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Musik

Musikfestivals: Mehr Frauen auf die Bühne!

Maria John Sánchez
6. Juni 2022

Musikerinnen sind auf Festivals noch immer in der Minderheit. Initiativen wie das Kölner "DCKS"-Festival, ins Leben gerufen von der Komikerin Carolin Kebekus, wollen ihnen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen.

LEA bei einem Auftritt auf einem Musikfestival
LEA ist eine der Sängerinnen, die auf dem "DCKS"-Festival auftreten wirdBild: Revierfoto/dpa/picture alliance

Der Festivalsommer ist da! Nach langer Corona-Pause sind die großen Musikveranstaltungen zurück. Deutschlandweit feiern Hunderttausende Fans bei Rock am Ring und Co. Schlamm, Bier, Moshpits - endlich ist wieder alles wie früher.

Was allerdings ebenfalls gleichgeblieben ist: die ungleiche Geschlechterverteilung auf den Bühnen. Wer einen Blick auf die Line-Ups wirft, stellt fest, dass Musikerinnen noch immer kaum auftauchen. Stattdessen dominieren Männer die Bühnen. Beim deutschen Rockfestival Rock am Ring, das am Pfingstwochenende stattfand, lag der Anteil der weiblichen Acts im einstelligen Prozentbereich. Ähnlich unterrepräsentiert sind Frauen in den Line-Ups anderer großer Festivals. Beim Hurricane-Festival und beim Reggae-Festival Summerjam beträgt ihr Anteil in diesem Jahr zwischen 10 und 20 Prozent. Auf dem Hip-Hop-Festival Splash sind gut ein Viertel der Acts weiblich. 

"DCKS"-Festival: feministisches Gegenprogramm von Carolin Kebekus

Um die Sichtbarkeit von Frauen auf Festivalbühnen zu vergrößern, startete die deutsche Komikerin Carolin Kebekus Pfingstmontag (6. Juni 2022) ein Gegenprogramm. Auf ihrem DCKS Festival in Köln (Abkürzung für "Die Carolin Kebekus Show") traten nur weibliche Acts auf. Mit dabei waren die Sängerinnen LEA, Mine, Annie Chops, Luna sowie die Pop-Band No Angels.

Zudem sprachen ausgewählte Rednerinnen über ihre Erfahrungen rund um die Geschlechtergerechtigkeit. Eingeladen war etwa Auma Obama, die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Auch Judith Holofernes war Teil des Programms. Sie wurde als Sängerin und Gitarristin der deutschen Band "Wir sind Helden" bekannt, die 2005 auf dem "Rock am Ring"-Festival der letzte Headliner mit einer Frau in der Besetzung war:

Das von Kebekus organisierte Musikfestival ist nicht das erste seiner Art. Seit Jahrzehnten gibt es Versuche, dem männerdominierten Status Quo entgegenzuwirken. Frauenfestivals und feministische Musikfestivals existieren seit den 1970er-Jahren - etwa das National Women's Music Festival in den USA.

Es gibt sie, die Frauen im Musikbusiness

In Deutschland findet seit 2012 das W-Festival in Frankfurt am Main statt. Dieses legt den Fokus auf "weibliche Kreativität". Nur weibliche Musikerinnen oder Bands mit Frontfrauen treten auf. 

Und trotzdem: Auf den größeren Festivalbühnen spielen noch immer deutlich weniger Frauen als Männer. Warum? Veranstalter argumentieren, es liege am Frauenmangel in der Szene. "Es gibt weniger Musikerinnen, das will ich gar nicht bestreiten", sagt Anika Jankowski, CEO der Initiative Music Women* Germany. "Aber dass es sie nicht gibt, ist Quatsch." Als Beweis hat die Initiative eine Datenbank entwickelt, die einen Überblick über Frauen im Musikbusiness gibt. Wenn für ein Programm noch eine Bassistin oder eine Schlagzeugerin gebraucht wird, dann könne man sie in der Datenbank finden, so Jankowski.

Das beste Beispiel, dass sich Frauen und Rockmusik nicht ausschließen: Patti SmithBild: Marilla Sicilia/ZUMAPRESS/picture alliance

Auch feministische Festivals hält Jankowski für einen guten Ansatz, um zu zeigen, dass es genug Musikerinnen gibt. "Ein weiteres Argument von den aktuellen großen Festivals lautet, dass weibliche Acts keine Tickets verkaufen", sagt Jankowski. Mit Gegenprogrammen wie dem Festival von Caroline Kebekus ließe sich zeigen, wie gut weibliche Acts funktionieren und wie haltlos das Argument sei.

Musik: Eine männerdominierte Branche

Die Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen liegen Jankowski zufolge woanders. Vieles sei historisch gewachsen, weil jahrzehntelang Männer die Geschäfte unter sich ausgemacht hätten. Denn die Musikbranche sei männlich dominiert. Das nimmt seinen Anfang in den oberen Etagen, die großen Musikunternehmen und Labels werden vorwiegend von Männern geführt. Vieles läuft über Netzwerke. "Die Musik ist ein sogenanntes People’s Business. Geschäfte werden untereinander vereinbart und da wachsen über die Jahrzehnte bestimmte Netzwerke, die unter sich bleiben", erklärt Jankowski.

Seit einigen Jahren gibt es Bestrebungen, diese Schieflage zu ändern und das Musikgeschäft geschlechtergerechter zu gestalten. Wie das gelingen kann, zeigt die Initiative Keychange, die sich für Diversität einsetzt. Die Kampagne hat sich ein konkretes Ziel gesetzt: Bis 2022 soll bei Festival-Line-Ups ein 50:50 Geschlechterverhältnis erreicht werden. Jedes Festival, das sich der Kampagne anschließt, verpflichtet sich, dieses Ziel umzusetzen.

Joy Denalane sang 2021 auf dem Reeperbahn-Festival in Hamburg, das sich dem Ziel von Keychange verschrieben hatBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

"Wir wollen nicht eine extra Bühne für Frauen schaffen, sondern Gleichberechtigung. Frauen sollen genau dort auftreten, wo Männer auftreten", sagt Lea Karwoth, die Teil des deutschen Teams von Keychange ist. Bisher haben unter anderem das Jazzfest Berlin und das Reeperbahnfestival in Hamburg die Absichtserklärung unterzeichnet. Auch das deutsche Elektro-Festival Melt habe sich angeschlossen. Sogar die ganz großen Festivals hätten schon Interesse bekundet, so Karwoth.

Mehr Diversität im Interesse der Festivals

Das Interesse an der Initiative steige stetig. Die Sensibilisierung innerhalb der Industrie sei mittlerweile groß. Immer mehr wachse auch das Bewusstsein der Musikinteressierten. 

"Wir sehen eine Entwicklung, dass es inzwischen auch bei der jüngeren Zielgruppe eine Rolle spielt, wie divers ein Festival ist. Beim Ticketkauf kann es durchaus ein Argument sein, sich gegen ein Festival zu entscheiden, wenn nur drei Prozent Frauen auf der Bühne stehen", sagt Karwoth. Am Ende liegt es in der Hand der Konsumentinnen und Konsumenten von Musik: Je wichtiger Geschlechtergleichheit für sie wird, desto mehr müssen sich die großen Festivals Gedanken über Diversität machen, wenn sie zukunftsfähig sein wollen. 

Maria John Sánchez Autorin
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