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Nach dem Ampel-Aus: Fahrplan für Neuwahlen in Deutschland

7. November 2024

Bundeskanzler Olaf Scholz hat zum Bruch mit dem Koalitionspartner FDP gleich einen Zeitplan mitgeliefert. Die Opposition will mehr Tempo. Wir stellen die einzelnen Schritte vor, die in den kommenden Monaten anstehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz läuft am Rednerpult im Plenarsaal des Reichstags vorbei
Olaf Scholz visiert Neuwahlen im März an - dafür will er im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellenBild: Lisi Niesner/REUTERS

Am Tag des Wahlsieges von Donald Trump in den USA hat sich in Deutschland die kriselnde deutsche Bundesregierung endgültig entzweit: Ein Streit um die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik legte offen, wie zerrüttet das Verhältnis insbesondere zum kleinsten Koalitionspartner FDP war.

Deren Vorsitzender Christian Lindner hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun aus dem Amt des Finanzministers entlassen. Zwei der drei übrigen liberalen Minister folgen ihrem Parteichef, während Verkehrsminister Volker Wissing im Amt bleibt und lieber der FDP den Rücken kehrt.

Die Ampel-Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Freien Demokraten ist Geschichte - und zugleich nimmt ein Fahrplan Gestalt an, wie Deutschland wieder zu einer handlungsfähigen Regierung kommt.

Schritt 0: dringende Vorhaben abschließen

Die ersten Wochen nach dem Bruch wollen die beiden verbliebenen Koalitionspartner - Scholz' SPD und die Grünen - als Minderheitsregierung eine Reihe von Themen zum Abschluss bringen: Scholz nannte das Rentenpaket, die erforderlichen nationalen Gesetze im Rahmen der EU-Asylreform sowie ein noch zu schnürendes Hilfspaket für die kriselnde Wirtschaft.

Scholz: "Schaden von unserem Land abwenden"

14:22

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Nicht genannt: ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Ohne den würde der Handlungsspielraum für die rot-grüne Minderheitsregierung noch enger.

Wie Scholz dafür eine Mehrheit im Bundestag organisieren will, ist noch offen. Er hat dazu rasche Gespräche mit CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt. Der führt auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag, bestehend aus CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU.

Allerdings gibt es innerhalb der Unionsparteien auch Stimmen, die verlangen, unverzüglich die Schritte zu Neuwahlen einzuleiten - und nicht erst im neuen Jahr. Merz selbst forderte eine sofortige Vertrauensfrage des Kanzlers als Bedingung für die Zusammenarbeit bei dringenden Vorhaben.

Schritt 1: Vertrauensfrage im Bundestag

Bundeskanzler Scholz will erst den Jahreswechsel abwarten und in der ersten Sitzungswoche 2025 die Vertrauensfrage stellen. Was dann passiert, regelt Artikel 68 des Grundgesetzes: Der Bundeskanzler bringt einen Antrag in den Bundestag ein, in dem er die Abgeordneten zu einem Bekenntnis auffordert, ob sie ihm vertrauen. Die deutsche Verfassung sieht eine 48-stündige Beratungszeit zwischen Antrag und Votum vor, was im Zeitplan des Kanzlers bedeutet, dass das Parlament am 15. Januar die entscheidende Abstimmung abhalten könnte.

Die letzte Vertrauensfrage ist 19 Jahre her: Am 1. Juli 2005 führte Gerhard Schröder, damals Kanzler einer rot-grünen Regierung, mithilfe dieses Instruments Neuwahlen herbeiBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Bekommt der Kanzler bei der Vertrauensfrage wie abzusehen weniger als die Hälfte der Stimmen der Abgeordneten, würde das den Weg zu einer vorgezogenen Bundestagswahl ebnen. Das kommt in Deutschland nur selten vor.

Schritt 2: Bundespräsident löst Parlament auf

Spricht nur eine Minderheit der Abgeordneten dem Kanzler das Vertrauen aus, so muss dieser dem Bundespräsidenten vorschlagen, das Parlament aufzulösen. Sieht auch das Staatsoberhaupt keine Möglichkeit mehr für eine stabile Regierung, kann er den Bundestag vorzeitig auflösen. Theoretisch bleiben ihm bis zu 21 Tage, um diesen Schritt zu vollziehen.

Nun kommt Grundgesetz-Artikel 39 ins Spiel, in dem es heißt: "Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen statt."

Schritt 3: Vorgezogene Bundestagswahlen

Bleibt es beim Zeitplan des Kanzlers, so wählen die Deutschen im März einen neuen Bundestag. Sollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch am Abend der Vertrauensfrage das Parlament auflösen, wäre der 16. März der späteste mögliche Wahlsonntag.

Bereits seit einigen Tagen spekulieren Hauptstadtjournalisten im Zuge der seit langem schwelenden Koalitionskrise auch über den 1. oder 9. März als mögliche Wahltermine. Die Vertrauensfrage schon in den nächsten Tagen zu stellen, wie CDU-Chef Merz es fordert, würde hingegen Wahlen schon im Januar nach sich ziehen.

Im nächsten Deutschen Bundestag werden 79 Stühle nicht mehr gebraucht, da eine Wahlrechtsreform die Zahl der Abgeordneten auf 630 beschränktBild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Für alle Beteiligten folgt ein Kraftakt, schließlich hatte man sich auf den 28. September 2025 als regulären Wahltermin eingestellt. Die Parteien müssen nun in beschleunigtem Tempo ihre Kandidaten nominieren und in den einzelnen Bundesländern Landeslisten aufstellen. Es ist zudem die erste Bundestagswahl unter einem neuen Wahlrecht, das das nächste Parlament auf 630 Abgeordnete begrenzt.

Schritt 4: Regierungsbildung

Umfragen legen nahe, dass sich im nächsten Parlament die Mehrheiten deutlich verschieben würden; die Nicht-mehr-Regierungspartei FDP droht an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und den Wiedereinzug zu verpassen. Aktuell sehen viele Meinungsforscher Möglichkeiten etwa für eine Regierung aus CDU/CSU und SPD.

2021 lagen zwischen Bundestagswahl und Amtsantritt der Ampel-Regierung 73 Tage. Legt man die gleiche Zeitspanne auf einen möglichen Wahltermin Anfang März an, so würde Deutschland in der zweiten Mai-Hälfte wieder über eine politisch voll handlungsfähige Regierung verfügen - vier Monate nach dem Amtsantritt Donald Trumps.

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