Das Militärregime in Myanmar drängt auf Wahlen
24. November 2025
Entschlossen treibt die Militärjunta von Myanmar die für den kommenden Dezember geplanten Parlamentswahlen voran. Die erste Wahlphase soll am 28. des Monats beginnen - und das, obwohl die Junta weiterhin geschwächt ist: Trotz einiger militärischer Erfolge kontrolliert sie längst noch nicht das gesamte Land. Wenn sie die Wahlen trotzdem durchführen will, dann ganz wesentlich aus einem Grund: Sie erhofft sich von ihnen internationale Legitimität.
Seit dem Militärputsch von 2021, bei dem das Militär - das sogenannte Tatmadaw - die Macht an sich riss, befindet sich Myanmar im Bürgerkrieg. Seitdem hat die Junta große Teile des südostasiatischen Landes an prodemokratische Guerillas und mächtige bewaffnete Gruppen ethnischer Minderheiten verloren.
Während die regierenden Generäle die Wahlen als Weg zur Versöhnung preisen, haben die Rebellen angekündigt, die Abstimmung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu boykottieren.
Menschenrechtsgruppen verurteilen die Wahlen als Vorwand, mit dem das Militär versuche, sich an der Macht zu halten.
Unterschiedliche Reaktionen
Die internationalen Reaktionen auf dieses Vorhaben sind unterschiedlich. Während der südostasiatische Regionalblock ASEAN eine abwartende Haltung einnimmt, unterstützen die asiatischen Wirtschaftsmächte China und Indien den Plan der Junta.
Die bevorstehenden Wahlen würden die drängenden Probleme der myanmarischen Bevölkerung aller Voraussicht nach nicht lösen, sagt ein auf Anonymität bestehender, in der ehemaligen Hauptstadt Yangon (früher Rangun) stationierter Diplomat eines ASEAN-Landes der DW. "Die Wahlen dienen der Militärjunta vermutlich dazu, ihre Herrschaft zu verlängern. Dabei missbraucht sie die militärnahe USDP (Partei für Solidarität und Entwicklung der Union) als politisches Sprachrohr", so der Diplomat.
"Darüber hinaus dürfte es schwierig sein, in Myanmar politische Stabilität zu erreichen", so der Diplomat weiter. "Denn wichtige Oppositionsgruppen sind entweder von den Wahlen ausgeschlossen oder dürfen aufgrund von Repressionen oder Sicherheitsbedenken nicht teilnehmen."
Unterstützung für die bevorstehenden Wahlen hätten nur eine Handvoll Länder bekundet, sagt Khin Zaw Win, Direktor des Tampadipa-Instituts in Yangon, das sich auf politische Interessenvertretung und Kapazitätsaufbau konzentriert. Dabei handele es sich um solche, die die Junta "geschlossen unterstützen", so etwa China, Russland, Indien und Belarus. Diese Länder stellten ihre eigenen Interessen über die Aussicht auf Demokratie in Myanmar, so Khin Zaw Win. "Seit 2021 hat Indien die Versprechen des Junta-Chefs fraglos akzeptiert ", so Khin Zaw Win. Auch China wolle es sich mit der Junta nicht verscherzen.
Militär erzielt Gebietsgewinne
Um von den Oppositionskräften kontrollierte Gebiete zurückzuerobern, hat das Militär im Vorfeld der Wahlen seine Offensive verstärkt.
So konnte es in den vergangenen sechs Monaten im nördlichen Shan-Staat entlang einer wichtigen, Zentralmyanmar mit China verbindenden, Fernstraße bedeutende Gebietsgewinne erzielen, darunter Lashio, einen strategisch wichtigen Armeestützpunkt im Nordosten. Nachdem China Gespräche mit einer einflussreichen ethnischen Rebellengruppe vermittelt hatte, schloss das Militär im Oktober mit dieser ein Abkommen. Auf dieser Basis konnte es die Kontrolle über weitere Städte zurückerlangen, darunter Mogok, ein Zentrum des Rubinabbaus in der Region Mandalay.
Auch andernorts verbuchte die Junta Gebietsgewinne. Diese markieren eine Trendwende gegenüber den schweren Verlusten während der "Operation 1027", einer großangelegten gegen die Junta gerichteten Offensive, die ein Bündnis ethnischer bewaffneter Gruppen Ende 2023 gestartet hatte.
China hatte sich zudem im Januar und Februar 2024 als Vermittler für Waffenstillstände eingeschaltet. Allerdings vermittelt Peking nicht nur, sondern liefert der Junta auch in größerem Stil Drohnen und Flugzeuge. Diese Waffen spielen im Kampf gegen bewaffnete Gruppen eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig ist allerdings bekannt, dass China im Rahmen seiner wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen auch einige Oppositionsgruppen in Myanmar unterstützt.
"Die Junta glaubt nun, die meisten Gebiete des Landes zu kontrollieren. Sie fühlt sich in der Lage, die Wahlen abzuhalten, und tut es darum auch", sagt Zaw Naing (Name geändert), ein 33-jähriger Einwohner des Kachin-Staates, der DW.
"Die Junta hat in der aktuellen Situation keine Legitimität. Deshalb will sie eine zivile Regierung etablieren, die aus den Wahlen hervorgehen soll", fügte er hinzu. "Gelänge dies, würde es China erleichtern, die Projekte der Junta umzusetzen."
Hoffnung auf Ende des Bürgerkriegs
Seit Beginn des Bürgerkriegs in Myanmar im Februar 2021 wurden auf beide Seiten zehntausende Menschen getötet. Über 3,3 Millionen Zivilisten wurden vertrieben.
Der Konflikt, bei dem Handelsrouten zerstört wurden und der eine Wirtschaftskrise ausgelöst habe, sei verantwortlich für das weitverbreitete Leid, sagt Zaw Naing. Daher habe die Bevölkerung kein Interesse an den bevorstehenden Wahlen und verknüpfe mit ihnen auch keine positiven Erwartungen. Sie wünsche sich einfach nur, dass der Bürgerkrieg und die zahlreichen Krisen des Landes endeten.
"Wenn diese Situation zu einem tragfähigen Ausweg - also einer zivilen Regierung - führte, würden die Menschen dies sicherlich begrüßen", so Zaw Naing.
Ein auf seiner Anonymität bestehender Anti-Junta-Aktivist aus dem Shan-Staat erwartet allerdings die gegenteilige Entwicklung. Das Militär werde seine Repression nach den Wahlen wahrscheinlich verschärfen. Die größte Last werde mehr und mehr die Zivilbevölkerung tragen.
"Die Zeit nach der Wahl ist noch beängstigender", sagt der Aktivist im DW-Gespräch. "Ich gehe davon aus, dass das Militär noch mehr außergerichtliche Verfahren starten und noch mehr Personen willkürlich verhaften wird. Die Militärs waren schon vorher brutal. Doch jetzt könnte es noch schlimmer werden", fürchtet er. "Wenn sie die ethnischen bewaffneten Organisationen und die Volksverteidigungskräfte nicht mehr besiegen können, werden sie meiner Meinung nach verstärkt Zivilisten ins Visier nehmen."
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.