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Kriminalität

Mutmaßliche Neonazis machen mobil

14. März 2019

Sie geben sich Namen wie "NSU 2.0" und bedrohen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Die Linken-Politikerin Martina Renner warnt vor diesen "neuen rechten Rassisten" - und wird bedroht.

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Bild: Imago/R. Wölk

"Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nannte sich die Terrorgruppe, die 2011 nach 13 Jahren im Untergrund aufflog und sich in einem Video für ihren tödlichen Fremdenhass selbst feierte. Zehn Morde und zwei Bombenanschläge mit über 20 Verletzten verübte der NSU seit der Jahrtausendwende. Dafür wurde die Hauptangeklagte Beate Zschäpe am 11. Juli 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Anfang August erhielt Seda Başay-Yildiz ein Fax, in dem sie rassistisch beleidigt und mit dem Tode bedroht wird. Der Absender: "NSU 2.0". Die Rechtsanwältin vertrat im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht Angehörige eines NSU-Opfers. Im Januar erhielt Başay-Yildiz einen zweiten Drohbrief. Die unbekannten Verfasser könnten Staatsdiener sein. Gegen mehrere Polizeibeamte aus Frankfurt am Main wird ermittelt. Fälle wie dieser sind es, die der Bundestagsabgeordneten Martina Renner zunehmend Sorge bereiten. Fälle, bei denen die mutmaßlichen Täter nicht ins "klassische Bild der Neonazis" passten, sagt die Linken-Politikerin im DW-Interview.

Eine Droh-Mail von der "Nationalsozialistischen Offensive"

Renner denkt an Soldaten, Reservisten, Polizisten, Rechtsanwälte und Politiker. Sie verweist auf weitere Verdachtsfälle: den Oberleutnant Franco A., das mutmaßlich rechte Bundeswehr-Netzwerk mit dem Tarnnamen "Hannibal". Und zugleich habe man es mit einem "Revival" bekannter militanter Organisationen wie Blood & Honour oder Ku-Klux-Klan zu tun. Die Anderen, die Unscheinbaren nennt sie die "neuen rechten Rassisten".

Brennende Kreuze und Hakenkreuze gehören zu den Ritualen des rassistischen Ku-Klux-Klans (Archivbild) Bild: Picture-Alliance/AP Photo/J. Bazemore

Am vergangenen Dienstag hat Renner selbst eine Mail erhalten - einen Tag nach ihrem Geburtstag. Darin droht eine "Nationalsozialistische Offensive", Briefbomben zu verschicken und Menschen "auf offener Straße zu exekutieren". Hass und Anfeindungen ist die Linken-Politikerin seit vielen Jahren gewohnt. In der rechten Szene ist sie eine Reizfigur, weil sie zu den engagiertesten Abgeordneten im Kampf gegen Neonazis und Rassismus gehört. Sie war Mitglied in mehreren NSU Untersuchungsausschüssen, unterstützt aber auch außerparlamentarische Initiativen gegen rechts. 

Rechtsextremisten horten Waffen und Rohrbomben

Die jüngste Mail nimmt Renner sehr ernst. Sie wisse, dass solche Drohungen und Einschüchterungen zum "Repertoire" der extremen Rechten gehören. Ihre größte Sorge: Es könnte Netzwerke geben, "die irgendwann vom Wort zur Tat schreiten". Das habe man beim NSU gesehen. Aber auch bei denen, "die erst gegen Flüchtlinge hetzen und dann die Unterkünfte anzünden". Außerdem seien bei Neonazis noch nie so viele Waffen in Umlauf gewesen: Rohrbomben und scharfe Munition. Wer so etwas horte, der gehe damit nicht zum Spielen in den Wald, "sondern der bereitet sich auch auf Anschläge vor".

Martina Renner über alte und neue Neonazis

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Laut Medienberichten ist Martina Renner nur eine von Vielen, die in letzter Zeit in E-Mails bedroht wurden. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" und des "Norddeutschen Rundfunks" sollen den Strafermittlern schon im Januar 78 Drohbriefe bekannt gewesen sein. Betroffen waren demnach außer Politikern und Anwälten auch Journalisten und der Zentralrat der Juden.

Martina Renner und andere Personen des öffentlichen Lebens, die bedroht werden, erhalten bei Bedarf mehr oder weniger diskreten Polizeischutz. Andere hätten diesen Schutz aber nicht, sagt die Linken-Abgeordnete. Leute, die in Flüchtlingsinitiativen engagiert seien oder in alternativen Stadtteil-Projekten. Viele von ihnen fühlten sich von der militanten und gewalttätigen Entwicklung in Deutschland massiv bedroht. Als Beispiel nennt Renner die Ausschreitungen in Chemnitz nach der tödlichen Messer-Attacke auf einen Deutschen im Sommer 2018.

NSU - "Da ist kein Wille mehr zur Aufklärung"

Von Polizei und Justiz wünscht sich Renner schon lange mehr Elan im Kampf gegen Rechtsextremismus. Allerdings ist sie skeptisch, auch bei der weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes. Nach dem Ende des Prozesses gegen die Terrorgruppe rechnet Renner nicht mit weiteren Strafverfahren. Zwar ermittelt die Bundesanwaltschaft seit vielen Jahren gegen neun weitere Beschuldigte aus dem NSU-Umfeld. Für eine Anklage hat es bisher jedoch nicht gereicht. "Da ist keine Wille mehr zur Aufklärung", befürchtet Renner.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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