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Ein Muslim in den SWR-Rundfunkrat

Karin Jäger19. Oktober 2012

Vier Millionen Muslime in Deutschland konsumieren Zeitung, Radio, TV und zahlen Rundfunkgebühren. Nun sollen erstmals Muslime einen Sitz im Medien-Kontrollgremium des Südwestrundfunks bekommen.

Fernbedienung zeigt auf ein TV-Gerät. Foto: dpa/ Gareth Fuller
Bild: picture-alliance/dpa

Der SWR soll die erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Deutschland sein, in deren Aufsichtsgremium ein Islam-Vertreter einen Sitz bekommt. Das hat die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg angekündigt. Mit der Änderung des SWR-Staatsvertrages soll die Kontroll-Instanz auf einen "zeitgemäßen" Stand gebracht werden, sagte ein Regierungssprecher in Stuttgart.

Rundfunkrat als oberste Kontrollinstanz

In Deutschland werden die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten jeweils von Rundfunkräten überwacht. Sie sollen verhindern, dass der Rundfunk wie in der Nazi-Zeit zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden kann. Die Mitglieder des Rates wachen darüber, dass Informationsfreiheit und Meinungsvielfalt gewahrt werden. Daher sollen in den Rundfunkräten Menschen jeden Alters und aus den verschiedensten Gruppen präsent sein. Das Aufsichtsgremium des SWR ist das größte innerhalb des Zusammenschlusses öffentlich-rechtlicher Sender (ARD), die durch Rundfunkgebühren finanziert werden.

Die Landesregierung in Stuttgart will mit dem Gesetzentwurf auch Umweltverbände stärken. Dagegen sollen die Freikirchen und der Bund der Vertriebenen künftig ihre Präsenz im SWR-Rundfunkrat verlieren. Omid Nouripour, im Iran geboren, bekennender Muslim und für die Grünen Mitglied im Bundestag, hält die Entscheidung für klug. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er: "Ein Rundfunkrat eines Senders, der aus Steuermitteln finanziert wird, sollte dazu beitragen, dass möglichst viele Perspektiven in die Arbeit einfließen."

Omid Nouripour, Abgeordneter Bündnis 90/Die GrünenBild: Omid Nouripour MdB - Bündnis 90/Die Grünen

Den Einfluss eines Einzelnen in dem Gremium mit 74 Mitgliedern hält Nouripur jedoch für begrenzt. Und obwohl die Muslime aufgrund ihrer zahlreichen Nationalitäten und Strömungen eine heterogene Gruppe darstellten, sei es wichtig, dass ihre Sichtweise gehört werde. Nouripur hofft, dass auch andere Sender  Muslimen eine solche Möglichkeit der Mitwirkung einräumen. Eine Stimme könne wichtig sein, wenn es darum gehe, die mangelnde Ausgewogenheit in der Berichterstattung zu reklamieren, sagte der Politiker.

Das Klischee von Migranten in den Medien

Einer 2008 erschienenen Studie des Medienforschungsinstituts Media Tenor zufolge finden Migranten in den Medien überwiegend als Kriminelle oder Opfer politischer Kriminalität Erwähnung. Andererseits waren jahrzehntelang Satellitenschüsseln an von Ausländern bewohnten Häusern ein Indiz für den Konsum der jeweiligen Heimatsender.

Fremdklingende Namen auf Deutschlands TV-Kanälen

Fast 60 Jahre nach der ersten Zuwanderungswelle nach Deutschland haben die Verantwortlichen erkannt, dass es bei der Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien einer Korrektur bedarf und dass den Redaktionen bei der Integration von Migranten eine bedeutende Rolle zukommt. Das dürfte auch im Interesse der Wirtschaft sein, machen doch die annähernd 16 Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ein beträchtliches Potenzial als Empfänger von Werbebotschaften aus.  

Mit dem Nationalen Integrationsplan von 2007 haben sich die Medien zu verstärkten Integrationsmaßnahmen verpflichtet. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) verweist darauf, dass jeder fünfte neu eingestellte Mitarbeiter aus einer Migrantenfamilie stammt. Auch Omid Nouripour hat zur Kenntnis genommen, dass die Sender zunehmend Journalisten mit Migrationshintergrund beschäftigen. So werden die Zuschauer des ZDF-Morgenmagazins von der irakischstämmigen Dunya Hayali, von Mitri Sirin, der türkisch-syrische Wurzeln hat und von Cherno Jobatey, Sohn eines gambischen Vaters, begrüßt. Die ARD setzt auf Till Nassif, dessen Vater aus Syrien einwanderte. Mit Nazan Eckes, geborene Üngör, macht die Tochter türkischer Einwanderer beim Privatsender RTL Karriere. In der Vorabendserie "Türkisch für Anfänger" nahm ein türkischstämmiger Autor die multikulturelle Gesellschaft in Berlin aufs Korn.

ZDF-Gesicht: Dunja HayaliBild: picture-alliance/dpa

Das Angebot zeigt Wirkung: 76 Prozent der Migranten interessieren sich für das deutschsprachige Angebot, 45 Prozent schalten auch Programme in ihrer Muttersprache ein. Der Umfrage des Grimme-Instituts zufolge konsumiert nur noch eine Minderheit der älteren Migranten ausschließlich heimatsprachige Programme.

Multikulti-TV-Familie von "Türkisch für Anfänger"Bild: picture-alliance/dpa

Um Zuschauer der deutschen und ausländischen Kulturen gleichermaßen anzusprechen und für das muslimische Leben zu sensibilisieren, strahlt der Digitalkanal ZDFinfo das "Forum am Freitag" aus. Einige öffentlich-rechtliche Hörfunksender produzieren mit einem Multikulti-Team bei "Funkhaus Europa" ein Radioprogramm in 14 Sprachen.

Prof. Karl-Heinz Meier-Braun, SWR internationalBild: SWR/Alexander Kluge

Sendungen von Muslimen für Muslime

Im ´Islamischen Wort´räumt der Südwestrundfunk über sein Internetradio "SWR cont.ra" Muslimen einmal im Monat die Möglichkeit ein, über ihren Glauben zu reden. Karl-Heinz Meier-Braun, Leiter der Fachredaktion "SWR International" und Integrationsbeauftragter des Senders erinnert sich an die anfängliche Kritik: "Am Anfang gab es einen Riesenaufschrei, nicht von den Normal-Bürgern, sondern von der Politik. Wir wurden sogar als Islam-Sender beschimpft." Als dann aber die Sendung ausgestrahlt wurde, gab es Lob von allen Seiten. "Man muss in dem Bereich Mut haben, zeigen, dass das normal ist und die Leute haben Anspruch darauf. Jetzt wird das 'Islamische Wort' als Pionierleistung bei der Integration anerkannt", sagt Meier-Braun stolz.                 

In Islam-Wochen habe sein Sender über die Programme und Veranstaltungen schon dazu beigetragen, über die Religion aufzuklären. Dennoch müssten die Medien weiter daran arbeiten, dass das negative Bild des Islam, das immer noch "herumschwirre", abgebaut werde, so Meier-Braun.

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