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Politik

Kulturrat will schnelle Verhandlungen nach Brexit

22. März 2017

Ende März erklärt Großbritannien den Austritt aus der Europäischen Union. Danach sollte zügig über die Kultur verhandelt werden, fordert Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates im DW-Interview.

Eine Zeichnung des Bilderbuchkünstlers Axel Scheffler Brexit - Graphik von Axel Scheffler. (c) Axel Scheffler
Bild: Axel Scheffler

Der Brexit lässt sich nicht mehr abwenden. Sind Sie frustriert?

Dass ausgerechnet England, eines der Mutterländer der Europöäischen Union uns jetzt den Rücken kehrt, ist schon tief bedauerlich. Das wird zu massiven Einschnitte in der Zusammenarbeit führen.

Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen?

Orte wie London, New York oder Berlin leben von einer besonderen Freizügigkeit. Deshalb ist London gerade für Künstler ein Sehnsuchtsort. Und das wird schwieriger werden, zumal diese Freizügigkeit der Hauptgrund für den Brexit war. Da wird sich die britische Regierung wenig bewegen können.

Werden Künstler und Kulturschaffenden darunter leiden?

Natürlich können Künstler auch künftig mit Visum und Arbeitserlaubnis nach Großbritannien einreisen. Aber es wird schwieriger, sich in Großbritannien niederzulassen. Das schränkt den Kulturaustausch unmittelbar ein. Großbritannien und London werden verlieren. Aber natürlich verlieren wir alle.

Olaf Zimmermann hofft auf weitere gemeinsame KulturprogrammeBild: Imago/J. Heinrich

Was wird aus der Zusammenarbeit mit britischen Kultureinrichtungen, was aus den vielen Gemeinschaftsprojekten?

All das wird schwieriger werden. Im Binnenmarkt läuft eben vieles einfacher – von der Steuer bis zu Genehmigungsfragen. Das zeigen gerade die Kooperationsprojekte mit EU-Förderung, etwa im Theater- oder musealen Bereich.

Ein kulturell harter Brexit hieße, dass Großbritannien von diesem Geld nicht mehr profitiert. Aber vielleicht ist es möglich dass Großbritannien ein assoziiertes Land bei der Kulturförderung wird. Dann gäbe es weiter Wege, diese Gemeinschaftsprojekte zu stemmen, auch mit EU-Förderung.

Man muss das jetzt in die Debatte einführen. Wir dürfen es nicht nur den Ökonomen überlassen, über die Brexit-Verhandlungen nachzudenken. Auch unsere Kulturstaatsministerin sollte sich einschalten und sagen: 'Wir haben ein Interesse daran, dass Großbritannien kulturelle so nah wie möglich an Europa dran bleibt.'

Wir brauchen ein Sonderprogramm zum bilateralen Kulturaustausch, damit wir gegensteuern können. Großbritannien muss zum assoziierten Land werden bei der EU-Kulturförderung, damit auch in der Zukunft diese Kooperationen mit britischen Kultureinrichtungen möglich sind. Dazu müssen wir jetzt die ersten Pflöcke einschlagen.

Haben Sie Angst, dass die Kultur bei den Brexit-Verhandlungen zu kurz kommt?

Die Gefahr besteht. Deshalb müssen sich die Kulturverantwortlichen unserer Regierung möglichst bald einklinken. Denn wer kann das Auseinanderdriften der Insel vom Kontinent wirklich verhindern? Ich glaube, das wird nicht die Ökonomie sein, sondern die Kultur.

Mit welchen Kulturforderungen sollten EU-Politiker in die Brexit-Verhandlungen gehen?

Um die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Großbritannien weiterzuführen, braucht es Instrumentarien: Zum einen die europäische Kulturförderung für gemeinsame Kulturprogramme. Dann die Freizügigkeit für die Kulturschaffenden, etwa als bilaterales Sonderprogramm für die Kultur – mit erleichterten Visa und Arbeitserlaubnissen. Das sollte drüben wie hüben gelten. Dann der Leihverkehr der Museen: Da dürfen nicht noch mehr Hürden aufgebaut werden. London soll auch ein wichtiger Kunsthandelsplatz bleiben. Und schließlich muss Studieren in Großbritannien für EU-Ausländer weiter möglich bleiben. Es wäre den Schweiß der Edlen wert, dass man neben den ökonomischen Verhandlungen auch gleich mit den kulturellen Verhandlungen beginnt.

Plakate gegen den Brexit von dem deutschen Fotokünstler Wolfgang Tillmans Bild: Getty Images/J. Spicer

Sind Sie mit Ihren Ideen der einsame Rufer in der Wüste?

Würde heute noch einmal über den Brexit abgestimmt, würde es anders ausgehen. Denn es ist klar geworden, wie kompliziert das alles ist. Wir in Resteuropa und besonders wir in Deutschland haben seit dem Zweiten Weltkrieg gelernt, welche positive Rolle Kulturaustausch hat. Es war immer der Anfang von Annäherung, sei es an Frankreich, an Polen oder an Russland. Wir sollten die Kultur einsetzen, damit wir nicht weiter auseinanderdriften.

Wir können auch nicht warten, bis alle im Rest von Europa einer Meinung sind. Vielleicht muss Deutschland hier als das große Land in der Mitte von Europa vorangehen.

Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten – auch bei der Kultur?

Ja, das ist so. Das haben wir aber im Bereich der Kultur schon seit vielen Jahren. Kultur ist ein sehr sensibles und nationales Thema, aber auch ein europäisches. Deshalb dürfen wir das nicht schleifen lassen.

Das Gespräch führte Stefan Dege.

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