Muslimische Unruhen mit Todesopfern
7. Februar 2006Die dänische Regierung hat angesichts der anhaltenden Proteste gegen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen die in Indonesien lebenden Dänen zum Verlassen des Landes aufgefordert. Botschafter Geert Aagaard Anderson erklärte am Dienstag (7.2.2006), das Außenministerium empfehle allen Dänen Indonesien zu verlassen. Diejenigen, die Reisen nach Indonesien planten, sollten sie verschieben. Es gebe keine angemessenen Sicherheitsvorkehrungen in Indonesien, sagte Anderson mit Bezug auf die Angriffe auf dänische Einrichtungen.
Auf den Philippinen verbrannten mehrere hundert aufgebrachte
Muslime am Dienstag eine dänische Flagge. Die Karikaturen, die erstmals im September vergangenen Jahres in einer dänischen Zeitung erschienen waren, seien eine Gotteslästerung, die nicht so schnell vergessen werde, sagte einer der Führer der Demonstranten, Sammy Maulana.
Iran
In Teheran warfen am Montag hunderte Demonstranten Steine und Brandbomben auf die dänische Botschaft. Die iranische Polizei umstellte die dänische Landesvertretung in Teheran. Bäume auf dem Botschaftsgelände fingen Feuer. Die Polizei setzte Tränengas ein, die Demonstranten flüchteten in einen Park. Mindestens neun von ihnen wurden nach offiziellen Angaben verletzt.
Zuvor hatten etwa 200 junge Demonstranten Steine auf die österreichische Botschaft geworfen und Brände gelegt. Sie verbrannten auch deutsche, dänische und französische Flaggen. Die österreichische Regierung in Wien bestellte den iranischen Botschafter ein und protestierte gegen die Attacken.
Afghanistan
Vor dem US-Luftwaffenstützpunkt im afghanischen Bagram wurden nach Angaben der örtlichen Behörden zwei Demonstranten erschossen, als Polizisten rund 2000 Protestierende mit Schüssen am Vordringen auf das Gelände hindern wollten. In Mehtarlam erschoss die Polizei mindestens einen Demonstranten, nachdem ein Mann aus der Menge heraus Schüsse auf die Beamten abgegeben hatte.
Iran, Irak, Ägypten, Indien, Somalia und Libanon
Die iranische Regierung hat am Montag den sofortigen Abbruch aller Handelsbeziehungen mit Dänemark angeordnet. In der südirakischen Stadt Kut forderten 4000 Demonstranten ein Ende der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten, in denen die Karikaturen gedruckt wurden und riefen zu einem Boykott ihrer Produkte auf. In Kairo protestierten mehrere tausend Studenten, in Neu-Delhi ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen hunderte Menschen vor. In Bossaso in Somalia wurde ein Jugendlicher getötet, als die Polizei eine protestierende Menge mit Schüssen in die Luft zerstreuen wollte. In der libanesischen Hauptstadt Beirut erlag einer der Männer, die am Vortag das dänische Konsulat gestürmt und in Brand gesetzt hatten, nach Angaben der Polizei seinen schweren Kopfverletzungen. Aufgebrachte Muslime demonstrierten auch in Indonesien, Thailand, auf den Philippinen und in den Palästinensergebieten gegen die Karikaturen, die von Muslimen als Lästerung empfunden werden.
Jordanien und Tschetschenien
Eine Mehrheit der jordanischen Abgeordneten forderte die Regierung auf, alle Abkommen mit Ländern, die die Karikaturen veröffentlichten, umgehend zu kündigen. In einem Memorandum verlangten sie außerdem einen Boykott von Produkten aus diesen Ländern und ein Importverbot, wie die amtliche Nachrichtenagentur Petra berichtete. Tschetschenien kündigte unterdessen ein Verbot aller dänischen Organisationen im Land an. Die Karikaturen hätten den Islam beleidigt und mit den Gefühlen von 1,5 Milliarden Menschen gespielt, sagte der amtierende Ministerpräsident Ramsan Kadyrow. Betroffen wäre auch der Dänische Flüchtlingsrat, der 250.000 Menschen im Nordkaukasus mit Nahrungsmitteln versorgt - die meisten von ihnen in Tschetschenien.
EU-Protest
Die EU schrieb an 18 arabische und andere muslimische Länder, dass sie nach internationalem Recht verpflichtet seien, ausländische Vertretungen zu schützen. Der Generalsekretär des Europarats kritisierte die Veröffentlichung der Karikaturen in europäischen Zeitungen. Zugleich verurteilte Terry Davis die gewaltsamen Protestaktionen. Die Botschafter der 25 EU-Mitgliedsstaaten haben in Brüssel zur Ruhe aufgerufen. Es müsse zum Dialog zurückgekehrt werden, um "der Spirale der Uneinigkeit und der Gewalt zu entkommen", sagte eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Javier Solana.
Entschuldigungen
Das Weiße Haus in Washington verurteilte die Gewalt und forderte alle Beteiligten auf, sich um eine Entspannung zu bemühen. Die libanesische Regierung entschuldigte sich derweil bei Dänemark für den Brandanschlag auf das Botschaftsgebäude in Beirut. Mehrere tausend Demonstranten hatten das Gebäude gestürmt, in dem die dänische Landesvertretung untergebracht ist, und in anderen Büros in unteren Stockwerken Feuer gelegt. Mindestens ein Mensch wurde getötet. Die syrische Regierung entschuldigte sich bei Chile wegen der Verwüstung der chilenischen Botschaft in Damaskus, die im selben Gebäude untergebracht ist wie die dänische Botschaft. Das Gebäude wurde am Samstag in Brand gesteckt. (kap/stl)