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Kunst

Die Documenta ist eine "unglaubliche Aufgabe"

15. März 2019

Die Wahl der indonesischen Künstlergruppe ruangrupa als Leitung der documenta 15 hat viele überrascht, auch Stefan Kraus. Im DW-Interview sagt der Chef des Kölner Kolumba-Museums, worauf es beim Kuratieren ankommt.

Stefan Kraus
Bild: picture-alliance/H. Galuschka/dpa

Deutsche Welle: Herr Dr. Kraus, die Künstlergruppe ruangrupa aus Indonesien soll die nächste documenta leiten. Hat die Entscheidung der Findungskommission Sie überrascht?

Stefan Kraus: Schon. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diese Künstlergruppe auch nicht kenne. Aber alleine, dass man eine Gruppe beauftragt und nicht einen einzelnen Kurator, ist schon bemerkenswert. Mal schauen, wie es weitergeht.

Da bestimmt also nicht mehr ein Kurator über die Weltkunstschau, sondern ein Kollektiv. Verändert das unseren Blick auf die Kunst? Was glauben Sie?

Ich bin es gewohnt, dass man im Kollektiv kuratiert und halte das für den sinnvolleren Weg als dieses eindimensionale Denken. Im Theater würde man sagen: Regietheater. Ich finde es spannend, wenn man es mit verschiedenen Menschen macht, um Kriterien zu finden, Qualität zu definieren. Dass man aber tatsächlich Künstler auswählt, um etwas mit Künstlern zu machen, das finde ich spannend.

Die Künstlergruppe ruangrupa aus JakartaBild: Gudskul/Jin Panji

Was verändert das?

Ich weiß gar nicht, ob das etwas verändern muss, denn was macht der Kurator eigentlich? Sein Ziel ist es doch, der Kunst einen optimalen Auftritt zu verschaffen, um dem, was Künstler schaffen, einen Kontext zu verschaffen, der sie zur Wirkung kommen lässt. Es ist eben nicht so, dass der Kurator sich was Nettes ausdenkt und dann die Kunst dazu sucht, die das Ganze bebildert.

Das kritisieren ja viele am Kurator: dass er seine Macht ausnutze, um eine Idee zu transportieren, dass er der eigentliche Künstler sei. Ist da was dran an dieser Kritik?

Daran, dass der Kurator in den letzten Jahren in den Vordergrund gedrängt worden ist, sind wir Kunstvermittler vielleicht ein kleines bisschen selbst schuld. Dabei sollte der gute Kurator eher unsichtbar sein, wenn er das Material so in den Vordergrund stellt, dass man sich tatsächlich damit beschäftigt. Aber letztendlich muss einer den Kopf dafür hinhalten, dass die Sache vermittelbar wird. Damit stehen dann häufig die Kuratoren im Mittelpunkt des Medieninteresses - und weniger die Künstler.

Gibt es ein Machtgefälle zwischen Kurator und den Künstlerinnen und Künstlern, die er ausstellt?

Das darf nicht sein. Das muss ein Arbeiten auf Augenhöhe sein, bei dem Künstler und Kurator voneinander lernen.

Für viele ist Kurator ein Traumberuf. Viele Unis bilden inzwischen Kuratoren aus. Gleichzeitig werden diese Absolventen dann gar nicht mehr gebraucht, weil Künstler ihren Job machen - siehe documenta. Woher kommt diese Entwicklung?

Das Diözesanmuseum Kolumba in Köln von Architekt Peter ZumthorBild: picture-alliance/Arco Images GmbH

Vielleicht liegt es an einer inflationären Verwendung des Begriffes "kuratieren". Jeder Frühstückstisch ist "kuratiert". Wenn Sie sich morgens vor dem Spiegel entscheiden, welches Hemd Sie heute tragen, dann ist das eine kuratorische Entscheidung, die sie für sich selbst treffen. Ich glaube, der Begriff ist sehr strapaziert worden. Und man sollte dann vielleicht ein kleines bisschen mehr darauf achten, in welchen Kontexten man ihn eigentlich verwendet.

Sie kuratieren keinen Frühstückstisch, sondern das Kolumba in Köln, und zwar an der Spitze eines Kuratorenteams, das neue Wege geht bei der Kunstvermittlung. Dafür haben Sie unlängst einen Preis bekommen. Was machen Sie anders?

Was machen wir anders? Nehmen Sie das Beispiel unserer Öffnungszeiten von 12 bis 17 Uhr. Alle geführten Rundgänge finden vor 12 Uhr statt, also in einem leeren Haus mit den Menschen, mit denen man über Kunst reden möchte. Das ist nur ein Detail. Kunstvermittlung besteht vor allen Dingen darin, dass man sich in der Gruppe die Zeit nimmt, dem anderen zuzuhören, dass man sich miteinander auf Augenhöhe Gedanken macht über das, was man sieht. Dann kann das vielfach Gesehene auch für den Kurator wieder von neuem Interesse sein und mit neuen Inhalten gefüllt werden.

Kolumba: Reliquienkreuze vor der Kulisse des Kölner DomsBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Und das alles trauen Sie ruangrupa in Kassel zu?

Na ja, einen kleinen Vorbehalt habe ich schon, was die Aufmerksamkeit an solchen Ausstellungen angeht. Ich halte es für eine unglaubliche Aufgabe, die dieser Künstlergruppe da bevorsteht. Und ich bin ganz froh, dass ich mich da in viel kleinerem Maßstab aufhalten kann.

Das Gespräch mit Stefan Kraus führte Stefan Dege.

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