1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Auftraggeber von Mord an Moïse festgenommen

12. Juli 2021

Der aus Florida eingereiste Arzt wollte laut Haitis Polizei die Präsidentschaft in dem verarmten Karibikland an sich reißen. Dort ist der Streit um die Macht keinesfalls beigelegt.

Haitis Polizeichef Léon Charles gibt in Port-au-Prince die Festnahme des mutmaßlichen Mord-Auftraggebers bekannt
Haitis Polizeichef Léon Charles gibt in Port-au-Prince die Festnahme des mutmaßlichen Mord-Auftraggebers bekanntBild: AFP via Getty Images

Haitis Nationalpolizei hat nach eigenen Angaben einen mutmaßlichen Drahtzieher des Mordes am Präsidenten Jovenel Moïse festgenommen. Es handelte sich um einen 63 Jahre alten haitianischen Arzt, der im US-Bundesstaat Florida wohnt, wie Interims-Polizeichef Léon Charles in einem Pressebriefing sagte. Der Mann sei vor kurzem in einem Privatflugzeug nach Haiti gekommen, um die Präsidentschaft an sich zu reißen.

Kolumbianer über venezolanische Sicherheitsfirma angeheuert

Der Arzt werde beschuldigt, die als Attentäter verdächtigten kolumbianischen Söldner über eine venezolanische, private Sicherheitsfirma mit Sitz in Florida angeheuert zu haben, hieß es von der Polizei. Er sei der Erste gewesen, den diese nach dem Attentat angerufen hätten. In seiner Wohnung seien Beweise gefunden worden. Der Mann habe mit zwei weiteren Hintermännern Kontakt gehabt. Er ist der dritte US-Bewohner haitianischer Herkunft, und der 21. Mann insgesamt, der als Tatverdächtiger nach dem Mordanschlag festgenommen worden ist. Auch die anderen beiden lebten Berichten zufolge in Florida, das nur rund 1000 Kilometer von Haiti entfernt liegt.

Interims-Ministerpräsident Claude Joseph bei einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag Bild: Joseph Odelyn/AP Photo/picture alliance

Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seiner Residenz überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau wurde schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei führten 26 Kolumbianer und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft den Mord aus. Sie hätten sich als Agenten der US-Anti-Drogenbehörde DEA ausgegeben. Drei der Kolumbianer wurden demnach getötet, nach den übrigen fünf wurde noch gefahndet. Die Hintergründe der Tat blieben bisher unklar. Für Spekulationen sorgte unter anderem, dass die Wächter des Präsidenten anscheinend keinen Widerstand leisteten.

Interims-Premierminister Claude Joseph führt seit dem Mord die Regierung, obwohl Moïse noch am vergangegenen Montag den Neurochirurgen und Ex-Innenminister Ariel Henry zu dessen Nachfolger ernannt hatte. Henry sagte in einem Interview, aus seiner Sicht sei er der wahre Interims-Premierminister. Der Senat wählte seinen Präsidenten Joseph Lambert, der Henry unterstützt, am Freitag zum Interims-Staatschef. Das Parlament ist jedoch seit Anfang 2020 nicht beschlussfähig, nachdem eine Wahl ausgefallen war und die Amtszeiten der meisten Abgeordneten abliefen. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs starb vor wenigen Wochen an den Folgen von COVID-19. Für den 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen geplant.

Senatspräsident Joseph Lambert ist seit Freitag der Interims-Staatschef von HaitiBild: HECTOR RETAMAL/AFP/Getty Images

Die internationale Gemeinschaft hat Claude Joseph, der auch Außenminister ist, bisher als Ansprechpartner anerkannt. Dessen Regierung bat die Ex-Besatzungsmacht USA, Truppen zu schicken, um für Sicherheit zu sorgen und Infrastruktur zu schützen. Die Bitte werde geprüft, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Der Fokus liege derzeit aber darauf, bei den Ermittlungen zu helfen, sagte er dem Sender Fox News.

Interims-Präsident empört über Interims-Premier

Dafür wurden hochrangige Beamte unter anderem der US-Bundespolizei FBI und des Heimatschutzministeriums nach Haiti geschickt. Diese trafen sich am Sonntag nach Angaben von Lambert auch mit ihm. Gemeinsam habe man seine Wahl zum Übergangspräsidenten gewürdigt und die nächsten Schritte besprochen, schrieb er bei Twitter. Kurz darauf twitterte Lambert, er sei empört: Joseph habe seinen Rivalen Henry vor der US-Delegation verleumdet und beleidigt.

Brennende Autoreifen als Symbol für die gewaltvolle Atmosphäre in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince Bild: Estailove St-Val/Reuters

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hatte auch eine baldige Lieferung von Impfstoff gegen das Coronavirus angekündigt - daran fehlt es in Haiti, dem ärmsten Land des amerikanischen Kontinents, bislang komplett. Die Fallzahlen stiegen dort zuletzt deutlich. Proteste gegen Moïse, der seit 2017 im Amt war, hatten Haiti zuletzt immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption, Verbindungen zu brutalen Banden und autokratische Tendenzen vorgeworfen. Im Februar ernannten Oppositionsparteien einen Übergangspräsidenten, weil aus ihrer Sicht Moïses Amtszeit abgelaufen war. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt mehr als 14.000 Menschen in die Flucht.

sti/ehl (dpa rtr)