Endlich können Berlin-Besucher den Unterschied von Street Art und Urban Art an konkreten Kunstwerken studieren. Ab sofort ist das bisher weltweit einzigartige Museum in Berlin geöffnet.
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Streetart und feste Museumswände sind eigentlich ein Widerspruch. Doch "Urban Art ist die Fortsetzung von Street Art in Innenräumen", so erklärt die Künstlerische Direktorin Yasha Young das neueMuseum im Stadtteil Schöneberg.
"UNique. UNited. UNstoppable.“ heißt das Motto der Ausstellung. Etwa 130 Urban-Art-Künstler zeigen ihre Werke, beispielsweise Herakut mit einem Bild von zwei Flüchtenden. Beide tragen orangefarbene Schwimmwesten und Perlenkronen. "Queens of the Sea" ist der Titel. Mit anderthalb Metern ist es nicht besonders hoch. Eindringlich jedoch ist der Blick der beiden Flüchtlingsfrauen, dem sich Betrachter nur schwer entziehen können.
Es werden allerdings nicht nur politische Motive gezeigt. Das Haus will vor allem einen Überblick geben über die Geschichte der Kunstart, verschiedene Stile, Traditionen, Techniken und neue Trends, wie Yasha Young erklärt. Die ausgestellten Werke werden nach einiger Zeit durch neue ausgetauscht. Viele Kunstwerke sollen aber fotografiert und für ein Archiv dokumentiert werden.
Geplant sind auch Workshops, Vorträge und eine Bibliothek. Berührungsängste sollen abgebaut werden, das Museum will nicht nur Szenekenner begeistern, sondern auch ein breites Publikum ansprechen.
Urban Art: Die Kunst von der Strasse
Street Art muss nicht unbedingt auf Häuserwänden und Mauern stattfinden, auch im Museum verliert sie nicht an Kraft. Das erste Museum für Street Art bietet frische Wände und in Berlin 120 Künstlern Platz für Arbeiten.
Bild: Graft
Das Haus als Leinwand
Im Mai 2016 war Baustart für das MUSEUM OF URBAN CONTEMPORARY ART. Dazu wurde ein Schöneberger Gründerzeit-Wohnhaus nach den Plänen des Architekturbüros Graft umgestaltet. Street Art gibt es nicht nur innen zu sehen, sondern das Haus selbst ist ein Kunstwerk. Die Fassaden-Elemente sind abnehmbar und werden in regelmäßigen Abständen neu gestaltet und in die Sammlung des Museums mit aufgenommen.
Bild: Graft
Straße ins Museum verlegt
Das Innere des neuen Museums bietet den Besuchern eine ganz neue und höchst unerwartete Raumwahrnehmung. Die Straße wird buchstäblich ins Gebäude verlegt. Ein Galeriesteg, der sich durch den zweigeschossigen Innenraum zieht und alle Ausstellungsräume miteinander verbindet, ermöglicht es, die großformatigen Kunstwerke sowohl aus der Distanz als auch aus der Nähe zu betrachten.
Bild: Graft
Geishas als Muse
Der britische Straßenkünstler Hush hat Grafikdesign in Newcastle studiert. Seine Geisha-Musen waren auch schon in Einzel-Ausstellungen in Melbourne und Los Angeles zu sehen. Für die Geishas, traditionelle japanische Entertainerinnen, verwendet er traditionelle Farben und verschiedene Techniken wie Graffiti, Collage, Malerei und Schablonen. Hushs Arbeiten kreisen um die weibliche Form an sich.
Bild: Hush
Berlin als Hotelhochburg
Der in Polen geborene Mariusz Waras aka M-City hat Mauern und Gebäude in Warschau, Danzig, Paris, Rio de Janeiro und anderen Städten bemalt. Seine verdichteten Stadtansichten bestehen aus einer Vielzahl an Details, Mustern und starken Linien. Hier sein kritischer Blick auf Berlin: Reale Gebäude wie der Berliner Hauptbahnhof und die Volksbühne werden entwurzelt, und inmitten von Hotels versetzt.
Bild: M City
Die Welt hinter dem Grau
Der norwegische Stencil-Künstler Martin Whatson begibt sich stets auf die Suche nach der Schönheit der Dinge, die üblicherweise als hässlich oder altmodisch gelten. Seine Inspiration findet der Künstler in Städten, Graffitis, alten Gebäuden und zerfallenden Gemäuern. Whatson verwendet für seine Werke immer Grautöne als Basis und fügt dann leuchtende Farben hinzu.
Bild: Martin Whatson
Grinsekatze als Glücksversprechen
Charakteristisch für die Arbeit Des Künstlers Ron English ist die Vermischung von populärkultureller und hochkultureller Symbolik. English prägte für seinen Stil den Begriff „POPaganda“.Hier seine Collage mit Felix the Cat - einer amerikanischen Comicfigur der Stummfilm-Ära. Der Künstler hat auch eigene Charaktere für seine Kunst erschaffen - etwa Mc Supersized, das adipöse Fast-Food-Maskottchen.
Bild: Ron English
Schöne neue Welt
Der Brite Ian Francis zieht seine Inspiration aus dem Kino und den schönen Bewohner einer modernen Medienphantasie, die von Sex, Prominenz und Tod angeheizt wird. Oft sind die Figuren halbnackt, in lässigen Gruppierungen miteinander intim oder auch aggressiv verwoben. Für Francis, der eine „Obsession für Internet-Medien und US-Teenie-Dramen“ hegt, sind Gewalt und Schönheit untrennbar verwoben.
Bild: Ian Francis
Superman auf Superwoman
Die Kanadierin Sandra Chevrier ist mit ihren surrealen Porträts über die Street Art-Szene hinaus bekannt geworden. Sie thematisiert den weiblichen Kampf in einer männerdominierten Welt. So in der Serie „Cages“ - Käfige: Superhelden-Comics, wie hier Superman, werden auf Frauengesichter und Frauenkörper appliziert. Trotzdem verweigern ihre Kunst-Figuren die Rolle der Verführerin oder des Opfer.
Bild: Sandra Chevrier
Frauenikone mit Botschaft
Vor Jahren brach der Street Art-Künstler TankPetrol aus dem polnischen Niemandsland nach Großbritannien auf. Dort arbeitet er mit unterschiedlichen Schablonen, und bildete Frauen oft geradezu ikonisch ab. Hier umgibt er eine seiner Frauenfiguren mit einer Art Heiligenschein und der Botschaft: Vergleich Dich nicht mit anderen, denn es gibt immer welche, die besser und schlechter als Du sind.
Bild: TANKEPETROL
Astronaut an Miami Beach-Villa
Vor fast zwanzig Jahren gründete sich die britische Gruppe London Police. Durch ihre „Lads“ – weiße Strichmännchen mit rundem Kopf – wurden sie weltweit berühmt. Nachdem viele Mitglieder kamen und gingen, haben sich die zwei Gründer wieder vereinigt. Chaz gestaltet die Lads, Bob Gibson schafft ein Fantasieumfeld. Dieses Wandbild mit Astronaut entstand 2014 während der Art Basel - Miami Art Fair.
Bild: THE LONDON POLICE
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Zudem will das Haus regelmäßig zehn Gastkünstlern eine Heimat auf Zeit bieten. Ab 2018 seien zehn sogenannte "Residenzen" geplant. In regelmäßigen "Open Studios" sollen Besucher den Künstlern bei der Arbeit zuschauen können. Nach einiger Zeit wird dann eine neue Künstler-Generation in dem Museum ihr Schaffen präsentieren.
Selbst die Museumsfassade an einem Gründerzeitbau wird sich gelegentlich wandeln und immer wieder mit neuen Wandgemälden, sogenannten Murals, bespielt werden.