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Politik

Streit ums Geld nach der Wahl

18. Mai 2019

Die Gräben in der EU sind tief. Sie verlaufen zwischen Nord und Süd, West und Ost. Im Kern geht es um Geld und Solidarität. Das neue Parlament muss den Haushalt verabschieden.

Europäische Flagge mit Euro Münzen
Bild: picture alliance/dpa/K. Ohlenschläger

Das liebe Geld spielt im europäischen Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle, doch das neue Parlament wird sich recht schnell mit dem neuen Haushaltsrahmen der EU für 2021-2027 beschäftigen müssen. Der Entwurf von Haushalts-Kommissar Günther Oettinger liegt schon lange auf dem Tisch. Die geplante Verabschiedung noch vor der Europawahl scheiterte. Zu weit sind die Positionen der EU-Staaten, die einzahlen, und der Staaten, die etwas herausbekommen, auseinander. Ganz grob eingeteilt liegen die Netto-Zahler eher im Norden und Westen der EU. Die Länder, die wirtschaftlich schwächer da stehen und aufgepäppelt werden sollen, liegen im Osten und Süden der Union.

Nord gegen Süd?

Oft wird deshalb von einem "Nord-Süd"-Konflikt innerhalb der EU oder einer Teilung in Reiche im Westen und Habenichtse im Osten gesprochen. Das ist plakativ, aber manchmal auch etwas zu  einfach, meint der EU-Experte Janis Emmanouilidis von der Denkfabrik "European Policy Center". "Wir haben Konflikte, die nördliche Staaten und südliche Staaten umfassen. Wir haben scharfe Differenzen und Trennungen innerhalb von Mitgliedsstaaten. Man muss sehr vorsichtig sein, damit man die Dinge nicht zu simpel darstellt." Die Schlacht um den Haushalt wird nach der Wahl beginnen und die Linien zeichnen sich grob ab, wie Haushaltskommissar Günther Oettinger schon bei der Vorstellung seines Plans im letzten Jahr ahnte: "Es gibt einige Länder, die sagen, der Gesamtumfang sei zu hoch. Es gibt andere Länder, die wehren sich vehement gegen jede Kürzung im Agrarhaushalt."

Günther Oettinger muss mehr Aufgaben wie Grenzschutz und Verteidigung finanzieren, gleichzeitig fällt Großbritannien nach dem Ausscheiden aus der EU, also wahrscheinlich 2021, als Nettozahler weg und hinterlässt jährlich eine Lücke bei den Einnahmen von 10 Milliarden Euro. Die Hälfte davon will Oettinger durch Einsparungen ausgleichen, die andere Hälfte durch höhere Beiträge der verbliebenen Nettozahler Deutschland, Frankreich, Niederlande, Italien, Schweden, Finnland, Dänemark, Österreich, Belgien, Irland. Der niederländische Premierminister Mark Rutte ist strikt gegen eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Der Bundeskanzler von Österreich, Sebastian Kurz, pflichtet ihm bei. Beide müssen Rücksicht auf populistische Parteien zuhause nehmen, die die Stimmung gegen die EU anheizen.

Mark Rutte: Mehr Geld nach dem Brexit kommt nicht in Frage für die NiederlandeBild: AFP/Getty Images/L. Marin

Arm gegen reich?

Auf der anderen Seite des Grabens stehen die Nettoempfänger wie Polen, Ungarn oder Griechenland. Sie lehnen Kürzungen ab, fordern mehr Mittel und mehr Solidarität ein. Das wiederum bringt den Niederländer Mark Rutte auf die Palme. In der Finanzkrise hatte die EU Griechenland, Zypern, Irland, Portugal und Spanien mit Milliarden-Krediten unterstützt. Dieses Risiko müsse künftig an strikte Bedingungen geknüpft werden, fordert Rutte: "Unterstützung für Staaten mit untragbar hohen Schulden kann nur in Betracht kommen, wenn zuerst die Inhaber von Staatsanleihen durch Umschuldung an der Rettung beteiligt werden." Die Niederländer und nicht nur sie allein lehnen es inzwischen ab Banken, die faule Staatsanleihen halten, freizukaufen und zu retten. "Es wäre unfair, die Steuerzahler in anderen Staaten zu bitten, die Rechnung zu bezahlen, wenn private Investoren kein Glück mehr haben", erklärt der niederländische Premier immer wieder.

Die populistische Regierung in Italien steuert einen ganz anderen Kurs. Das Haushaltdefizit wächst, die Schulden steigen. Besonders die Partei "5 Sterne" ist der Auffassung, dass Italien mit jährlich zwei Milliarden Euro netto viel zu viel in die Gemeinschaftskasse in Brüssel einzahlt und die anderen EU-Staaten auf die eine oder andere Weise Staatsschulden Italiens übernehmen oder finanzieren sollten. Da in Italien, wie in eingen anderen Mitgliedsstaaten auch, das Motto herrscht "Mein Staat zuerst..." dürfte es schwer werden bei der Verteilung von Gelder und finanziellen Solidaritätsversprechen, einen Kompromiss zu finden.

Politik-Experte Janis Emmanouilidis: Fähigkeit zum Kompromiss schwindetBild: DW/B. Riegert

"Kein Einvernehmen mehr bei zentralen Fragen "

Die Fähigkeit zum Interessenausgleich habe in der EU in den letzten Jahren durch die Schuldenkrise und die Migrationskrise stark gelitten, meint der EU-Experte Janis Emmanouilidis. "Wenn man etwas tiefer gräbt, wird man sehen, dass die Einigkeit doch sehr oft und sehr schnell bröckelt, dass es bei zentralen Fragen kein Einvernehmen mehr gibt und nicht die Möglichkeit gibt, doch noch einen Kompromiss zu finden", sagte Emmanouilidis der DW. Das Anwachsen rechtspopulistischer Parteien  in wirtschaftlich schwächeren Ländern, aber nicht nur da, macht die Lage nicht besser, glaubt der EU-Forscher Karel Lennoo. Er leitet das "Zentrum für europäische Politikstudien" in Brüssel. "Die Attraktivität von Rechtspopulisten ist in manchen Fällen verknüpft mit dem großen Unterschied zwischen arm und reich. Das sehen wir sicherlich in Italien. Wir sehen das in Griechenland und Zypern, etwas weniger in Spanien. Rechtspopulisten sind sicher in südlichen Staaten erfolgreich."

Italien - Aufstand gegen die EU

04:16

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Der niederländische Premierminister Mark Rutte, einer der dienstältesten Regierungschefs in der EU, hat eine andere Beobachtung gemacht. Portugal und Spanien hätten sich nach den finanziellen Rettungsmaßnahmen der EU wieder erholt. Das zeige, dass es nicht so sehr um die Geografie, sondern um die politische Haltung gehe bei den Gräben und Unterschieden in der EU. EU-Haushaltskommissar Oettinger will bei den anstehenden Verhandlungen ums schwer umkämpfte Budget, rund eine Billion Euro in sieben Jahren, noch ein weiteres Kriterium berücksichtigen. Auszahlungen sollen an Rechtstaatlichkeit und Mitarbeit in der Migrationspolitik geknüpft werden. Polen und Ungarn lehnen diese Bedingung ab. Sie müssten mit Kürzungen der Zuschüsse rechnen. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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