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Politik

Österreich: Rennen um Platz zwei offen

16. Oktober 2017

Freude bei Europas Rechtspopulisten über das Abschneiden der FPÖ. Politiker von CDU und CSU ziehen verschiedene Lehren aus dem Ergebnis der Nationalratswahl. Erst am Donnerstag steht das Endergebnis fest.

Österreich, Wahlparty ÖVP
Party beim Wahlsieger: Anhänger der ÖVP bejubeln das ErgebnisBild: picture-alliance/APA/picturedesk.com/R. Jäger

Österreich bekommt voraussichtlich den jüngsten Bundeskanzler seiner Geschichte: Die konservative ÖVP mit dem 31-jährigen Spitzenkandidaten Sebastian Kurz hat die Parlamentswahl gewonnen. Die rechtspopulistische FPÖ mit ihrem Spitzenmann Heinz-Christian Strache verbuchte ihr bestes Ergebnis seit fast 20 Jahren und kann sich Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung machen. Die bisher regierenden Sozialdemokraten (SPÖ) um Bundeskanzler Christian Kern büßten ihre Position als stärkste Kraft ein. Die ÖVP kam dem Innenministerium zufolge auf 31,4 Prozent, die FPÖ auf 27,4 Prozent, die SPÖ auf 26,7 Prozent. Die ÖVP wurde damit erstmals seit 2002 wieder stärkste Kraft in Österreich. Spitzenkandidat Kurz dürfte somit die künftige Regierung als Bundeskanzler anführen und jüngster Regierungschef Europas werden. Eine Koalition aus ÖVP und FPÖ scheint wahrscheinlich.

Warum es so lange dauert, bis das Endergebnis fest steht

Unklar ist nach wie vor, wer die zweitstärkste Kraft wird. Es fehlen noch die ausgezählten Stimmen der Briefwähler. Nach einer Hochrechnung des Sora-Instituts, die eine Schätzung für die Briefwahlstimmen berücksichtigt, hat die SPÖ leicht die Nase vorn. Aber auch für kleinere Parteien wie die Grünen, die nach jetzigem Stand aus dem Parlament ausscheiden, könnten die fast 890.000 Wahlkarten die entscheidende Wende für einen Verbleib oder Auszug aus dem Nationalrat bringen. Erst am Donnerstag wird das Innenministerium in Wien das Endergebnis verkünden.

Er wird wahrscheinlich Kanzler - aber in welcher Koalition?Bild: Getty Images/S. Gallup

Der Grund: Rund 750.000 der etwa fünf Millionen Wähler haben per Briefwahl ihre Stimme abgegeben. Das Öffnen der Kuverts am Wahltag ist verboten. Die Auszählung begann deshalb erst an diesem Montag. Die letzten Stimmen werden erst am Donnerstag ausgewertet sein. Wenn nämlich eine Wahlkarte im verschlossenen Kuvert in einem Wahllokal außerhalb des eigenen Wahlkreises abgegeben wurde, müssen die Unterlagen erst an die zuständige Stelle zurückgeschickt werden. Die bisherigen Hochrechnungen der Meinungsforschungsinstitute beruhen auf der bereits vollständigen Auszählung der Urnenwahl und der Prognose der Briefwahlkarten. So gibt es zunächst noch eine Schwankungsbreite von 0,7 Prozentpunkten. Traditionell schneidet die FPÖ bei den Briefwahlstimmen schwächer ab. Das Innenministerium gab bislang nur das Ergebnis der Urnenwahl bekannt - ohne die Briefwahlstimmen zu berücksichtigen. Daher kommt es bisher zu unterschiedlichen Resultaten.

Alternative für Deutschland: "ganz nette SMS-Korrespondenz"

Das starke Abschneiden der rechtspopulistischen FPÖ bei der österreichischen Parlamentswahl ist in der Alternative für Deutschland (AfD) mit Freude aufgenommen worden. "Die FPÖ ist sicherlich von den anderen europäischen Parteien die, die uns am nächsten ist", sagte AfD-Chef Jörg Meuthen. Bereits am Wahlabend habe er FPÖ-Chef Strache in einer "ganz netten SMS-Korrespondenz" persönlich gratuliert. Auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hob die "sehr guten Beziehungen" zur FPÖ hervor. Aus "historischen, sprachlichen, wie auch immer gearteten Gründen" verbinde beide Parteien viel. "Ich hoffe, dass eine Regierung zustande kommt zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Hans-Christian Strache von der FPÖ", so Gauland. "Ich sortiere Österreich immer bei den Staaten ein, die für Grenzsicherung sind."

Auch die rechtspopulistische Front National (FN) in Frankreich hat der FPÖ gratuliert:  "Bravo für unsere Freunde und Verbündeten von der FPÖ", schrieb FN-Chefin Marine Le Pen auf Twitter zu einem Foto von Parteichef Heinz-Christian Strache.

Österreich sei "wie Frankreich ein durch die Flüchtlingskrise geschlagenes Land". Auch dort gebe es "wirtschaftliche und soziale Spannungen" sowie Probleme mit der nationalen Sicherheit und Identität, erklärte die FN.  Zugleich nannte die Front National das Ergebnis eine "willkommene Niederlage für die Europäische Union".

Ungarns konservativer Außenminister Peter Szijjarto gratulierte Sebastian Kurz zum Wahlsieg: "Wir sind sehr glücklich, dass eine Schwesterpartei von uns gewonnen hat, zumal sie in vielen Punkten in der Flüchtlingspolitik so denkt wie wir." Szijjarto sagte, er erwarte, dass die neue österreichische Regierung enger mit Staaten wie Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien zusammenarbeiten werde, die der EU-Flüchtlingspolitik skeptisch gegenüber stehen.

Dobrindt: "Wahlen können Mitte-rechts gewonnen werden"

In Deutschland begrüßten Politiker von CDU und CSU das Wahlergebnis. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sieht im Rechtsruck bei der Parlamentswahl in Österreich ein Zeichen für den künftigen Kurs der Union. Die Wahlentscheidung zeige, "dass Wahlen Mitte-rechts gewonnen werden können", sagte Dobrindt vor einer CSU-Vorstandssitzung in München.  "Das ist mehrheitsfähig."

Junge Union-Chef Paul Ziemiak (links), hier mit Angela MerkelBild: picture alliance/dpa/M. Skolimowska

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Paul Ziemiak, sieht den Erfolg der ÖVP als Beleg für den Erfolg junger Spitzenpolitiker. "Das zeigt mir, dass auch frische und neue Köpfe, dass eine moderne Parteiführung dazu geführt haben in Österreich, dass jetzt die ÖVP der Sieger ist", sagte Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur. Der Wirtschaftsflügel der Union hat als Konsequenz aus dem Erfolg der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rückbesinnung auf die Innenpolitik verlangt. "Viele Menschen sehnen sich nach einer Politik, die den Blick wieder mehr nach innen richtet und für Ordnung und Sicherheit im eigenen Land sorgt", sagte der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, der Deutschen Presse-Agentur. "Das gilt auch für Deutschland." Linnemann sagte, der Wahlausgang in Österreich bestätige einen Trend: "Das politische Koordinatensystem in der EU verschiebt sich, die Flüchtlingskrise hat tiefe Spuren hinterlassen." Die Union sei "also gut beraten, sich wieder auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen, zum Beispiel im Bereich der inneren Sicherheit".

EU-Kommissar: ÖVP ist europafreundlich

Die Parlamentswahl hat aus Sicht des österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn "nicht zu einem fundamentalen Rechtsruck" in seiner Heimat geführt. ÖVP und SPÖ hätten eine klar europafreundliche Ausrichtung, sagte Hahn beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Und selbst die rechtspopulistische FPÖ habe "erkannt, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung für die Europäische Union ist".

mas/as (afp, dpa, rtr)

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