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Hoch, höher, Totalcrash?

Nicolas Martin
13. Januar 2021

Der Bitcoin beschert Anlegern derzeit vor allem Freude. In seinem Schlepptau zieht die bekannteste Digitalwährung Hunderte andere Kryptowährungen immer weiter mit nach oben. Doch wie substanziell ist die Entwicklung?

 Kryptowährungen
Bild: Reuters/D. Ruvic

"Nein, wir haben hier keinen Crash", sagt Julian Hosp in seinem neuesten Video auf Youtube, in dem er seine 100.000 Abonnenten nach dem jüngsten Kursrutsch des Bitcoins beruhigt. ″Solche Rücksetzer sind ganz normal und es wäscht vielleicht sogar diesen Hype raus″, so der selbst ernannte österreichische Krypto-Erklärer, der von aus Singapur die Welt der Digitalwährungen erklärt. Hosp ist ehemaliger Profi-Kitesurfer und versteht sich als Investor und Ratgeber. Er hält selbst nach eigener Aussage viele Coins - wie die unterschiedlichen Digitalwährungen in der Kryptowelt genannt werden. Sein größtes Projekt ist aber eine eigene Digitalwährung, mit der er Geldflüsse wie Kredite, Bezahlsysteme und Aktienhandel ohne Mittelsmänner zugänglich machen möchte.

Ein Kursrutsch beim Bitcoin von zuletzt knapp 20 Prozent ist für Hosp bereits Routine, erklärt er in seinem Video. Doch unter dem Strich hat der 34-Jährige wohl gut vom Hype rund um Digitalwährungen profitiert. So hat sich vor allem der Bitcoin seit seinem Tief im März 2020 mehr als versechsfacht. Wer noch im Dezember des vergangenen Jahres Bitcoins kaufte, kann sich heute über eine Verdopplung des Werts freuen. Ähnlich sieht es bei anderen Digitalwährungen aus. Die größte nach Bitcoin heißt Ethereum. Doch auch Namen wie Ripple, Litecoin und Cadano machen die Runde. Die Liste aller Kryptowährungen ist lang. Am meisten investiertes Geld vereint noch immer der Bitcoin (siehe Grafik).

Sinnbild der digitalen Transformation

Warum aber glauben außer extravaganten Kryptpredigern wie Hosp immer mehr Menschen an die Blockchain und stecken ihr Geld in ein völlig entmaterialisiertes Produkt? Denn hinter den Digitalwährungen steckt häufig nicht viel mehr als ein ausgeklügelter Code, der es beispielsweise im Fall von Bitcoin ermöglicht, schnell, anonym und kostengünstig Finanztransaktionen durchzuführen.

Gesellschaftlich könnte man argumentieren, dass der Hype einen weiteren Schritt der in der Pandemie beschleunigten digitalen Transformation darstellt. Die Zahlenkolonne wird für manchen zum greifbaren Rohstoff. Dass das Vertrauen in digitale Werte steigt, zeigen auch die Börsenkurse von Technologieunternehmen, die in - oder durch - die Corona-Pandemie schwindelerregende Höhen erklommen haben.

Eine neue Anlageklasse für starke Nerven

Für den Ökonomen und Krypto-Analysten der DZ-Bank, Sören Hettler, liegen die Gründe vor allem in der expansiven Geldpolitik der internationalen Notenbanken. Was er meint: Es ist viel Geld auf dem Markt und Zinsen wird es auch auf längere Sicht kaum noch geben. "Investoren sehen sich mittlerweile gezwungen, auch außergewöhnlichere Anlageklassen in Erwägung zu ziehen", schreibt Hettler auf Anfrage der DW. Außergewöhnlich sind Bitcoins noch immer. So lag der Wert aller Bitcoins auf der Plattform coinmarketcap.com bei 640 Milliarden Dollar. Das klingt viel, ist aber im Vergleich etwas weniger als der Börsenwert des mindestens genauso gehypten Elektroauto-Pioniers Tesla. (Stand 13.01)

Doch neben Kryptofreaks sind es eben auch institutionelle Anleger, die zunehmend auf den Bitcoin-Zug aufspringen. So glaubt Patrick Hansen vom Branchenverband Bitkom, dass der Kursanstieg des Bitcoins auch daran liegt, dass ″Unternehmen und Investoren ihre Kapitalreserven in Bitcoin umschichten″, so Hansen auf DW-Anfrage.

Dazu gehören auch mehr und mehr seriöse Unternehmen wie die Versicherung MassMutual oder der Vermögensverwalter One River, der vor Kurzem Bitcoins im Wert von 600 Millionen Dollar erwarb. Am meisten Bitcoins weltweit besitzt mittlerweile auch ein Vermögensverwalter: Graytrust aus New York vereint fast drei Prozent aller verfügbaren Bitcoins auf sich. In einem Video auf seiner Webseite wirb Graytrust für die Vorteile: Goldbarren fallen vom Himmel, Menschen ziehen daran, es gibt Verteilungskämpfe. Die Botschaft: Digitalwährungen sind sicherer als physisches Gold.

Häufiger Vergleich: Bitcoin und Gold

Der Vergleich zwischen Bitcoin und Gold wird häufig herangezogen, um die Digitalwährung zu erklären. Beide sind in ihrer Menge als Ressource begrenzt. So hat es der Erfinder Satoshi Nakamoto im Code des Bitcoins vorgesehen. Doch Gold wird weltweit schon lange als Wertspeicher ("sicherer Hafen") akzeptiert. Der Bitcoin ist von der breiten Akzeptanz noch weit entfernt - das erklärt mitunter auch die massiven Kursschwankungen.

Während Bagger und Minenarbeiter für ein Gramm Gold Tonnen von Gestein bewegen, sind beim Bitcoin große Rechner und viel Strom nötig, um die Coins zu ″Schürfen″. Dadurch lasse sich - ähnlich wie beim Gold - eine Art Mindestpreis errechnen, damit die Kosten gedeckt sind, so Sören Hettler von der DZ-Bank. Ein wirklich überzeugendes Modell, mit dem ein angemessener Preis berechnet werden kann, ″existiert meines Erachtens aktuell nicht", so der Blockchain-Analyst. "Kryptowährungen sind das wert, was andere bereit sind, dafür zu bezahlen."

Auch ein Grund für das wachsende Interesse ist der Zugang. Während es früher nur Technik-Nerds möglich war, Kryptowährungen zu kaufen und auf dem Handy oder dem Computer zu speichern, wird auch das einfacher. Bestes Beispiel ist der Zahlungsabwickler Paypal, der im Oktober ankündigte, dass seine Kunden in den USA Bitcoin und drei weitere Kryptowährungen kaufen und verkaufen können. Weltweit hat Paypal mehr als 350 Millionen Kunden - viele davon dürften bald zum ersten Mal mit Digitalwährungen zu tun bekommen.

Schwarze Schafe im Kryptodschungel

Doch die Kryptowährungen sind bisher vor allem weiter eines: Ein Zockerobjekt, das so manchem große Gewinne und anderen massive Verluste beschert hat. Wie bei jedem Wachstumsmarkt, lockt das auch schwarze Schafe an. So steht auch der Bitcoin immer wieder in der Kritik, weil er eben auch Kriminellen Transaktionen über die Blockchain ermöglicht. Dass an den Schaltstellen der Coins auch Menschen sitzen, denen es vor allem um die Vermehrung ihres eigenen Kapitals geht, legt auch das Beispiel der Digitalwährung Ripple nahe. So reichte kurz vor Weihnachten die US-Börsenaufsicht Klage gegen Ripple und zwei Gründer ein. Der Vorwurf: Transaktionen von 1,8 Milliarden Dollar sollen nicht regulär abgelaufen sein. Im Februar findet die Verhandlung statt.

Sören Hettler, Analyst der DZ-BankBild: Torsten Silz/DZ-Bank

Der Blockchain-Experte beim Digitalverband Bitkom geht davon aus, dass von den Tausenden Kryptowährungen "die allermeisten keine langfristige Daseinsberechtigung haben." Auf die größeren Digitalwährungen hätten die Finanzaufsichten aber ein sehr genaues Auge.

Auch der Krypto-Erklärer Julian Hosp ist nicht unumstritten. So gibt es im Netz Berichte über Insiderhandel bei einem gescheiterten Startup. Hosp setzt auf jeden Fall weiter auf Digitalwährungen. Angst vor einem Crash hat er nicht. Nach dem starken Werteverlust des Bitcoins sieht er nach "der gesunden Korrektur nach unten" vor allem, einen günstige Gelegenheit Bitcoins einzukaufen. Derzeit zeige alles daraufhin, "dass es weiter nach oben geht", so Hosp in einem seiner Videos.

Für den Experten der DZ-Bank, Sören Hettler, ist es vor allem die Erwartung, dass die "Offenheit der Menschen gegenüber Kryptowährungen und damit deren allgemeine Akzeptanz in der Öffentlichkeit zunehmen." Ob es sich bei der aktuellen Bitcoin-Rally aber um eine weitere Blase handelt, "lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen".

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