universität Tübingen eine teilweise vergoldete Totenmaske, die etwa 2600 Jahre alt ist - eine Sensation, denn viele Totenmasken aus Gold oder Silber sind zum Teil bereits in der Antike von Grabräubern gestohlen worden. Daher hat man bisher nur sehr wenige Mumienmasken aus Edelmetall finden können.

Faszination Mumie

Wie alles, das etwas mit dem Tod zu tun hat,fasziniert eine Mumie die Menschen genau so, wie sie sie abstößt. Egal, ob sie aus dem Eis, dem Moor oder einer uralten Grabkammer stammt. Im 19. Jahrhundert bereits gab es in den erlesenen Gesellschaftskreisen Europas sogenannte "Mumienpartys", vorzugsweise bei englischen Lords, bei denen Archäologen ihre Funde stolz präsentierten und ägyptische Mumien zur Erquickung der anwesenden Gäste ausgewickelt wurden.

Forscher legten die Mumie von König Tutanchamun erst 2007 freiBild: picture-alliance/dpa/epa/AP/B. Curtis

Inzwischen ist ein Mumienfund mehr als nur eine schaurige Sensation. Längst können Wissenschaftler in den Knochen und Geweberesten DNA-Spuren finden, die Auskunft über den Menschen geben, der da vor tausenden Jahren gestorben ist. Röntgenbilder und tomografische Untersuchungen können die Todesursache feststellen - man gewinnt spannende Erkenntnisse über die Lebenssituationen, Ernährung und Krankheiten der Menschen jener Zeit: Ob sie sich viel oder wenig bewegt haben, ob sie mehr Fleisch oder mehr Getreide gegessen haben, ob sie einen Bandscheibenvorfall oder Tuberkolose hatten. Man kann heute noch Tätowierungen entdecken oder herausfinden, in welchem Farbton Haare gefärbt wurden. Viele der Körpermerkmale deuten auch auf den sozialen Status hin, den die oder der Tote hatte. 

Verschiedenste Arten der Leichenkonservierung

Mumien entstehen auf unterschiedliche Weise: Die 5200 Jahre alte Gletschermumie "Ötzi" ist schlicht und einfach gefriergetrocknet, nachdem der Mann durch einen Pfeil tödlich verletzt wurde. In heißen Gebieten werden die Körper durch trockene Hitze, einen hohen Salzgehalt oder einfach auch im Sand mumifiziert. Eine Moorleiche wird durch Säure konserviert: Die Knochen der Lebewesen werden durch das Säuremilieu im Moor fast völlig entkalkt und die Knochenstruktur aufgelöst. Zusätzlich werden durch die Humin- und Gerbsäuren Haut, Gewebe, Haare, Knorpel und Fingernägel gegerbt und somit konserviert. Befreit man eine solche Moorleiche aus ihrem natürlichen Grab, muss man sie schnell erneut konservieren, sonst zersetzt sie sich schnell an der Luft. 

"Ötzi" hat eine Stunde vor seinem Tod noch ein Stück Steinbock verspeistBild: picture-alliance/dpa/M.Samadelli

Neben den natürlichen Konservierungen gibt es die von Menschenhand gemachte Mumifizierung. Im antiken Ägypten etwa waren Einbalsamierer gemachte Leute. Sie arbeiteten bis zu 40 Tagen an einer Leiche. Dabei wurden unter anderem die Organe entnommen, die Körper mit Stroh, Natronsäckchen, Kräutern und Gewürzen ausgestopft. Fette, Harze oder Honig kamen hinzu. Damit der Schädel nicht verletzt wurde, zog man dem Toten das Gehirn mittels kleiner Haken aus der Nase. Klingt nicht sehr appetitlich, war aber ein wirksames Mittel gegen die schnelle Verwesung. Dann wurden die Körper mit Harzen eingerieben - und schließlich kamen die Leinentücher, mit denen die Toten mehrfach umwickelt wurden. 

Auch in anderen Kulturen der Welt wurden Leichen mumifiziert: In Felle eingenäht, mit Gips übergossen, einbalsamiert. Die ägyptischen Mumien jedoch sind schon fast zum Synonym für Untote geworden - und so müssen sie auch in Mumien-Horrorfilmen immer als Zombies in Bandagen herumspuken. 

Der Tempel der Pharaonin Hatschepsut bei LuxorBild: picture-alliance/dpa

Ausgrabungen könnten wieder mehr Touristen anlocken

Das alte Ägypten fasziniert die Menschen nicht nur wegen seiner Mumien. Die durch den Wüstensand und die trockene Hitze so sensationell gut erhaltenen Artefakte aus der Antike faszinieren Wissenschaftler und Besucher der Ausgrabungsstätten gleichermaßen. Die ägyptischen Behörden hatten in den vergangenen Jahren eine Reihe ehrgeiziger archäologischer Projekte angestoßen. Die spektakulären Funde der letzten Zeit in den Ausgrabungsgebieten rund um Kairo und Luxor sind nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht höchst erfreulich. Sondern auch, weil die neuen Funde aus der geheimnisvollen Pharaonenzeit vielleicht wieder mehr Touristen ins Land locken könnten. 

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online
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