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Musiker im Schatten des Mali-Konflikts

Peter Hille, Yaya Konate25. Oktober 2012

Islamisten errichten im Norden Malis einen streng religiösen Staat, verbieten weltliche Musik und damit eine der ältesten Traditionen des Landes: den Gesang der Griots. Dabei könnte gerade er helfen, Mali zu befrieden.

GIL GIUGLIO/WOSTOK PRESS ; SENEGAL, 02/ 2005, GRIOT WOLO JOUEUR DE KORAT ET WOLOF JOUEUR DE DJEMBE AU CREPUSCULE SUR LES DUNES, NON LOIN DU VILLAGE DE LOMPOUL EN PAYS PEUL
GriotsBild: picture-alliance/maxppp

Eine Hochzeit ohne Griot? Fast nicht denkbar in Mali. Eine Geburt, Beschneidung oder Beerdigung? Auch da taucht mit ziemlicher Sicherheit ein Sänger auf. Da klingen Djembe und Kora, die in Westafrika weit verbreiteten Trommeln und Harfen. Denn zum Festtag gehören die Gesänge und Loblieder der Griots selbstverständlich dazu. Sie dürfen auf keiner Zeremonie fehlen.

Keiner kennt die Familiengeschichten besser als der Griot, und keiner kann sie so gut erzählen und besingen wie er. Er steht mittendrin im Trubel der Festgemeinschaft und berichtet von den Heldentaten, die der Großvater des Bräutigams vollbracht hat. Und er weiß selbst von dessen Großvater noch Geschichten zu erzählen. Nach seinem Vortrag wird der Griot natürlich entlohnt. Ein Familienmitglied zückt dazu ein kleines Bündel Geldscheine, die im weiten Gewand des Sängers verschwinden.

Mamadou Diawara sieht die Kultur des Griots in Nord-Mali in Gefahr

Künstler mit Worten und Instrumenten

Die Griots sind mehr als einfach nur Dichter oder Musiker. Sie erzählen Geschichten, bewahren einen Schatz alter Legenden, singen Loblieder und unterrichten ihre Zuhörer. Der Berufsstand der Griots ähnelt dabei einer Kaste: Man wird hineingeboren. Die Griots werden auch "Jelis" genannt, erklärt Mamadou Diawara, Professor für Ethnologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er stammt selbst aus Mali. "Sie sind Wortkünstler und kommen aus der Gegend der Mande-Völker, also nicht nur aus Mali, sondern auch aus dem Senegal, aus Gambia, Guinea, Guinea-Bissau und aus dem Norden der Elfenbeinküste." Dort sei die Tradition der Griots immer noch sehr lebendig.

Im Norden Malis allerdings sind die Griots bedroht. Dort haben islamistische Gruppen im April die Macht an sich gerissen, nachdem ein Militärputsch das Land destabilisiert hatte. Zunächst machten sie gemeinsame Sache mit Tuareg-Rebellen, die für einen unabhängigen Staat kämpften. Doch dann besiegten die Islamisten auch die Tuareg und versuchen nun, ihre radikale Interpretation des islamischen Rechts, der Scharia, durchzusetzen.

"Natürlich kann ein Griot in diesem Zusammenhang nicht weiter seine Arbeit ausüben, nicht weiter singen", erklärt Diawara. Denn der Gesang der Griots verstoße gegen die religiösen Vorstellungen der fanatischen Islamisten-Gruppen.

Eine Kultur ist bedroht

Die Islamisten verbieten weltliche Musik, Tanz, sowie alle anderen Bräuche, die sie für unislamisch halten. Sogar Moscheen und Mausoleen, die in der Tradition der islamischen Mystik stehen, werden rücksichtslos zerstört. Damit ist im Norden Malis eine jahrhundertealte Kultur bedroht.

Die Griots etwa gibt es bereits seit dem 13. Jahrhundert. Baye Tounkara stammt aus einer der alten Griot-Familien Malis. "Wir sind wir stolz auf das, was wir tun", so Tounkara im Gespräch mit der DW. "Dafür hat uns Gott erschaffen", erklärt er. Von klein auf habe er seine Mutter singen hören und seinen Vater an den Instrumenten beobachtet. "So habe ich es nach und nach gelernt."

Im Norden Malis wird gekämpft und nicht gesungenBild: Getty Images

Ob im Süden oder Norden: In Mali hat jede Volksgruppe eigene Griots. Sie spielen nicht nur innerhalb ihrer Familien und Dörfer eine Rolle - manche sind sogar landesweit bekannt. "Wir Griots haben auch eine gesellschaftliche Aufgabe", so Tounkara. Sie schlichteten Konflikte, versöhnten Familien und würden dazu beitragen, Probleme der Gemeinschaft zu lösen. "Und zwar auch Probleme von nationaler Tragweite!"

Tounkara spielt damit auf den Konflikt an, der Mali vor mehr als einem halben Jahr zerrissen hat. Diplomaten und Politiker aus aller Welt suchen eine Lösung für die Mali-Krise, zuletzt trafen sie sich am Samstag (20.10.2012) in der Hauptstadt Bamako. Armeegeneräle der Nachbarstaaten Malis brüten bereits über Einsatzplänen, mit denen sie den Norden des Landes militärisch befreien wollen.

Griots als Friedensstifter?

Früher, als jeder König, Clanchef und Kriegsherr einen eigenen Griot beschäftigte, hätten sich die Sänger auch in Fragen von Krieg und Frieden eingemischt, meint Ben Sherif Diabaté, der ebenfalls aus einer alten malischen Griot-Familie stammt.

"Der Jeli war so etwas wie der Protokollchef. Er organisierte alle Versammlungen und Konferenzen", erklärt Diabaté im DW-Interview. In den Debatten habe er zwar kein Mitspracherecht gehabt. "Aber wenn er meinte, dass eine getroffene Entscheidung seinem Herren schaden und das Ansehen seiner Vorfahren trüben könnte, dann hat er Einspruch erhoben." Denn seine Kenntnis des Ehrenkodexes und der Ahnenreihe des Königs habe es ihm erlaubt, sich in diesen Fragen direkt an die Herrscher zu wenden.

Und heute? In der aktuellen Mali-Krise hat die Regierung des Landes in den Augen vieler Malier versagt. Monatelang konnte sie sich nicht dazu durchringen, um militärische Hilfe von außen zu bitten, war heillos zerstritten und getrieben von der Angst vor einem neuen Militärputsch. So haben sich denn auch Griots zum malischen Präsidenten aufgemacht und ihm ihre Meinung mitgeteilt. Der allerdings zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt. Hätten die Griots im Lande eine herausgehobene Stellung wie früher, so glaubt Diabaté, dann wäre Mali heute nicht zerrissen und von Krieg bedroht. Vielleicht hätten die Griots schon längst eine nationale Friedenskonferenz organisiert. Und dann, meint Diabaté, hätten die Sänger die Mächtigen, die Chefs und die Präsidenten mit ihrer Musik schon irgendwie zur Versöhnung bewegt.

Demonstranten in Bamako tanzen und singen für den FriedenBild: AP
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