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Erstwählende: Die neue Jugend in Deutschland

Kay-Alexander Scholz
1. Oktober 2021

Neben den Grünen hat auch die liberale FDP bei der Bundestagswahl bei der Jugend gut abgeschnitten. Überraschend sei das nicht, sagen Trend-Forscher - denn sowohl Grüne als auch FDP locken mit Angeboten für die Zukunft.

Bundestagswahl 2021 | Schlange vor einem Berliner Wahllokal
Bild: Hauke-Christian Dittrich/dpa/picture alliance

Oskar Teufert durfte vergangenen Sonntag zum ersten Mal den deutschen Bundestag wählen. Der 18-Jährige wünscht sich eigentlich eine Koalition aus der bürgerlichen CDU, der liberalen FDP und den Grünen. Das ist zwar rechnerisch möglich, wahrscheinlicher ist aber eine andere Koalition, mit den Sozialdemokraten statt der CDU. Insgesamt stimmt Oskar Teufert das Ergebnis der Bundestagswahl aber zuversichtlich: "Jetzt mit starken Grünen und einer starken FDP und einer relativ schwachen CDU und SPD können auch die Themen der kleinen Koalitionspartner ganz oben mit auf der Tagesordnung stehen."

Dabei liegt Oskar Teufert mit zwei seiner drei favorisierten Parteien - FDP und Grüne - genau im Trend der Erstwähler und Erstwählerinnen. Denn die FDP ist stärkste Kraft bei den jungen Menschen geworden, die bei der Bundestagswahl das erste Mal mit abstimmen durften. Für ihn sei der Schub der FDP eine absolute Überraschung, sagte Klaus Hurrelmann, einer der bekanntesten Jugendforscher Deutschlands, in Interviews.

Viele hatten die Grünen an der Spitze erwartet - auch als Folge der sehr populären Fridays-for-Future-Bewegung. Doch fast jeder vierte Erstwähler oder Erstwählerin (also diejenigen im Alter 18 bis 21 Jahren) wählte die liberale Partei, das ergaben Wahl-Umfragen. Bei den etwas Älteren bis 24 Jahren lag die FDP auf Platz zwei hinter den Grünen. Die "alten" Volksparteien SPD und CDU folgen - mit Abstand. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 lagen die Wähler der FDP noch im allgemeinen Bevölkerungsschnitt.

Nun aber scheint in Deutschland zu passieren, was in vielen Ländern Europas schon passiert ist - wie zum Beispiel in Österreich, Dänemark oder den Niederlanden: Liberale Ideen liegen im Trend.

Norbert Schäuble ist Gesellschafter des Sinus-InstitutsBild: Privat

"Das Ergebnis überrascht mich gar nicht," sagt Norbert Schäuble, Gesellschafter des unabhängigen Sinus-Instituts für Markt- und Sozialforschung im DW-Interview. "Es gibt nicht die eine Generation Y oder Generation Greta - bei den Jüngeren sind die Lebenswelten genauso vielfältig wie bei der Bevölkerung insgesamt."

Was der Jugend wichtig ist

FDP und Grüne als neue Volksparteien der Jugend? Aus Perspektive der Jugend gehe es um die eigene und gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit, erklärt Schäuble. "Grüne und FDP sind die beiden Parteien, die als Modernisierungsparteien Legitimität haben." Bei den Grünen überzeuge deren Zukunftserzählung mit Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit - bei der FDP fruchte die Zukunftserzählung von Eigenverantwortung und Leistung.

Wollen die Zukunft im Blick haben - die Spitzen der Grünen und Liberalen Bild: Instagram/@volkerwissing/via Reuters

Oskar Teufert hat im Bundesland Sachsen gewählt. "Ich glaube, es ist für viele junge Menschen unheimlich wichtig, wie Renten funktionieren werden", sagte er der DW. Auch für ihn sei das für seine Wahlentscheidung "super entscheidend" gewesen. Er habe FDP gewählt, weil beim Thema Renten "kommt man zwangsweise auf die FDP", sagt er.

Die Zukunftsmilieus

Es gibt in Deutschland ein Institut, das den Erfolg der Grünen und FDP fast schon vorweggenommen hat. Das Sinus-Institut gibt alle paar Jahre einen Überblick über die Milieuverteilung in Deutschland. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen anhand ihrer Lebensvorstellungen und Lebensweisen. Nun wurden die Milieus - nach zehn Jahren - angepasst. Die Ergebnisse standen schon vor der Wahl fest.

Im rechten Bereich des neuen Milieumodells liegen die Milieus, denen es um "Neuorientierung" geht. Hier finden sich die zwei jüngsten Milieus: das so genannte "Expeditive Milieu" und das "Neo-ökologische Milieu". Dies seien die "Zukunftsmilieus", so Schäuble, also die Trendsetter.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Beide Milieus eint die Sorgen und Gedanken um die Zukunft - nur der Weg dorthin sei unterschiedlich. "Die Neo-Ökologischen setzen auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und normative Vorgaben bis hin zum Verzicht. Die Expeditiven setzen eher auf digitale Innovation und Technologien, Eigenverantwortung und Freiheit."

"Diese Gesellschaftsvisionen werden am ehesten den Grünen und der FDP zugeschrieben, die mit ihren jeweiligen Zukunftserzählungen überzeugen", meint der Trendforscher Schäuble.

Wie viel Veränderung braucht Deutschland?

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Eine Polarisierung sieht der Forscher nicht. Die Gegensätze zwischen den Milieus seien nicht extrem, es gebe gemeinsame Themen und Überschneidungen.

Das zeigt sich auch bei Erstwählerin Tanja Werner. Genau wie Oskar Teufert hat sie im Bundesland Sachsen ihre Stimme abgegeben. Was ihr wichtig sei, fragte die DW? "Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Bildung - und Digitalisierung nicht zu vergessen."

Verwaltungen, die noch mit Fax-Geräten arbeiten, nicht digitalisierte Schulen - Trendforscher Schäuble glaubt, dass während der Corona-Pandemie gerade auch die Jugend die Modernisierungsdefizite hautnah erlebt habe. Ihre Zukunft müsse digitaler werden, das eint die Sicht der Jugend auf die kommenden Herausforderungen.

Gemischte Gefühle bei Erstwählern

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