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Musik

"David Bowie war das Bindeglied zwischen Rock und Pop"

Heike Mund7. Januar 2017

Kaum einer hat die Popgeschichte so geprägt wie er. Am 8. Januar wäre David Bowie 70 Jahre alt geworden. Er wagte den Bruch mit dem Rock und klaute sich die Glitzerwelt der Discomusik, erzählt Tim Renner im DW-Gespräch.

David Bowie Ausstellung in Berlin. Copyright: DW/H. Mund
Bild: DW/H. Mund

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DW: Wo haben Sie die Nachricht vom Tod von David Bowie gehört?

Tim Renner: Ich stand gerade in der Küche und war auf dem Sprung ins Büro, als ich das in den Nachrichten sah. Mir ist fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen.

DW: Haben Sie geahnt, dass er so krank war? In der Musikbranche wusste man ja nichts Genaues über seine Krankheit.

Geahnt hat man das schon. Vor allem seine vorletzte Platte "Where are we now" - wenn Sie die jetzt nochmal ganz genau anhören, dann klingt das schon wie eine Verabschiedung. Vor allem das Titelstück selbst: Da verabschiedet er sich von Berlin.

Die Gerüchte gab es schon, dass er an einer schweren Krankheit leidet. Wir von der Berliner Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten haben immer wieder versucht, dass er vielleicht zu einer der Feierlichkeiten zu 25 Jahre Wiedervereinigung nach Berlin kommt. Damals wurde mir schon aus seinem Umfeld signalisiert, dass er seine Kraft sehr sparsam einsetzt. Das ist ja auch schon ein Aussage. Und er hat sie jetzt nochmal sehr gezielt eingesetzt, um dieses fulminante letzte Album "Blackstar" zu erschaffen. Und kaum ist es veröffentlicht, kann er loslassen.

Meister der exzentrischen Bühnenshow: Bowie faszinierte Generationen von FansBild: picture-alliance/dpa/M. Rickett

David Bowie hat als Musiker und Künstler die Popgeschichte beeinflusst wie kaum ein anderer, nicht nur mit seiner innovativen Musik, auch mit seinem exzentrischen Bühnenstyling. Was hat ihn denn zur Pop-Ikone gemacht?

Ihn hat zur Pop-Ikone gemacht, dass er der Erste war, der gezeigt hat, dass man Widerstand leisten kann gegen so Vieles, was Mainstream ist. Dass man völlig anders denken, handeln und musizieren kann – und dennoch das Ganze mit Stil verbindet. Er ist eben nicht auf dieser 1968er-Schiene gefahren. Er hat mit den bürgerlichen Normen gespielt - und das sehr geschickt und dadurch nochmal besonders viele Leute erreicht.

Was war damals an seiner Art, Popmusik zu produzieren, so ungewöhnlich und neu?

Er hat sich getraut, Sachen und Musikstile miteinander zu verschränken, die sonst nicht zusammen gehören. Gerade damals hatten wir noch eine klare Trennung zwischen Rock und Pop. Er hat diese Grenzen ganz häufig durcheinandergeschmissen und durchbrochen. Er hat auch mit Musikern aus allen Richtungen zusammengearbeitet. Und er hat sich eben auch getraut, bis hin zum Erfinden von Parallelwelten wie bei "Ziggy Stardust", die Leute komplett zu entführen und etwas ganz Neues zu definieren.

Mit seiner Kunst-Figur "Ziggy Stardust" (hier 1972) schrieb Bowie Pop-GeschichteBild: picture-alliance/dpa/N.Halle'n

Inwieweit war er damit als Musiker seiner Zeit voraus? Sie haben viele Jahre an entscheidender Stelle im Musikbusiness gearbeitet und kommende Trends aufgespürt. War Bowie damals weiter, als die Musikproduktion denken konnte?

Ja, in vielerlei Hinsicht, sowohl musikalisch als auch in dem, wie er mit der Musikindustrie umgegangen ist. Wie erinnern uns noch 1997 an die "Bowie-Bonds" (eine Anleihe auf dem Finanzmarkt./Anmerk. d. Red.), da war er der erste große Musiker, der gesagt hat: 'Ich brauche keine Plattenfirma, ich finanziere mich über meine Fans.' Und dafür hat er die "Bowie-Bonds" erfunden, womit er tatsächlich ein ganzes Album finanziert hat.

Welche Musik war angesagt, als David Bowie anfing, mit seinen Stilbrüchen die Musik neu zu mixen?

Er hat ja mehrere Zeitphasen gehabt, wo er das bewusst gemacht hat. Am signifikantesten aufgefallen ist das in den 1970er Jahren. Damals hatten wir eine Musikwelt, die sich komplett auseinander bewegte, wo Rock immer akademischer wurde und Bands aus Großbritannien wie "Emerson, Lake and Palmer" ihre Höhepunkte feierten. Rockmusik mutierte damals zu so einer Art "Neo-Klassik".

Innovativ und exzessiv: Als Musiker kannte Bowie keine GrenzenBild: AP

Und auf der anderen Seite hatte wir da den Disco-Boom ("Saturday Night Fever") und eine Leichtfüßigkeit und eine Glitzerwelt, wie man sie vorher im Pop nicht gekannt hatte. Die Musik marschierte gerade diametral auseinander, und das große Bindeglied zwischen beiden Welten war tatsächlich David Bowie.

Wurden seine Songs denn auch in Discos gespielt, wo die klassische Rockmusik ja eigentlich nicht zuhause war?

Er war jemand, der die anderen Musiker in die Disco reingeholt hat. In Berlin - obwohl ich zu jung bin, um das miterlebt zu haben - erzählt man, dass er derjenige war, der Iggy Pop genauso wie einen Blixa Bargeld in den "Dschungel" gelockt habe. Eine Disco, die damals in Berlin der zentrale Treffpunkt der Musikszene war, wo man mit Lou Reed zusammen an der Bar abstürzte und im Hintergrund Disco-Beats erklangen.

Welchen Stellenwert hat Berlin in David Bowies künstlerischer Karriere gehabt? Waren seine "Berliner Jahre" wichtige Meilensteine in seiner Musik und seiner Biografie?

Die drei Alben seiner Berlin-Triologie gehören auf jeden Fall zu den wichtigsten Platten, die er gemacht hat. Man hat damals gemerkt, da ringt er auch sehr mit sich selbst. Aber man darf nicht verschweigen, dass die Berlin-Zeit seine härteste Drogenphase war.

Im Kinofilm "Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" trat der Sänger als David Bowie aufBild: picture alliance / United Archives/IFTN

Das hat zu Drogenexzessen geführt, aber auch zu seinen musikalischen Experimenten. In Berliner Musikerkreisen hat er eine neue Mentalität freigesetzt, die bis heute fortwirkt und in den Medien gepflegt wird. Wenn Sie mal auf eines seiner Spätwerke schauen, eben auf den Song "Where are we now", da beschäftigt er sich nochmal eingehend mit Berlin und genau dieser Zeit.

Tim Renner (Jg. 1964) ist seit April 2014 Staatsekretär für Kulturelle Angelegenheiten in Berlin. Er ist erfolgreicher Musikmanager und Plattenproduzent und war Geschäftsführer des deutschen Labels Motor Music, das für den Aufbau der Karrieren von Bands wie Rammstein, Sportfreunde Stiller und Tocotronic verantwortlich war. Von 1999 bis 2004 war er Geschäftsführer von Universal Music Deutschland. Seit 2009 ist er auch Professor an der Pop-Akademie Baden-Württemberg für zeitgenössische Popmusik.

Das Gespräch mit Tim Renner führte Heike Mund im Januar 2016.

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