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Politik

ESC-Teilnehmer bedauern russisch-ukrainischen Streit

Andreas Brenner
11. April 2017

Das ukrainische Einreiseverbot für die Russin Julia Samoilowa finden viele Teilnehmer des Eurovision Song Contest einfach schade. Aber nicht alle äußern sich in dieser heiklen Angelegenheit diplomatisch.

Russische ESC Kandidatin Julia Samoilowa
Bild: picture-alliance/dpa/M. Antipina

Die Zeit vor dem Beginn des Eurovision Song Contest in Kiew nutzen die meisten Teilnehmer, um Werbung für ihre Beiträge zu machen. Der größte Promo-Event mit 34 von insgesamt 43 Interpreten des diesjährigen ESC fand am zweiten Aprilwochenende in Amsterdam statt - eine willkommene Gelegenheit, die Teilnehmer nach ihrer Meinung zum russisch-ukrainischen ESC-Streit zu fragen. Die ukrainische Regierung hatte der Russin Julia Samoilowa die Einreise verboten, weil sie auf der annektieren Krim aufgetreten und dabei über Russland und nicht über die Ukraine eingereist sei. Das wäre ein klarer Verstoß gegen die ukrainischen Gesetze, was Samoilowa ihre Teilnahme am ESC kosten könnte.

Politikverweigerer beim ESC

Toskaner mit Karma: Francesco GabbaniBild: DW/A. Brenner

Das wissen alle Teilnehmer des diesjährigen Eurovision Song Contest, auch der Favorit des Wettbewerbs, Francesco Gabbani aus Italien. Der Titel seines ironischen Beitrags "Occidentali's Karma" kann man als "Karma eines Westlers" übersetzten. Und offensichtlich will der in Toskana geborene Sänger sein Karma nicht verderben. Denn über den russisch-ukrainischen Streit will er sich nicht äußern: "Die Russin tut mir leid, aber ich ziehe vor, über die Musik zu sprechen und nicht über die Politik".

Dass Politik für sie ein Fremdwort sei, sagen auch die Teilnehmer des weißrussischen Duos "Naviband". "Story of my life" heißt das weißrussische Lied. Und in diesem Song singen sie über die Liebe zu dem, was sie machen, ihr Volk und ihr Land, sagt Sänger Arciom Lukjanienko: "Das ist ein gesunder Patriotismus". "Wir wissen nicht, was wir von der Politik halten sollen. Wir sind für die Musik da", fügt seine Partnerin Ksienija Zuk hinzu.

Das andere Duett beim diesjährigen ESC - "Norma John" - kommt aus Finnland nach Kiew. Wie die Weißrussen sind Lasse und Leena ein freundliches Paar. Ein Schatten geht jedoch über ihre Gesichter, als der DW-Reporter sie nach dem Einreiseverbot für Julia Samoilowa fragt. "Die Politik steht nicht im unserem Fokus. Wir machen Musik. Und die Entscheidung liegt sowieso nicht in unseren Händen".

Slavko Kalezic, Exzentriker aus MontenegroBild: Dejan Milićević

Politik beim Eurovision Song Contest

Wenn die Entscheidung über die Einreise für Julia Samoilowa in seinen Händen wäre, wüsste Slavko Kalezic aus Montenegro die Antwort. Er ist einer der exzentrischsten Künstler bei diesem Eurovision Song Contest. Seinen Dance-Pop-Beitrag "Space" präsentiert Slavko gerne mit nacktem Oberkörper und einem Flechtzopf. Seiner Meinung nach wäre es besser, wenn Julia Samoilowa in Kiew auftreten dürfte: "Es geht doch um die Musik. Und Politik darf sich nicht in die Kunst einmischen".

Slavko ignoriert die Politik, dennoch lässt sie ihn nicht gleichgültig. "Als Mensch schäme ich mich dafür, was mit Russland und der Ukraine passiert ist. Beim Eurovision Song Contest geht es doch um die Musik, um die Liebe. Aber die Politik konnte sich in den Wettbewerb einmischen. Das ist keine gute Idee", meint der Sänger.

Levina vertritt Deutschland beim ESC-Finale in KiewBild: DW/A. Brenner

Damit ist auch die deutsche Vertreterin beim ESC 2017 Levina einverstanden. "Perfect life" heißt ihr Lied für Kiew. Und dass die Situation im Vorfeld des Wettbewerbs nicht perfekt ist, hört man deutlich aus ihren Worten: "Ich finde es natürlich schade, dass die Politik doch so diesen Song Contest beeinflusst. Ich fände es toll, wenn die Musik und das, worum es eigentlich geht, nämlich zusammen Musik zu feiern, im Vordergrund stehen könnten".

Wer ist bereit, mit Samoilowa auf einer Bühne zu stehen?

Für Bulgarien tritt Kristian Kostov an, der jüngste Teilnehmer des diesjährigen ESC. Er hätte auch Russland vertreten können, denn die meiste Zeit verbringt der 17jährige Sohn eines Bulgaren und einer aus Kasachstan stammenden Mutter in Moskau. In der russischen Hauptstadt wurde er auch geboren. Aber vor zwei Jahren hat Kristian sich entschieden, den bulgarischen Markt zu erobern. Die Nominierung für den Eurovision Song Contest spricht dafür, dass es ihm gelungen ist.

Auf der Promo-Tour in Amsterdam wurde er von mehreren Leuten begleitet. Und als einer der Manager erfährt, dass der DW-Reporter doch eine politische Frage an Kristian stellen will, bittet er um eine Rücksprache mit dem Sänger - weit weg vom Mikro. Er sei doch erst gerade 17 Jahre alt geworden, heißt es. Die Antwort von Kristian klingt aber überzeugend und offenherzig: "Ich habe nicht zu beurteilen, ob das Einreiseverbot richtig oder falsch ist. Jeder hat seine Meinung, so wie in der Politik. Ich will nur sagen, dass Julia ein sehr guter Mensch ist. Ich hoffe immer noch, dass ich sie in Kiew sehe. Ich würde mich freuen, mit ihr auf einer Bühne aufzutreten".

Zhenia Halych und die Band "O.Torvald" wünschen sich ein bisschen Frieden. Bild: DW/A. Brenner

Da ist der Frontmann der ukrainischen Rockband "O.Torvald" Zhenia Halych ganz anderer Meinung. Im Gespräch mit DW sagt er deutlich: "Man muss die Gesetze eines Landes achten. Ich als Patriot meines Landes tue das. Was das Einreiseverbot für Julia Samoilowa betrifft, damit habe ich Gott sei Dank nichts zu tun". Dennoch weicht Zhenia der Frage nicht aus, ob er bereit sei, mit Julia auf einer Bühne in Kiew aufzutreten: "Ich glaube, in diesem Jahr nicht".

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