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Ist es Zeit für #DeleteFacebook?

Courtney Tenz pl
5. Februar 2019

Was als Studentenverzeichnis begann, entwickelte sich rasch zur beliebtesten Social Media-Plattform weltweit. Ein Leben ohne Facebook ist für viele undenkbar. Glücklicher wären wir ohne Facebook, meint Courtney Tenz.

Facebook - "Dislike"
Bild: picture alliance / dpa

Facebook steckte noch in den Kinderschuhen, als ich 2005 aus den USA nach Deutschland kam. Als Dozentin an der Universität hatte ich in den vergangenen Monaten meine Studenten über die Webseite sprechen hören - als Möglichkeit, um mit ihren Freunden an anderen Hochschulen in Kontakt zu bleiben. Ich tat das damals ab. Wer wollte schon Zeit investieren, um mit seinen Schulfreunden in Kontakt zu bleiben, wo das eigene Leben doch gerade erst begonnen hatte?

Meine Güte, wie sich die Zeiten geändert haben! 

Fünfzehn Jahre nach seiner Gründung zählt Facebook heute mehr als 2,3 Milliarden Nutzer weltweit (darunter schätzungsweise 116 Millionen gefälschte Konten und 255 Millionen Duplikate). Wenn ich wollte, könnte ich mich auf Facebook wahrscheinlich mit fast jedem der mehr als tausend Schüler befreunden, die mit mir zusammen auf der High School waren. Oder ich könnte meinen längst verlorenen Brieffreund aus Sri Lanka wiederfinden. Oder das schwedische Mädchen, mit dem ich einst ein Zimmer in einem Hostel im Süden Frankreichs teilte. Die Frage aber ist: Will ich das überhaupt? 

DW-Autorin Courtney TenzBild: A. Berry

Und will ich wirklich wissen, wie der Junge, in den ich in der fünften Klasse verknallt war, heute aussieht? Möchte ich wirklich zu einer geschlossenen Gruppe eingeladen werden, in der ich von meinem Cousin ein paar billige, aber immer noch überteuerte Leggings mit Muster kaufen kann? Und vor allen Dingen: Will ich, dass diese Menschen auf dem aktuellen Stand sind was mein Leben anbelangt?

Vielleicht habe ich in dieser Beziehung tatsächlich eine eher deutsche Haltung gegenüber den sozialen Medien, Beziehungen und dem Thema Privatsphäre angenommen. 

Wirkliches Leben versus falsche Freunde

Als ich mich Ende 2005 dann zum ersten Mal bei Facebook einloggte, nutzte ich es, um mich mit meinen Kollegen vom Master-Programm auszutauschen. Ich suchte nicht nach Menschen, die ich aus meiner Vergangenheit kannte, oder nach Menschen aus meiner tausende von Kilometern entfernten Stadt, in der ich aufgewachsen bin.

Und in meinen ersten Jahren in Deutschland konnte ich auf der Plattform auch niemanden finden, den ich persönlich kannte. Sie alle waren damals auf StudiVZ registriert, einem deutschlandweiten Online-Schülerverzeichnis, das im Grunde aussah wie ein Jahrbuch: Foto, Name, Alter, Schule, Abschlussjahr.

Für mich stellte Facebook eine klare Trennlinie dar: zwischen der Welt, in der ich hier in Deutschland lebte - meinem wirklichen Leben - und der Welt, die ich in den USA hinter mir gelassen hatte. Via Facebook konnte ich mich auf dem Laufenden halten, was zu Hause passierte, während ich zugleich hier in Deutschland meinen ganz gewöhnlichen Alltag lebte. 

Als die Deutschen, die ich kannte, sich schließlich Facebook anschlossen, konnte ich sie kaum finden, da sie es mit seltsamen Spitznamen taten: "Al Exa" oder "Thor Sten". Andere loggten sich mit ihrem eigenen Namen ein, veröffentlichten aber nichts - nicht einmal ein Bild. So viel zu den Richtlinien von Facebook "nur mit echtem Namen".

Facebook in den USA

Auf der anderen Seite des Atlantiks hingegen strömten meine Verwandten zu Facebook und bombardierten jeden, dessen zufällige Bekanntschaft sie in den letzten Jahren gemacht hatten, mit Hochzeit-Videos und Babyfotos, kündigten kryptisch Trennungen und Wiedervereinigungen an und posteten Memes, die mehr über ihre Persönlichkeit aussagten als jeder Witz am gemeinsamen Abendbrottisch. 

Familien-Selfie: Muss das wirklich alles gepostet werden?Bild: Imago/Westend61

Menschen schienen immer weniger Scheu davor zu haben, Informationen verschiedenster Art auszutauschen und das "offener und mit mehr Leuten", wie Mark Zuckerberg selbst feststellte. Dinge, die ich vorher für undenkbar gehalten hätte - wie Fremden zu sagen, in welche Kneipe man später gehen wird, oder Selfies zu posten, während man krank ist - wurden irgendwann normal und alltäglich.

Bild: picture alliance / empics

Während noch darüber debattiert wird, ob das nun gut ist oder nicht, ist Facebook für viele Menschen mehr geworden, als nur eine Plattform, um sich mitzuteilen. Kalev Leetaru, Senior Fellow am "George Washington University Center for Cyber and Homeland Security", schreibt in der Zeitschrift Forbes: "In einigen Ländern ist Facebook zum Internet selbst geworden, seine von Mauern umgebenen Gärten definieren effizient die Zugangsbeschränkungen." Facebook sei so in unser Leben integriert, so Leetaru, "so sehr damit verwoben, wie wir in Kontakt bleiben, den Nachrichten folgen, geschäftliche und staatliche Aktualisierungen erhalten und unser Leben führen, dass wir nicht mehr zurück können: Wir können Facebook nicht verlassen, egal wie sehr wir das wollen."

#DeleteFacebook

Stimmt das? Ist es wirklich unmöglich, Facebook zu verlassen? Nein, ist es nicht. Zumindest nicht für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die ihr überaus beliebtes Konto geschlossen hat. Und auch für mich war es nicht unmöglich. Ich habe mich vor Jahren deaktiviert und für immer ausgeloggt. Meine Gründe dafür sind privater Natur, aber sie haben auch mit dem zu tun, was viele beschäftigt: Die Fragen bezüglich der Privatsphäre und der Künstlichkeit solcher Internetkontakte. 

Wenn ich heute jemandem mitteilen wollte, dass ich geheiratet habe oder schwanger bin, dann schreibe ich ihm oder ihr eine persönliche Nachricht oder greife vielleicht sogar zum Telefon. Wenn ich möchte, dass meine Freunde sehen, was ich am sechsten Abend meines Aufenthaltes in Bangkok zu Abend gegessen habe, muss ich sie einer altmodischen Diashow unterziehen.

Und dass ich die Nachrichten von Aric in Argentinien verpasse, ist nicht weiter schlimm, genauso wenig wie es schlimm ist, dass unsere Bekanntschaft schwindet, denn echte Beziehungen erfordern Arbeit, brauchen Kommunikation. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man sich persönlich trifft. Aber ist es wirklich gesellig, ins Leere hineinzutippen und zu erwarten, dass jeder, den du jemals getroffen hast, zuhört?

Und wer weiß: Das Löschen von Facebook könnte tatsächlich auch etwas nützen. In einer Studie mit dem Titel "The Welfare Effects of Social Media" fanden Forscher der Universitäten New York und Stanford heraus, dass das Abmelden für 30 Tage zu mehr Wohlbefinden führte, subjektiv gemessen. Diejenigen, die sich für diese Studie von Facebook verabschiedeten, berichteten, dass sie mehr Zeit mit Freunden und Familie verbrachten. 

Wenn das kleine bisschen Glück, das wir aus dem Kontakt mit fernen Freunden und Familie via Facebook gewinnen, uns gleichzeitig zu sehr beschäftigt und ablenkt, ist es das dann wirklich wert?

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