Hindernisläuferin Antje Möldner-Schmidt gehört zur Weltelite, dann kommt der Krebs. Ihr Comeback krönt sie mit dem EM-Titel. Wie stark sie dieses Auf und Ab geprägt hat, wird ihr erst rückblickend klar.
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"Es ist wirklich schwierig", sagt Antje Möldner-Schmidt nachdenklich und meint ihren Abschied vom Leistungssport, den sie vor wenigen Tagen verkündet hat. Nicht der Krebs hat die Europameisterin von 2014 gestoppt, es ist letztlich eine hartnäckige Fußverletzung, die eine Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Tokio, das geplante letzte Karriere-Highlight der 35-Jährigen, unmöglich macht. "Die Zeit wäre einfach zu knapp."
Dass sie überhaupt wieder würde laufen können und sogar gewinnen, stand 2010 in den Sternen. Möldner-Schmidt gehört damals zur Weltelite über 3000 Meter Hindernis, als sie die Diagnose erhält: Lymphdrüsenkrebs. "Nach dem ersten Schock war mir klar, ich wollte schnell wieder angreifen", erzählt sie, "das war sicher ein bisschen blauäugig. Das hat mir damals aber vielleicht auch irgendwo geholfen, damit schneller fertig zu werden." Ganz so schnell, wie es sich die ehrgeizige Athletin vorgestellt hat, geht es dann aber doch nicht. Während der Behandlung muss sie monatelang auf Sport völlig verzichten. "Ich habe gar nichts gemacht, weil es schlicht nicht angeboten wurde." Eine Tatsache, die sie bedauert, mit Blick auf die inzwischen nachgewiesenen, positiven Effekte von Bewegung und Sport in der Krebstherapie.
Marco Russ: Tumordiagnose nach Dopingkontrolle
Wie Möldner-Schmidt gab es schon einige Hochleistungssportler, die sich auf einmal als Krebspatienten wiederfanden. Von Lance Armstrong, der aus der Geschichte seines Leidensweges eine publikumswirksame Fassade für seine Doping-Betrügereien schuf, über Fußballprofi Heiko Herrlich bis hin zu Marco Russ. Der Frankfurter Kicker fiel 2016 bei einer Dopingprobe auf. Grund der entgleisten Werte war allerdings kein Dopingmittel, sondern Hodenkrebs. Nach Operation und zwei Chemotherapien kehrte er ein Jahr später auf das Spielfeld zurück. "Ich bin immer noch der gleiche Marco Russ wie vor der Krankheit", sagte er in einem Zeitungsinterview. "Aber ich weiß, dass es wichtigere Sachen als Fußball gibt." Kurz darauf feierte Russ den größten Erfolg seiner Karriere: den Pokalsieg mit Eintracht Frankfurt.
EM-Gold in Zürich
Auch Antje Möldner-Schmidt gelingt der Weg zurück. "Der Anfang war schon sehr schwer", erinnert sie sich. "Ich musste zwischen den Trainingseinheiten ein bis zwei Tage pausieren, weil der Körper nach der Chemotherapie und der Bestrahlung einfach mehr Zeit zur Regeneration brauchte."
2012 wird sie EM-Dritte, darf sich später nach der Disqualifikation der Zweitplatzierten Ukrainerin Switlana Shmidt wegen Dopings sogar über Silber freuen. 2014 gewinnt Möldner-Schmidt in Zürich EM-Gold über die Hindernis-Strecke. Für sie ein ganz besonderes Glücksgefühl: "Das war der Moment an dem der ganze Stress abgefallen ist. Natürlich denkt man da auch an die überstandene Erkrankung, das kann man nicht leugnen."
Erst jetzt, rückblickend, kann sie besser einschätzen, wie sie diese Erfahrung geprägt hat. "Im Nachgang geht man ganz anders mit so etwas um. Ich bin auf jeden Fall feinfühliger geworden. Ich genieße den Moment und die Zeit mit der Familie", sagt Möldner-Schmidt. "Und ich habe gelernt, besser auf meinen Körper zu hören, wenn irgendwas ist."
Das Leben genießen
Aus diesem Empfinden heraus scheint nun auch der Entschluss gefallen zu sein, ihre aktive Karriere zu beenden, obgleich Sport natürlich auch weiter eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen wird. Das empfiehlt sie auch Menschen, die selbst mit einer Krebserkrankung zu kämpfen haben, weil "Bewegung hilfreich sein kann, um Symptome während der Therapie zu lindern". Wichtig sei, so Antje Möldner-Schmidt, sich nicht zu hohe Ziele zu stecken: "Kleine Erfolgserlebnisse zu haben, ist wichtig, was Sport und Therapie zusammen angeht. Und einfach das Leben zu genießen."
Spitzensportler, die dem Krebs trotzten
Auch Spitzensportler sind nicht immun gegen Krebs. Einige Topstars machten trotz der niederschmetternden Diagnose weiter - und feierten sportliche Erfolge.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Filippov
Lance Armstrong
1996 wird bei dem damals 25-jährigen US-Radrennfahrer Lance Armstrong Hodenkrebs diagnostiziert, der sich auch auf Gehirn, Lunge und seinen Bauchraum ausgebreitet hat. Die Ärzte machen Armstrong wenig Hoffnung. Dennoch gewinnt er von 1999 bis 2005 siebenmal in Folge die Tour de France. Nach jahrelangem Leugnen gesteht er 2013, gedopt gewesen zu sein. Alle seine Titel werden gestrichen.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Breloer
Mario Lemieux
Mario Lemieux gilt als einer der besten Eishockeyspieler aller Zeiten. In 915 NHL-Saisonspielen erzielt er 1723 Punkte. Anfang 1993 wird bei ihm ein Hodgkin-Lymphom diagnostiziert. Nach einer zweimonatigen aggressiven Bestrahlungstherapie gegen den Lymphknotenkrebs kehrt Lemieux aufs Eis zurück. Gleich im ersten Spiel gelingen ihm ein Tor und ein Assist. Er spielt weitere acht NHL-Saisons.
Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Kostroun
Edna Campbell
Edna Campbell ist eine gefeierte US-Basketballerin, als bei ihr Brustkrebs festgestellt wird. Sie spielt dennoch weiter - für die Sacramento Monarchs, drei weitere WNBA-Vereine und das US-Team - und wird zur Symbolfigur im Kampf gegen Brustkrebs. 2005 beendet Campbell ihre Karriere, wird Krankenschwester und gründet "Breathe and Stretch", ein Programm für Brustkrebs-Überlebende.
Bild: Getty Images/L. Blumenfeld
Jon Lester
2006 wird bei Baseball-Star Jon Lester, dem Pitcher der Boston Red Sox, ein anaplastisch-großzelliges Lymphom diagnostiziert. Lester unterzieht sich einer Chemotherapie gegen den Tumor. 2007 gibt er sein Comeback bei den Red Sox und gewinnt die World Series. Im Jahr darauf gelingt ihm das seltene Kunststück eines No-Hitters: In einem ganzen Spiel lässt er keinen gültigen Schlag des Gegners zu.
Bild: picture-alliance/Chicago Tribune/J. J. Kim
Matthew Wade
Bereits im Alter von 16 Jahren wird bei Cricketspieler Matthew Waade Hodenkrebs festgestellt. Nach zwei Chemotherapien gilt er als geheilt - und startet seine internationale Karriere. Der Linkshänder spielt bei zahlreichen Großereignissen für das Nationalteam Australiens.
Bild: Getty Images/B. Kanaris
Novlene Williams-Mills
Novlene Williams-Mills (l.) gewinnt bei Olympia 2012 Silber mit der 4x400-Meter-Staffel Jamaikas - obwohl ihr zuvor Brustkrebs diagnostiziert worden ist. Nach den Spielen in London unterzieht sie sich einer Mastektomie. Dabei wird vom Krebs betroffenes Brustgewebe entfernt. Auch danach feiert sie mit der jamaikanischen Staffel Erfolge: WM-Gold 2015 in Peking, olympisches Silber 2016 in Rio.
Bild: Getty Images/A. Hassenstein
Marco Russ
Ein Routine-Dopingtest führt dazu, dass bei Eintracht Frankfurts Verteidiger Marco Russ im Mai 2016 Hodenkrebs festgestellt wird. Nach seiner Krebsbehandlung kehrt Russ im Februar 2017 auf den Platz zurück: als Einwechselspieler im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Arminia Bielefeld (1:0). Im Mai 2018 wird Russ mit der Eintracht nach einem 3:1-Sieg gegen den FC Bayern Pokalsieger.
Bild: Getty Images/AFP/D. Roland
Antje Möldner-Schmidt
Bei 3000-Meter-Hindernisläuferin Antje Möldner-Schmidt wird 2010 Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert. Chemotherapie und Bestrahlung folgen. Bei den Deutschen Meisterschaften 2011 kehrt sie wieder in den Wettkampf zurück - und wird auf Anhieb Vierte. Bei den Europameisterschaften 2012 gewinnt sie Silber, 2014 EM-Gold. Im Januar 2020 erklärt Möldner-Schmidt ihren Rücktritt vom Leistungssport.
Bild: picture-alliance/dpa
Heiko Herrlich
Bei Ex-Nationalspieler Heiko Herrlich wird im Herbst 2000 ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert. Nach erfolgreicher Strahlentherapie feiert er ein Jahr später sein Comeback. Doch der Stürmer, der in 257 Liga-Einsätzen für Leverkusen, Mönchengladbach und Dortmund 74 Tore erzielt, findet nie wieder zu seiner früheren Form zurück. 2004 hängt er seine Fußballschuhe an den Nagel und wird Trainer.
Bild: picture-alliance/dpa/M.Hangen
James Conner
Ende 2015 wird bei Football-Profi James Conner Lymphdrüsenkrebs festgestellt. Nach erfolgreicher Chemotherapie kann der Runningback ein halbes Jahr später seine Karriere fortsetzen. Derzeit spielt Conner in der NFL für die Pittsburgh Steelers.
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/J. Pohuski
Benjamin Köhler
17 Jahre lang verdient Benjamin Köhler sein Geld als Fußballprofi, neun Jahre davon bei Eintracht Frankfurt. Nach seinem Wechsel zum 1. FC Union Berlin wird bei ihm Anfang 2015 Magenkrebs diagnostiziert. Nach einer Chemotherapie wird Köhler sechs Monate später für krebsfrei erklärt und spielt noch bis zum Karriereende 2017 Fußball. Heute betreibt Köhler in Berlin ein Eiscafé.
Bild: picture-alliance/dpa/Eibner-Pressefoto
Max Taylor
Innenverteidiger Max Taylor gilt als eines der hoffnungsvollsten Talente des englischen Fußball-Traditionsvereins Manchester United. Mit 18 Jahren unterschreibt er seinen ersten Profivertrag. Dann die Diagnose: Hodenkrebs. Taylor wird operiert und unterzieht sich einer Chemotherapie. Ein Jahr nach der Diagnose steigt er wieder ins Training ein.