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Politik

Muslime in Assam unerwünscht?

Murali Krishnan
31. Juli 2018

Mehr als vier Millionen Einwohner im indischen Bundesstaat Assam finden ihre Namen nicht auf einer vorläufigen Meldeliste. Kritiker vermuten einen gezielten Angriff auf Muslime. Murali Krishnan aus Neu Delhi.

Indien Assam Registrierung  National Register of Citizens
Bild: Reuters/A. Hazarika

Die schlimmsten Befürchtungen von Mohammed Haq, einem Fischer aus dem Bundesstaat Assam, wurden am Montag wahr. Der 56-Jährige musste feststellen, dass sein Name nicht auf der vorläufigen Liste des Nationalen Bürgerregister (NRC) steht. "Ich mache mir Sorgen und bin verärgert. Ich habe alle notwendigen Dokumente bei den Behörden eingereicht. Und trotzdem fehlt mein Name auf der Liste", sagte Haq der Deutschen Welle.

Der Zimmermann Rubul Ali aus dem Bezirk Lakhimpur in Assam steht vor einem ähnlichen Problem. Er reiste nach Guwahati in die Hauptstadt des Bundesstaats, um herauszufinden, dass auch sein Name auf der Liste fehlt. "Bin ich nun staatenlos? Stecken Sie mich nun ein Internierungslager? Auch keines meiner Familienmitglieder steht auf der Liste", sagte er der Deutschen Welle.

Allgegenwärtig sind Chaos und Verwirrung seit Montag im nordöstlichsten Bundesstaat, der an Bangladesch grenzt. Mehr als vier Millionen Menschen vermissen ihre Namen auf der Liste des Nationalen Bürgerregisters.

Anstehen für die Registrierung in AssamBild: Reuters

"Illegale Migranten"

Wenige Tage vor Veröffentlichung der Meldeliste hat die Regierung Tausende Sicherheitskräfte in die Region verlegt, um jede Gegenreaktion vorzubeugen. Die Liste, die am Montag von Indiens Leiter der Zensus-Behörde vorgelegt wurde, hat alle Personen ausgeschlossen, die nicht in der Lage waren, nachzuweisen, dass ihre Eltern vor März 1971 in Assam gelebt haben.

Am 25. März 1971 begann der Krieg zwischen Pakistan und Ostpakistan, in den Indien auf der Seite Ostpakistans eingriff. Pakistan verlor den Krieg, aus dem Ostpakistan als unabhängiger Staat Bangladesch hervorging. Millionen muslimische Bengalen flohen damals vor dem Krieg über die Grenze ins indische Assam.

Die Mehrheit der Einwohner Assams sind dennoch Hindus. Mit 34 Prozent hat Assam nach dem mehrheitlich muslimischen nordindischen Bundesstaat Jammu und Kashmir den zweithöchsten muslimischen Bevölkerungsanteil aller indischen Bundesstaaten. In mehreren Distrikten stellen Muslime die Bevölkerungsmehrheit.

Hier gibt es seit Jahren soziale und kommunale Spannungen und Kampagnen gegen "illegale Migranten". Die hindu-nationalistische Partei BJP von Premierminister Narendra Modi befürwortet seit langem die Ausweisung von Migranten aus Bangladesch.

Anfang des Jahres wurden bereits Teile des Bürgerregisters in Assam vorgestellt (Archivbild) Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/D. Talukdar

Aufruhr im Parlament

Die Oppositionsparteien im Parlament haben das umstrittene Thema aufgegriffen und der BJP vorgeworfen, die indische Gesellschaft zu spalten. "Die BJP verfolgt eine Teile-und-herrsche-Politik. So viele Menschen von der Liste zu streichen, das passiert mit Blick auf die allgemeinen Wahlen 2019", so der Vorwurf. Mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft würden sie auch das Wahlrecht verlieren.

Viele Einwohner Assams protestieren seit langem gegen "Ausländer", und zwar sowohl Hindus als auch Muslime. 2016 stellte die BJP die Regierung im Bundesstaat Assam mit insgesamt 31 Millionen Menschen und gelobte, gegen "Fremde" vorzugehen. Sie versprach, alle "illegalen Bangladeschis" abzuschieben. Zugleich will die BJP nichts von einer systematischen Vertreibung von Migranten wissen.

Beschwichtigungsversuche

Der Vorsitzende der indischen Zensus-Kommission erklärte, dass all diejenigen, die nicht auf der Registerliste vermerkt sind, das Recht haben, Widerspruch einzulegen. Die Beschwerden müssten allerdings zwischen dem 30. August und dem 28. September eingehen. Er versprach zugleich, dass kein Bürger seine Rechte verlieren würde, wenn er rechtmäßigen Anspruch habe. "Einige Menschen versuchen ohne Not Ängste zu schüren. Es handelt sich nur um eine vorläufige Liste, nicht die endgültige", sagte Indiens Innenminister Rajnath Singh.

Doch nicht jeder glaubt den Beschwichtigungsversuchen der Regierung. Die Menschenrechtsorganisation "Rights and Risks Analysis Group" bezeichnet die Veröffentlichung der Liste als die größte Entrechtung in der Geschichte der Menschheit.

"Die Regierung stigmatisiert eine riesige Gruppe. Wollen Sie sie deportieren? Oder in Lager stecken?", fragt im Gespräch mit der Deutschen Welle Mahua Moitra, Abgeordnete der Oppositionspartei Trinamool Congress im ostindischen Bundesstaat Westbengalen.

Seit 2017 haben schätzungsweise 700.000 Rohingya ihre Heimat Myanmar verlassenBild: picture-alliance/NurPhoto/ R. Asad

Rohingya als abschreckendes Beispiel

In mancherlei Hinsicht erinnert das Vorgehen der indischen Regierung an die zweite gewaltige Flüchtlingskrise in Südasien, nämlich den Fall der muslimischen Minderheit Rohingya, die zu hunderttausenden aus Myanmar nach Bangladesch geflüchtet sind. Die Rohingya werden ebenfalls in Myanmar nicht als Staatsbürger anerkannt. Als Staatenlose haben sie keine Rechte. Sie gelten nicht als ethnische Minderheit, sondern als illegale Migranten, sogenannte "Bengalis".

Das Fehlen staatsbürgerlicher Rechte gilt aus Sicht von Menschenrechtsgruppen und der UN als zentrales Problem, um den Konflikt in Myanmar zu lösen. Es besteht zumindest die Gefahr, dass die indische Regierung mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft eine Konstellation schafft, die die Spannungen und das Konfliktpotenzial in Assam weiter erhöht.