Musikmesse Frankfurt: Handwerk meets Hightech
11. April 2018Back to the roots, zurück zu den Anfängen. Das ist einer von vielen Instrumenten-Trends in diesem Jahr bei der Frankfurter Musikmesse. 1950 entwickelte der berühmte amerikanische Gitarrenbauer Leo Fender seine erste elektrische Gitarre. Die kann man im Original auf der Messe zwar nicht kaufen, aber hinter Glas ehrfürchtig bewundern.
Die Messe ist die größte Musik- und Veranstaltungsmesse Europas, mit Ablegern in China und Russland. In Frankfurt präsentieren sich in diesem Jahr vom 11. bis zum 14. April insgesamt 1803 Aussteller aus 56 Ländern. Dazu gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Live Acts und Konzerten, mit Fachkonferenzen, Preisverleihungen sowie Ausstellungen.
Vintage-Gitarren sind begehrt
"Fender by Leo Fender" heißt die kleine Ausstellung, die die Entwicklung der Fender-Gitarren von 1950 bis 1964 zeigt. Die teuerste Gitarre von 1951 ist 80.000 Euro wert. "Keith Richard spielt immer noch einer Fender aus den 50er Jahren. Der Ton war so genial. Eine Gitarre mit wenig Mitteln und tollen Ideen", sagt Thomas Weilbier vom No.1 Guitar Center in Hamburg, der die Ausstellung organisiert hat. Er hat viele Rockstars unter seinen Kunden, darunter auch Santana und Keith Richards von den Rolling Stones.
Darryl Jones, u.a. Bassist der Rolling Stones, hat mittlerweile seine eigene Bass-Serie entwickelt, die er auf der Musikmesse präsentiert und verkauft. "Ich bin aufgewachsen mit Instrumenten aus den 50er und 60er Jahren. Ich mag Basic-Instrumente, die gut klingen und so einfach zu handhaben sind, dass alle darauf spielen können." Jones hält nicht viel von aufwändigen Hightech-Instrumenten. "Die Spezialisierung überlasse ich anderen."
Zu den Schätzen von Thomas Weilbier zählt eine alte "Fender Telecaster" von Bluesgitarrist Joe Bonamassa. Doch auch die ist ein Ausstellungsstück und unverkäuflich. "Ein altes Instrument spielt anders als ein neues", erklärt der Gitarren-Profi. "Wenn jemand schlecht drauf ist und er nimmt eine alte Gitarre, dann spiegelt sie seinen Gemütszustand. Das kann ein neues Holz nicht. Es lagert nicht mehr so lange, wird maschinell getrocknet und schwingt nicht so gut."
Nachbauten der 50er Jahre Modelle von Fender sind auf der Messe für 3000 bis 4000 Euro zu haben. Und sie sind begehrt. Am liebsten mit entsprechenden, nachträglich zugefügten Gebrauchspuren, damit sie möglichst alt aussehen.
Auch beim Schlagzeug erfreuen sich Liebhaber an kleinen Drum-Kits, vom Aussehen und vom Klang her gebaut wie in den 1970ern. "Es gibt wieder einen Trend zu immer kleineren Schlagzeugen, weil die Bühnen in den Clubs auch kleiner werden. Es ist alles nicht mehr so bombastisch", erklärt Bernhard Weithofer von der Firma DW Drums. "Außerdem gibt es viele Leute, die früher von einem Schlagzeug geträumt haben und es sich jetzt leisten können". Die recht teuren Drum-Kits seiner Firma bezeichnet er als die "Ferraris unter den Schlagzeugen". Natürlich habe man heute bessere Leime und Materialien. Außerdem ummanteln edle Hölzer die Drum-Kessel.
Analog und digital: Zwei Welten wachsen zusammen
Ganz anders dagegen das wohl größte E-Drum-Set von Yamaha, das je auf einer Messe gezeigt wurde, mit über 50 elektronischen Trommeln und Becken. Mit einem besonders elastischen Trommelfell lässt es sich virtuos wie ein analoges Schlagzeug spielen. Bei anderen Schlagzeugen werden akustische und elektronische Klänge kombiniert und lassen sich noch dazu mit digitalen Effekten aufpeppen. Solche "Hybride", bei denen traditionelle Instrumente mit digitaler Technologie zusammengebracht werden, sind in der Musikbranche auf dem Vormarsch.
"Die Synergieeffekte in der Digitalisierung sind immer stärker geworden. Digitale Tonabnehmer oder Apps werden in traditionelle Instrumente eingebaut. Bei rein elektrischen Klangerzeugern ist der Sound statisch, traditionelle Instrumente haben dagegen einen mitschwingenden Resonanzraum", erläutert Michael Biwer, Leiter der Musikmesse, den Trend. Da gibt es etwa die kleine klassische Wandergitarre, mit eingebautem elekronischem Halleffekt, die ganz ohne Verstärker auskommt. Oder den Bösendorfer Flügel, den man selbst spielen kann oder einfach über eine App spielen lässt. Ein eingespieltes Klavierstück, etwa von dem Pianisten András Schiff, klingt dann nicht wie von der CD, sondern so, als säße Schiff am eigenen Flügel.
Singer und Songwriter für den Nachwuchs wichtig
Wer über die Messe geht, hört die verschiedenen Klänge von allen Seiten. Konzerte im Piano Salon, wo europäische Traditionsfirmen ihre Tasteninstrumente vorstellen, dann wieder Soloeinlagen prominenter Schlagzeuger und Gitarristen auf den Bühnen des Drum und Guitar Camps.
Der Eventcharakter der Messe tritt immer stärker in den Vordergrund, nicht nur im Rahmenprogramm, sondern auch auf der Messe selbst. "Man hat zwar die Produkte und Aussteller, aber die Musik selbst ist ein emotionales Erlebnis", sagt Michael Biwer. Dass vor lauter Events der Instrumentenhandel zu kurz käme, fürchtet er nicht. "Der Hero-Effekt ist nicht zu verkennen. Viele wollen für fünf Minuten ein Hero sein. Früher waren das die Stars an den E-Gitarren, heute sind es Singer und Songwriter wie Ed Sheeran." Das deutsche Pendant ist Michael Schulte, der mit seinem Hit "You Let Me Walk Alone" für Deutschland beim Eurovision Song Contest ins Rennen geht. Zusammen mit YouTube-Stars tritt er live auf der Festivalarena der Musikmesse auf.
Die Musikmesse versucht auf diese Weise einen Brückenschlag. Auf der einen Seite will sie ein zahlungskräftiges Publikum mit Vintage-Instrumenten locken, auf der anderen Seite den Nachwuchs mit einfachen Instrumenten-Kits, spielerischen Lern-Apps und lebendigen Vorbildern aus der YouTuberszene für den Gesang und das Instrumentenspiel begeistern.