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Israelische Schiffe im Visier von Piraten

Jo Harper (nm)
28. November 2023

Jemenitische Huthi-Rebellen haben aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen ein israelisches Containerschiff gekapert. Wird die politische Piraterie eine Gefahr für die internationale Schifffahrt?

Blick auf das Galaxy Leader Frachtschiff auf ruhiger See, im Hintergrund weitere Schiffe
Gekapert: das Frachtschiff Galaxy LeaderBild: Houthi Media Centre/AFP

Am 19. November kaperten jemenitische Huthis ein Frachtschiff im Roten Meer. Bewaffnete Männer sprangen aus einem Helikopter auf das Deck der "Galaxy Leader" und hissten palästinensische und jemenitische Flaggen. Huthi-Militärsprecher Jahja Sari ließ daraufhin mitteilen, alle Schiffe mit Verbindungen zum "israelischen Feind" würden nun "legitime Ziele".

Das Frachtschiff "Galaxy Leader" ist etwa 190 Meter lang und wurde 2002 zum Transport von Autos gebaut. Es gehört zur Firma des israelischen Geschäftsmanns Abraham Ungar.

Der Website Marine Traffic zufolge hatte das leere Schiff Körfez in der Türkei verlassen und war auf dem Weg nach Pipavav in Indien. Südwestlich von Dschidda in Saudi-Arabien wich die "Galaxy Leader" von ihrer Route ab. Derzeit liegt das Schiff offenbar im Hafen von Hodeida im Jemen vor Anker.

Ein Sprecher der israelischen Armee sprach von einem "sehr schwerwiegendem Vorfall mit globaler Reichweite". Das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu machte den Iran direkt für den Angriff verantwortlich. "Dies ist ein weiterer Akt des iranischen Terrorismus."

Der Betreiber des Schiffes, die japanische Reederei Nippon Yusen, teilte mit, sie sammele derzeit Informationen über die 25-köpfige Besatzung, die aus den Philippinen, Bulgarien, der Ukraine, Rumänien und Mexiko stammt.

Einige Tage später, am 26. November, gab es einen erneuten Vorfall. Die US-Marine nahm Berichten zufolge fünf Piraten gefangen. Die hatten zuvor versucht, den von einem israelischen Geschäftsmann betriebenen Tanker "Central Park" im Golf von Aden nahe Somalia zu kapern.

Geopolitisches Gezanke

Schon in den Monaten vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hatte die Zahl der Schiffsentführungen wieder zugenommen. Als besonders anfällig gelten dabei der Persische Golf, die Straße von Hormus und der Golf von Oman.

Die jüngsten Überfälle sind aber vor allem auf die Spannungen zwischen den USA und dem Iran und die Beschränkungen für den Handel von iranischem Öl zurückzuführen. Sie seien Teil eines Vergeltungsschlages des Iran gegen die USA und das Vereinigten Königreich, sagt Dimitris Maniatis, kaufmännischer Leiter des Sicherheitsunternehmens Seagull Maritime: "Die Revolutionsgarden wollen mit ihrer Marine zeigen, dass sie die Straße von Hormus kontrollieren", so Maniatis.

Satellitenaufnahmen: Der Golf von Aden und die Meeresenge Bab al-MandabBild: NASA/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Bereits im April und Mai beschlagnahmten iranische Seestreitkräfte drei unter internationaler Flagge fahrende Öltanker. Das war offenbar eine Reaktion auf die Beschlagnahmung von Tankern durch die USA, die iranisches Öl transportiert und so die Sanktionen unterlaufen haben sollen.

Experten gehen davon aus, dass es weiterhin zu solchen Vorfällen kommen wird und dass vor allem Schiffe, die mit Israel in Verbindung stehen, zu Zielen werden. "Sie (Die Piraten - Anm. d. Red.) suchen die Aufmerksamkeit der Medien und sie haben Informationen über israelische Schiffe. Es ist sehr einfach, sie zu verfolgen", sagt Maniatis.

Dazu passt die Aussage von Huthi-Rebellen-Anführer Abdul Malik al-Huthi. Demnach halte man gezielt nach israelischen Schiffen im Roten Meer Ausschau - auch nach solchen, die nicht unter israelischer Flagge unterwegs seien.

Huthis handeln nicht allein

"Das alles ist nichts Neues, es ist nur eine große Nachricht, weil die Huthis es getan haben", sagt Maniatis. "Seit 2019 wird in der Straße von Hormus die gleiche Taktik von den Iranern angewandt. Die Huthis agieren nun stellvertretend für Teheran gegen Israel und andere", fügt er hinzu.

Der Jemen liegt im Süden der Arabischen Halbinsel. An ihr vorbei führt einer der wichtigsten Schifffahrtswege der Welt vom und zum Sueskanal in Ägypten. Dieser Kanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und ist damit die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg von Asien nach Europa. Etwa zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer, darunter auch Öl und Flüssiggas.

Die Huthis wiederum kontrollieren einen Großteil der Westküste des Jemen. Damit haben sie Kontrolle über einen Teil des Roten Meeres und die Meerenge von Bab al-Mandab, die zu den meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt gehört.

Huthi-Rebellen in Jemens Hauptstadt Sanaa mit palästinensischen FlaggenBild: Mohammed Huwais/AFP

Vieles spricht dafür, dass die Huthis mit Unterstützung Teherans ihre Strategie nun verändert haben. "Die Huthis haben in den letzten Jahren keine Schiffsentführungen durchgeführt", sagt Harish Natarajan von der Sicherheitsfirma AKE International.

Bisher sei die größte Gefahr im Roten Meer und im Golf von Aden von Piraterie aus rein wirtschaftlichen Interessen ausgegangen, sagt Natarajan. Nach Ansicht von Fachleuten müssen Eigner zwischen einer und anderthalb Millionen Dollar Lösegeld für die Rückgabe eines gekaperten Schiffes bezahlen.

"Die Beschlagnahmung der 'Galaxy Leader' war politisch motiviert", sagt auch John Stawpert von der Internationalen Schifffahrtskammer der DW. "Die Bedrohung für die Handelsschifffahrt insgesamt ist gering, und das wird wahrscheinlich auch so bleiben", so Stawpert weiter.

Vor allem ein politisches Risiko

Vorhersagen sind jedoch schwer, vor allem angesichts der Tatsache, dass etwa ein Drittel des täglichen Schiffsverkehrs weltweit die nordöstliche Ecke Afrikas passiert.

Laut dem Sicherheitsexperten Natarajan hängt das Risiko eines Angriffes vor allem von den Entwicklungen im Gazastreifen ab. Eine Eskalation der israelischen Operationen gegen die Palästinenser würde das Angriffsrisiko auf israelische Schiffe und möglicherweise auch auf US-amerikanische und westliche Einrichtungen erhöhen.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen kostet die Piraterie die weltweite Schifffahrt jährlich bis zu zwölf Milliarden Dollar.

Bislang hätten Versicherer ihre Geschäftspraktiken nicht geändert, sagt Stawpert von der Schifffahrtskammer. "Wegen der besonderen Natur der jüngsten Vorfälle bleibt die Bedrohung der Schifffahrt insgesamt gering." Es sei daher auch unwahrscheinlich, dass Reeder ihre Schiffe in großem Stil umleiten, um die Passage durch das Rote Meer zu vermeiden.

Sicherheitsexperte Minaitis sieht das ähnlich: "Wir erwarten keinen Rückgang des Seehandels, sondern lediglich eine Erhöhung der Sicherheit und damit der Kosten." Schließlich hätten die meisten Schiffe keine Verbindung zu Israel.

 

Dieser Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert.

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