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Politik

US-Wahl: Abwarten und Sorge in der EU

4. November 2020

Noch ist der Ausgang der Wahl in den USA offen. Doch mit seiner einseitigen Siegeserklärung löst Donald Trump teils heftige Reaktionen bei EU-Politikern aus. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Zerrissene EU Fahne vor USA Fahne Handelsstreit zwischen USA und EU *** Ripped EU flag in front of
Bild: imago/C. Ohde

Den noch offenen Wahlausgang in den USA kommentierte der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, wie es sich für sein Amt gehört: diplomatisch. "Das amerikanische Volk hat gesprochen", schrieb Borrell auf Twitter. "Während wir auf die Wahlergebnisse warten, bleibt die EU bereit, weiter an einer starken transatlantischen Partnerschaft zu arbeiten, die auf gemeinsamen Werten und gemeinsamer Geschichte fußt."

Der ehemalige spanische Außenminister weiß natürlich, dass er im Falle eines Wahlsieges von Donald Trump weiter mit einem in der EU als relativ unberechenbar angesehenen Präsidenten zusammenarbeiten muss. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte in Brüssel, der Prozess der Stimmenauszählung sei noch nicht beendet. Erst dann werde die EU Stellung nehmen. Die Erklärung von Trump, er habe gewonnen, nimmt man in Brüssel offenbar nicht für bare Münze. 

US-Präsident Donald Trump hatte im Weißen Haus erklärt, er habe einige umkämpfte Bundesstaaten gewonnen, bevor die Wahlbehörden ein Ergebnis festgestellt hatten. Er kündigte an, den Obersten Gerichtshof der USA anrufen zu wollen. Er sprach von Wahlbetrug und einer Schande für das Land. Einige Stunden zuvor hatte der Herausforderer, der Kandidat der Demokraten, Joe Biden, erklärt, er sehe sich "auf dem Weg zum Sieg".

Scharfe Kritik aus dem Europaparlament

Der Europaabgeordnete Radoslaw Sikorski sagte der Deutschen Welle über Trumps Behauptung, er habe die Wahl gewonnen: "Er lügt." Der ehemalige polnische Außenminister Sikorski ist der Vorsitzende der Parlamentariergruppe, die sich um die Beziehungen zu den USA kümmert.

EU-Parlamentarier Sikorski: "Trump lügt" (Archivbild)Bild: DW

Er würde ja gerne die üblichen Floskeln verwenden, dass man mit jedem Präsidenten gut zusammenarbeiten werde, sagte Sikorski, aber das könne er nicht. "Wir wissen, dass wir es hier mit einen Präsidenten zu tun haben, der der EU gegenüber feindselig eingestellt ist. Wir hätten lieber jemanden in Washington, mit dem wir gemeinsam eine Strategie entwickeln können, um zum Beispiel mit China umgehen zu können." Trump sei unzuverlässig, kritisierte Sikorski. "Er ist ein unberechenbarer Anführer, der in der Außenpolitik inkompetent ist."

Ähnlich harsch fiel die Reaktion des außenpolitischen Experten von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament aus, Reinhard Bütikofer. Er sagte am Mittwochmorgen, die Ankündigung von Präsident Trump, die Auszählung in einigen Bundesstaaten per Gerichtsbeschluss beenden zu lassen, sei ein "beispielloser Angriff auf die amerikanische Demokratie".

Bütikofer wies darauf hin, dass sich in der US-amerikanischen Geschichte noch nie ein Präsident vorzeitig zum Gewinner einer Wahl erklärt habe, während die Stimmen in einzelnen Bundesstaaten noch ausgezählt wurden und das Ergebnis nicht klar war. Bütikofer rief "gewichtige Stimmen der Republikaner" auf, dem "umstürzlerischen Vorgehen ihres Präsidenten öffentlich zu widersprechen".

Bleibt das freundliche Händeschütteln? EU-Außenbeauftragter Josep Borrell (l) und US-Außenminister Mike Pompeo (r)Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Wolf

Sloweniens Premier: "Trump hat gewonnen"

Janez Jansa, der Ministerpräsident des EU-Mitgliedslands Slowenien, hat sich auf die Seite von Donald Trump geschlagen. Es sei ziemlich klar, dass das US-amerikanische Volk Trump wiedergewählt habe, schrieb Jansa auf Twitter.

"Mehr Verzögerungen und das Leugnen der Fakten durch die etablierten Medien würde den Sieg des Präsidenten nur noch größer machen." Der konservative Jansa zweifelt wie Trump den von Menschen gemachten Klimawandel an und tritt dafür ein, dass Slowenen wie US-Amerikaner Waffen tragen dürfen.

Litauens Ex-Präsidentin: "Handelskrieg droht"

Die ehemalige Präsidentin Litauens, Dalia Grybauskaite, sagte der Deutschen Welle, die Entwicklung gehe in eine "hässliche Richtung". Sie sei besorgt über eine tiefere Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft. In einer möglichen zweiten Amtszeit werde Trump "zuverlässig unvorhersehbar" bleiben. "Auf der internationalen Bühne wird es sehr schwierig werden, über internationale Institutionen und die transatlantischen Beziehungen nachzudenken", sagte Grybauskaite, die in ihrem früheren Amt Donald Trump persönlich erlebt hat.

Seite an Seite beim NATO-Gipfel 2017: Trump (Mi.) und Grybauskaite (re.)Bild: Getty Images/M.Ngan

Für das NATO-Land Litauen sieht sie weniger Probleme. "Er hat sich zum Beistand verpflichtet." Für die EU drohe aber ein Handelskrieg mit Strafzöllen. Bei der militärischen Verteidigung gegenüber Russland werde sich Europa mehr anstrengen müssen. Grybauskaite geht aber davon aus, dass sowohl Donald Trump als auch Joe Biden zur NATO stehen, falls sie Präsident werden.

Frankreichs Finanzminister: Mit Biden würde nicht alles besser

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire reagierte eher gelassen. Er sagte in einem Interview mit dem französischen Klassik-Radio: "Machen wir uns nichts vor. In den vergangenen Jahren waren die USA kein freundlicher Partner Europas mehr. An dieser strategischen Tatsache ändert sich nichts, egal ob nun Joe Biden oder Donald Trump heute oder morgen gewählt werden." Die USA hätten Milliarden US-Dollar an Strafzöllen erhoben, weil Donald Trump glaube, US-amerikanische Firmen stünden in Europa vor unfairen Handelsbarrieren. "Der amerikanische Kontinent hat sich vom europäischen Kontinent abgekoppelt", meinte Bruno Le Maire. 

Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen bezeichnete das Vorgehen Trumps als ein Kapitel aus dem "Lehrbuch des Populismus": "Fakten verdrehen, selbst lügen und es dann dem Gegner vorwerfen, abschließend vor Chaos warnen, das man selbst angerichtet hat."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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