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Politik

"Wir lassen uns nicht einschüchtern"

Senada Sokollu
6. Januar 2017

Nach dem Bombenanschlag in der westtürkischen Hafenstadt Izmir wollen sich viele Einwohner ihren Lebensstil nicht nehmen lassen. Mit Feierabendbier und Facebook-Posts trotzen sie dem Terror. Aus Izmir Senada Sokollu.

Türkei Izmir Asansor Cafe
Diese Szene an der Küsten-Promenade von Izmir wurde noch vor dem Anschlag aufgenommenBild: picture-alliance/AA/E. Gurun

Es regnet wie aus Kübeln in der westtürkichen Hafenstadt Izmir. Es blitzt und donnert. Die Menschen huschen in ihren Regenmänteln und tief heruntergezogenen Mützen durch die Straßen. Die Restaurants und Cafés sind gefüllt. An der berühmten Flaniermeile Kordon treffen sich Freunde zum Feierabendbier. Paare sitzen gemütlich beim Abendessen. Auf den Straßen tut sich nichts Außergwöhnliches. Weit und breit keine Polizei, keine Kontrollen, keine Straßenabsperrungen.

Es sind nur wenige Stunden vergangen seit der Autobombenexplosion vor dem Justizgebäude, bei der zwei Menschen ums Leben kamen sowie zwei Angreifer getötet wurden. Dennoch tut man, was man in Izmir abends immer macht: Man trinkt und tratscht über die neuesten Geschehnisse im Land. Die meisten checken ihre Handys im Minutentakt - stets die neuesten Updates auf Twitter oder Facebook im Blick. Sie schießen grinsend Selfies und posten sie: "Wir haben keine Angst. Wir leben unser Leben weiter wie gewohnt", schreibt eine junge Türkin auf Facebook.

"Die Terroristen sollen nicht das kriegen, was sie wollen"

Ahmet A. will seinen Lebensstil nicht ändernBild: DW/S. Sokollu

Auch Ahmet A. trifft sich wie gewohnt mit seinem Freund in seiner Lieblingsbar. Sie reden über die Arbeit, die Familie. Er sehe es nicht ein, seinen Lebensstil zu ändern, so der 55-Jährige. "Was momentan in der Türkei passiert, muss man einfach akzeptieren. Das ist Teil unseres Lebens und im Leben muss man hinnehmen, was kommt", so Ahmet A. im DW-Gespräch. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, so der Türke. "Nach den Terroranschlägen in Paris war ich dort. Die Menschen haben sich ihren Lebensstil auch nicht nehmen lassen. Also warum sollen wir es tun?", so Ahmet A.

So sieht das auch Zehra Gürel. Die junge Türkin wollte heute Abend eigentlich zu Hause bleiben. "Aus Trotz bin ich jetzt vor die Tür gegangen. Ich gehe einfach alleine eine Runde im strömenden Regen spazieren, weil ich nicht will, dass die Terroristen glücklich sind. Sie sollen nicht das kriegen, was sie wollen. Diese Menschen wollen uns alle nur einschüchtern. Aber ich habe keine Angst", so Gürel. Natürlich sei es schrecklich, was passiert ist, sagt sie. "Viele meiner Bekannten schauen jetzt die Nachrichten und bleiben lieber zu Hause, aber ich finde, dass es wenig Sinn macht, wenn wir uns alle zu Hause verstecken", so Gürel im DW-Gespräch.

"Ein Attentat in Izmir? Keiner konnte das so richtig glauben"

Izmir ist die drittgrößte Stadt der Türkei und bis Donnerstag vom jüngsten Terror verschont geblieben. Die Menschen hier sind bekannt dafür, dass sie gerne viel Alkohol trinken. Viele sind stolze Anhänger des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk. So sieht man junge Türken hier nicht selten mit einem Atatürk-Tattoo auf dem Arm. Izmir ist zudem die Hochburg der größten Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) und viele Bürger sind scharfe Kritiker der AKP-Regierung. Schon lange fragten sich die Menschen: Wann kommt der Terror zu uns?

Sinan war am Anschlagsort, als die Bombe explodierteBild: DW/S. Sokollu

Trotzdem habe niemand glauben können, was jetzt passierte, so der 30-jährige Sinan. Er war zum Zeitpunkt der Explosion vor Ort. "Alle Menschen redeten von einem großen Autounfall oder einem technischen Defekt, als wir die Rauchwolken sahen. Jemand kam dann zu uns und sagte, es sei ein Attentat gewesen. Wir alle schüttelten den Kopf und verneinten das. Ein Attentat in Izmir? Keiner konnte das so richtig glauben", so Sinan im Gespräch mit der DW.

Alles nur Gewöhnungssache?

Es sei das erste Mal, dass er so etwas erlebe, sagt Sinan. "Die Zielscheibe von solchen Attentaten ist bisher hauptsächlich Istanbul gewesen. Viele meiner Freunde, die dort leben, haben sich entweder enschlossen, aus Istanbul nach Izmir zu ziehen oder sie haben sich irgendwie an die Ereignisse gewöhnt. Aber wir Menschen hier in Izmir haben das noch nicht", erklärt Sinan. Er und seine Freunde hätten Restaurantreservierungen für Freitagebend abgesagt, sagt er. "Wir wollen nicht so tun als wäre es normal, was hier passiert. Wir werden die nächsten Tage zu Hause bleiben", so Sinan.

Das junge Paar Zeynep und Murat sieht das anders. "Es passiert doch ständig irgendwas in der Türkei. Wir haben uns doch alle schon daran gewöhnt. Sei es nun in Istanbul, in Ankara oder in Izmir. Ganz egal. Terror ist Terror", so Zeynep. Es sei etwas Alltägliches mit dem die Menschen in der Türkei zu leben hätten, so die Französischstudentin. "Wir sind gezwungen, unser Leben weiter zu leben wie bisher", so Murat - obwohl der Terror nun auch in Izmir angekommen sei, sagt er. "Izmir ist die westlichste Stadt der Türkei - hier haben wir uns stets so sicher gefühlt."

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