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Vor dem Gipfel rund um Schloss Elmau

Sabrina Papst23. Mai 2015

Postkarten-Idylle, verschreckte Einwohner und sieben Staats- und Regierungschefs - der G7-Gipfel versetzt einen beschaulichen Landstrich in Oberbayern in den Ausnahmezustand. Sabrina Pabst war rund um Elmau unterwegs.

Schloss Elmau vor dem Wettersteingebirge (Foto: DW/S. Pabst)
Bild: DW/S. Pabst

Inmitten des Bergmassivs von Wetterstein und Karwendel thront das Schlosshotel Elmau. Zwischen bunt blühenden Bergwiesen und schneebedeckten Berggipfeln suchen gestresste Geschäftsleute und anthroposophische Weltenbummler ihr inneres Gleichgewicht. Noch ist das Plätschern des Gebirgsbachs zu hören. Kaum vorstellbar, dass in wenigen Tagen pausenlos Hubschrauber am Himmel dröhnen werden. Dann, wenn das Who is Who der sieben führenden Industrieländer in diesem abgeschiedenen Tal zusammenkommt - beim G7-Gipfel.

Außerhalb dieses Tals ist es schon jetzt aus mit der Ruhe. Das weit entfernte meditative Klingen der Ziegenglocken auf den umliegenden Weiden ist kaum hörbar. "Erst hatten wir monatelang die große Baustelle am Bahnhof und jetzt das hier." Der aufgebrachte Anwohner aus Klais, der seinen Namen nicht nennen will, nickt in Richtung der vorbeifahrenden und laut knatternden Bagger und LKW. Die kleine Ortschaft liegt direkt am Eingang zum Elmauer Tal. Erst wurde der Klaiser Bahnhof, dann die Zufahrtsstraße nach Elmau saniert, Notfall-Wasserleitungen wurden nachgerüstet. Unzählige Lieferwagen und Baufahrzeuge fahren noch immer in Richtung Schlosshotel. "Morgens um sechs ist hier Hochbetrieb", sagt er. "So langsam reicht's."

Das Problem: Die Straße ist eine Sackgasse. Auf dem Rückweg fährt jeder wieder an seinem Haus vorbei. Mit einem Holzscheit in der Hand guckt der ältere Mann mit der sonnengegerbten Haut und dem Filzhut die Straße entlang. "Wissen Sie, eigentlich ist das hier ein beschaulicher Ort - ruhig und verlassen. Außer einigen Urlaubern und den Angestellten vom Hotel fährt sonst niemand die Straße niemand entlang. Ich bin froh, wenn der Gipfel vorbei ist."

Auf vielen kleinen Schotterplätzen rund um Elmau stehen Baucontainer und FahrzeugeBild: DW/S. Pabst

Mehr Journalisten als Einwohner

Klais wirkt an diesem Nachmittag verlassen. Zwischen den geschäftigen Bauarbeitern, hin- und herfahrenden Polizeiwagen und einem Reporterteam ist kein Einwohner zu sehen. Die Wirtin des "Klaiser Stüberl" direkt am Bahnhof ist genervt, wenn Journalisten ihr Lokal betreten. "Ich sag nichts mehr. Hier fragen haufenweise Reporter nach G7." An einem Tisch sitzend schmiert sie sich ihre kleine Brotzeit. "Ich weiß nicht, wie ich nächsten Monat meine Angestellten bezahlen soll, weil hier keine Touristen mehr sind. Das interessiert aber niemanden", fügt sie leise hinzu und schaut gedankenverloren aus dem Fenster Richtung Baustelle. "Nach dem Gipfel werde ich schließen müssen."

Eine kleine Wandergruppe steigt aus dem ankommenden Zug. Sie wollen sich das Elmauer Tal anschauen. "Oder das, was vor dem Gipfel zu sehen ist", schmunzelt ein älterer Mann mit Rucksack und Wanderstock. Glaube man den Medienberichten, habe die Natur unter den ganzen Vorbereitungen gelitten, fügt seine Ehefrau hinzu. Davon wollen sie sich selber ein Bild machen. Mit forschem Schritt eilen sie ihrer Gruppe hinterher.

Über die neu asphaltierte und kurvenreiche Straße gleitet das Auto fast geräuschlos bergauf, bergab ins Elmauer Tal. Hinter einem soliden Maschen- und Stacheldrahtzaun und unzähligen Baucontainern liegt das künftige Domizil der Staats- und Regierungschefs. Wenn das Wetter schlecht ist, fahren hier die Staatskarossen und Journalisten entlang. Damit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei schönem Wetter ihre Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, Italien, USA, Kanada und Japan einfliegen lassen kann, wurde extra ein Hubschrauberlandeplatz angelegt. Gut 8000 Quadratmeter Blumenwiese wurden dafür asphaltiert. Das soll später wieder rückgängig gemacht werden. Jörg Jovy von den örtlichen Grünen ist entrüstet und meint, einfach "rückbauen" werde man den Schaden, den geschützte Arten erleiden, wenn "Tausende Demonstranten und Polizisten über sie trampeln", nicht können. Und gerade die unberührte Natur locke Touristen in das Werdenfelser Land.

Der Hubschrauberlandeplatz soll nach dem Gipfel "rückgebaut" werdenBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Profitables Geschäft für die Region

Nur wenige Kilometer entfernt liegt zwischen alpenländisch anmutenden Bauten mit kunstvoller Lüftlmalerei und geschnitzten Balkonen der Duft von Heu und Kuhstall in der Luft. An jedem Haus hängen Schilder mit der Aufschrift "Zimmer frei" oder "belegt". Trecker knattern über die Hauptstraße. Die ist bis auf wenige Bauarbeiter an diesem sonnigen Nachmittag menschenleer.

Krün ist ein beschaulicher Ort mit 2000 Einwohnern - verteilt auf sieben verstreute Örtchen. Elmau und Klais sind zwei davon. Bürgermeister Thomas Schwarzenberger ist ein gefragter Mann. Sein Rathaus ist zugleich die Touristen-Information. Journalisten geben sich dort derzeit seine Bürotürklinke in die Hand. Das ganze Gebäude zieren Plakate mit schneebedeckten Bergen, grünen Wiesen und lächelnden Frauen in Tracht. Eine Tourismusbroschüren-Idylle, die Schwarzenberger durch den G7-Gipfel in die Welt schicken will. Die mediale Aufmerksamkeit kommt dem Bürgermeister gelegen.

Mehr als 5000 Journalisten werden aus dem Werdenfelser Land berichten. Mindestens 15.000 Polizisten und mehr als 2000 Rettungskräfte werden an den Gipfeltagen im Einsatz sein. "Das ist ein riesiges Potenzial für unsere Ferienregion, wenn einige von ihnen nach dem Gipfel einmal wiederkommen werden", strahlt er. Dass die fehlende Ruhe in dem Luftkurort Urlauber abschrecken könnte, will er nicht hören. "In den letzten Jahren war in dieser Jahreszeit nur ein Drittel unserer Ferienbetten belegt. Derzeit haben wir eine Auslastung von 90 Prozent." Dass dies überwiegend arbeitende Polizisten und Sicherheitskräfte sind, stört ihn nicht. "Auch die haben Freizeit und erleben unsere Natur."

Hoffen auf baldige Rückkehr

Schwarzenbergers Gemeinde Krün ist für G7 aufgehübschtBild: picture-alliance/dpa/S. Jansen

Auf der großen Politikbühne ist Schwarzenberger Statist, empfängt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann oder trifft Kanzlerin Merkel während ihrer Stippvisite in Elmau. Profitieren will er durch den Gipfel nicht allein - G7 ist für ihn und seinen Ort ein Segen. Ein neuer Bahnhof, ein saniertes Rathaus, ausgebauter Breitbandinternetanschluss, neue Mobilfunk-Sendemasten oder ein neuer Rettungswagen für die Feuerwehr: Investitionen von Bund, Land und Firmen, auf die der kleine Ort laut Schwarzenberger sonst lange hätte warten müssen. "Jetzt ist der Fortschritt auch bei uns angekommen", lächelt er. Entspannt lehnt er sich auf seinem Stuhl zurück. "Hätte der Gipfel in einer anderen Region Deutschlands stattgefunden, dann wäre das Geld dorthin geflossen."

Ob Claudia Gans von dem ganzen Gipfel-Umbruch in der Region profitieren wird, weiß sie nicht. "Der Tourismus hat sich in dem Dorf gewandelt", meint sie und blickt über die leere Terrasse ihres Cafés "Rusticana" in Klais. Das Luxushotel "Elmau" und das benachbarte "Hotel Kranzbach" seien die einzigen Unterkünfte für Urlauber in unmittelbarer Nähe. Gäste von dort würden sich nicht in die umliegenden Restaurants und Almhütten verirren, erzählt sie. Auf der Terrasse ihres Gästehauses nehmen Tagestouristen Platz. Ihre Betten hat sie derzeit an eine Sicherheitsfirma vermieten können. "Zum Glück", ergänzt sie. Ob G7 ein Fluch oder Segen sein werde - Claudia Gans zuckt mit ihren Schultern. "Ich bin froh, wenn hier wieder Ruh' ist."

In einer Ecke nippt der Abteilungsleiter einer Sicherheitsfirma an seinem Kaffee. "Schön ist es hier", bewundert er die Aussicht. Inhaberin Claudia Gans zwinkert: "Vielleicht kommt er nach dem Gipfel wieder."

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