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Mythische Poesie - Das Rheingold in Dresden

8. Oktober 2001

Die Aufführung von Richard Wagners Oper "Das Rheingold" ist in Dresden ein besonderes Ereignis. Sie ist die erste seit dem Zweiten Weltkrieg.

SzenenfotoBild: Erwin Döring

Dresden hat mehr als einen symbolischen Bezug zu Richard Wagner. Der hatte hier selbst als Hofkapellmeister den Taktstock geschwungen, bevor er sich den Revolutionären anschloss und 1849 auf die Barrikaden ging. Jetzt ist Wagners "Wunderharfe" wieder erklungen – so hatte der Komponist damals die Staatskapelle der Oper tituliert.

In Semyon Bychkov fand der Intendant der Semperoper, Christoph Albrecht, einen musikalischen Leiter, der sich den großen Anforderungen von Wagners Opernmusik gewachsen zeigte. Zum Vorteil gereichte Bychkov, dass er kein Wagner-Routinier ist und die Erwartungen an erfrischende, neue Zugänge zum Meisterwerk nicht enttäuschte. Offen, licht im Klang und mit "messerscharfer Kontrapunktik" interpretierte Bychkov die Rheingold-Partitur.

"Es ist eine Wagner-Sicht durch die Brille Schostakowitschs. Ein Wagner voller Energie und Brio, der nirgends genüsslich auf der Stelle tritt, sondern dem Stakkato der Handlung mit chronistenhafter Schärfe folgt", analysiert Michael Struck-Schloen vom Kölner Stadtanzeiger Bychkovs Auslegung.

Die Dresdner, die Wagners Musik so lange entbehren mussten, waren begeistert.

Das Rheingold

Die Ouvertüre im "Rheingold" hat Richard Wagner als "Wiegenlied der Welt" konzipiert, als mythischer, in sich ruhender Anfangsmoment, aus dem heraus sich das Gleichnis über den Anfang und das Ende der Welt entwickelt. Der tiefe Es-Ton der Hörner, der als erster im "Rheingold" ertönt, ist "ein Urmoment ... aus dem sich im musikalischen Sinn ein ganzer Kosmos entfaltet." Bychkov, den das "Schwebende" an Wagners Opernmusik fasziniert, entdeckt in der gesamten Struktur des "Rheingold" dieses Entfaltungsmotiv, erst im einzelnen Ton, der wellenförmig klingt, und der dann in den Stimmen der Rheintöchter seine Fortsetzung findet.

In den Bühnenbildern der Dresdner Inszenierung tritt das Parabelhafte des Wagnerschen Mythos wieder hervor, wie Julia Spinola in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt:

"Reihen über Reihen samtbeschlagener Stühle füllen die Bühne, wellen sich hinter dem dunklen Gazevorhang sacht zu jenem flutenden Urelement, in dem alles Weitere seinen Grund hat. Ins gleichförmige Es-Dur-Wogen des Vorspiels mischt sich sodann das Geächze der ersten dramatischen Anstrengung. Ein leerer, weißer Bühnenkasten schiebt sich nur allzu vernehmlich über die Stuhlreihen gen Horizont. Erda zieht den Schleier auf, die Töchter hopsen in den Guckkasen, Männer bringen ihnen die Nixenkostüme ..."

Der Ring

Willi Decker kam es darauf an, den "Ring des Nibelungen" von ideologischen Verhärtungen zu befreien, dafür die "mythische Poesie" und die philosophischen Freiräume freizulegen. Regiekonzept, Bühnenbild- und Kostümideen entwickelten sich vor dem Hintergrund einer "immer offenen und stets neu zu schaffenden Interpretierbarkeit" von Wagners Werk.

Erst der Umbau des Operngrabens im Jahre 1996 schuf die Voraussetzungen für eine Ring-Aufführung an der Semperoper. Die Neubearbeitung des 16-stündigen Monumentalwerks wurde dazu mit sechs Millionen Mark des Sponsors DaimlerChrysler möglich. Am 11. November soll auf "Das Rheingold" die "Walküre" folgen. Im Jahr 2002 findet der Wagner-Zyklus mit "Siegfried" und der "Götterdämmerung" seinen Abschluss.