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Musik als Sprachrohr politischer Lager

Julian Tompkin / jb8. Februar 2015

Die Pegida-Versammlungen in Deutschland werfen ein Schlaglicht auf die tiefen sozialen Gräben im Land. Wer allerdings die nationale Musikszene verfolgt, ist sich der politischen Spannungen schon länger bewusst.

Neonazi-Konzert in Gera
Bild: picture-alliance/dpa

2011 hat der deutsche Rapper Julian Fritsch alias MaKss Damage eine unerwartete Mitteilung gemacht: Er änderte seine politische Überzeugung.

Am Anfang seiner Karriere galt er als ein radikaler Sozialist und spielte Shows für antifaschistische Gruppen in Berlin. Seine erste Demo nannte er "Alarmstufe Rot" und das Nachfolgewerk 2009, eine EP, "Stalin's Way". Jetzt machte er eine scharfe Wendung und reüssierte als das, was einige Musik-Kommentatoren einen der ersten "ernstzunehmenden Neo-Nazi-Mainstream-Rapper des Landes" bezeichneten.

In einem Land, das sich immer noch mit der Brutalität seiner nationalistischen Vergangenheit auseinandersetzt, hätte seine radikale Lossagung in der Tat ein Alarmzeichen, eine "Alarmstufe Rot", sein sollen. Schließlich schloss sich MaKss Damage den Reihen einer losen Gruppe von Künstlern an, die öffentlich mit den nationalistischen Tendenzen der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) sympathisieren.

Derart nationalistsiche Gesinnte sind natürlich nichts Neues in der deutschen Musik. Viele Bands und Künstler vom rechten Rand wie "Weisse Wölfe", "Blitzkrieg", "Hauptkampflinie" und "Stahlgewitter" haben sowohl in der Hardrock- als auch in der harten Punkszene nationalistische Themen aufgegriffen - einschließlich der ablehnenden Haltung gegenüber Einwanderern, einem Kernthema bei Pegida. Und diese Musiker haben ein Publikum gefunden, das mit den Kampfrufen des deutschen Patriotismus sympathisiert.

Es gibt viele Demonstrationen gegen PEGIDABild: Reuters//H. Hanschke

Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte wurden diese Künstler Teil des Mainstreams. Bekanntestes Beispiel dafür sind wohl die Stadion füllenden Hardrocker "Böhse Onkelz". Das Debütalbum der Band landete wegen seiner äußerst rechtsstehenden und herausfordernden Thematik auf dem Index. Später distanzierte sich die Band öffentlich von der Neo-Nazi-Szene und gab 2005 am Hockenheimring vor 120.000 Fans ein Abschiedskonzert. Dorthin will die Band im Juni dieses Jahres zurückkehren, nachdem sie 2014 wieder auf die Bühne trat und zahlreiche ausverkaufte Konzerte gab.

Die Schulhof-CD der NPD landete auf dem IndexBild: picture-alliance/dpa

Die Macht der Musik

Schon lange nutzt die NPD die Macht der Musik und die Popularität von Kultkünstlern, um die Basis ihrer Unterstützer auszubauen. 2004 brachte die Partei zu Werbezwecken im Rahmen des "Projekts Schulhof-CD" erstmals eine Propaganda-CD heraus - eine Songsammlung von Musikern, die dem Gedankengut der rechten Partei nahestanden.

Mit Liedtiteln wie "Der Väter Land" und "Deutsche Mutter" zielte die CD direkt darauf ab, nationalistische Tendenzen unter Jugendlichen zu fördern. Die Ausgabe 2011 mit dem Titel "Deutsch und heterosexuell" präsentiert unter anderem MaKss Damage mit "Der Gott der Eisen wachsen ließ"; ein strategischer Schachzug, der die Entwicklung des Crossover-Hip-Hops zu einer breiten populären Strömung ausnutzt und sich an den Erfolg von Künstlern wie Fler und King Bock hängt.

"Die Idee, dass Popmusik zur Subkultur gehört und deshalb nonkonformistisch und somit irgendwie linksgerichtet ist, ist ein Mythos, zumindest in Deutschland", erklärt Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Universität Mainz. "Deutsche Popmusik hat sich immer mit konservativen, reaktionären und auch nationalistischen Themen befasst, aber das ist einfach allzu oft nicht bemerkt worden. Was sich geändert hat, ist die Sichtbarkeit oder besser: die Wahrnehmung der deutschen Popmusik."

Gegenbewegung

Im Anschluss an die Märsche der islamkritischen Pegida-Bewegung im Januar haben sich mehrere prominente Persönlichkeiten - unter ihnen Musiker wie Udo Lindenberg (68) und Heino (76) - gegen Pegida gewandt und eine Petition in der "Bild"-Zeitung veröffentlicht.

Die Böhsen Onkels distanzieren sich heute von den Neo-NazisBild: imago/Star Media

Im Schatten deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts ist der Kampf gegen nationalistische Tendenzen beileibe kein neues Phänomen. Unzählige Künstler haben es zu ihrer Sache gemacht, das wachsende Gefühl von Nationalismus im Land - angetrieben durch die EU-Krise, die Arbeitslosigkeit und eine stagnierende Wirtschaft - im Auge zu behalten und Vielfalt zu unterstützen.

Neben dem Punkrock ist es vor allem der Hip-Hop, der sich gegen die aufkommende Fremdenfeindlichkeit richtet. Gruppen wie "Fettes Brot" und "Antilopengang" stellen sich explizit gegen Rassismus und Fanatismus. 2014 erschien Fettes Brot neben einer Reihe von Star-Bands wie Die Toten Hosen, Die Ärzte und Beatsteaks auf dem CD-Sampler "Kein Bock auf Nazis" .

Deutschlands Majorlabels, einschließlich Universal, Warner und Sony, engagieren sich seit 2004 mit der Kampagne "Laut gegen Nazis" gegen den wachsenden Hang zum Nationalismus in deutscher Popmusik. So veranstalten sie Live-Konzerte und Workshops in wirtschaftlich unterentwickelten Regionen, um ein Gegengewicht zur rechten Initiative "Projekt Schulhof-CD" zu schaffen.

Fettes Brot engagieren sich für mehr ToleranzBild: Pressebild

Grauzone

Musikwisenschaftler Hindrichs allerdings beklagt, Patriotismus und Neonazismus würden zu häufig in einen Topf geworfen. Pegida selbst behauptet, sie seien keine rassistische Organisation, nur eine Gruppe unterschiedlichster Bürger, die für eine vernünftigere Einwanderungspolitik eintrete. Aber, so Hindrichs weiter, der Fall der umstrittenen deutschsprachigen italienischen Band Frei.Wild, deren Nominierung für den ECHO-Musik-Preis 2013 zurückgezogen wurde, zeige, dass deutsche Künstler in diesen Dingen kaum auf Naivität setzen dürften.

"Wer auch immer behauptet, Frei.Wild sei eine Neo-Nazi-Band, hat offensichtlich keine Idee, worüber Neo-Nazis singen", sagt er. "Diese Weise, Dinge zu verwechseln, bauscht Bands wie Frei.Wild nicht nur unnötig öffentlich auf, es bagatellisiert auch die Neo-Nazi-Szene. Inzwischen haben aber auch Frei.Wild erkannt, dass sie mit dem Feuer spielen. Viel beunruhigender sind Gruppen wie Dee Ex oder Kategorie C, die in der Grauzone zwischen Patriotismus und Neonazismus spielen und mit Sicherheit neonazistische Ideen propagieren."

"Stein vieler Anstöße": Rapper FlerBild: picture-alliance/dpa/Britta Pedersen

Der Berliner Hip-Hop-Soziologe Jan Kage kommt zu dem Schluss, dass sich während des Niedergangs der Traditionen die politische und soziale Landschaft weiter in Rechts und Links teilen wird. Er sieht die Verpflichtung, eine gemeinsame Antwort auf die Pegida-Bewegung zu finden; nur so könne man einer wachsenden Popularität von Künstlern entgegentreten, die mit ihrer Haltung sympathisieren. "Die Zahl dieser Künstler wird in Zukunft steigen", so Kage gegenüber der DW. "Es gibt Künstler, die auf diese Entwicklung reagieren werden."

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