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Nach der Zyanid-Katastrope Anfang 2000 mehren sich in Rumänien die Proteste gegen neue Goldbergbau-Pläne

19. November 2002

Köln, 18.11.2002, DW-radio / Rumänisch, Keno Verseck

Ende Januar 2000 verursachte eine australisch-rumänische Goldfirma das bisher größte Zyanidunglück im europäischen Bergbau. Aus einem Staubecken bei der Stadt Baia Mare in Nordrumänien flossen 100 000 Tonnen zyanid- und schwermetallhaltige Abwässer aus einem Staubecken in die Theiss und die Donau und lösten ein Massenfischsterben und Trinkwasserprobleme in Rumänien, Ungarn und Serbien aus. Jetzt, knapp zwei Jahre danach, soll in Westrumänien Europas größtes Zyanidgoldbergwerk gebaut werden. Betreiber ist die kanadisch- rumänische Firma Rosia Montana Gold Corporation. In Rumänien hat as Projekt landesweite Proteste ausgelöst. Auch die Europäische Union ist besorgt. Keno Verseck berichtet aus Rosia Montana, wo das Zyanidgoldbergwerk gebaut werden soll:

Rosia Montana liegt in den Bergen Westsiebenbürgens zwischen bewaldeten Hügeln und Bergwiesen. Es muss einst ein idyllischer Ort gewesen sein. Heute herrscht in der ganzen Gegend ökologischer Notstand. Überall hat die staatliche Bergbaugesellschaft Minvest riesige Abraumhalden mit Giftschlämmen hinterlassen. Die Flüsse im ganzen Gebiet sind biologisch tot.

Nun sollen Rosia Montana und zwei weitere Dörfer verschwinden und 900 Familien umgesiedelt werden. Denn der Boden unter den Orten enthält ein Gramm Gold pro Tonne, wie geologische Untersuchungen in den vergangenen Jahren ergaben. Aus der Erde holen will das Gold die kanadisch-rumänische Firma Rosia Montana Gold Corporation, und zwar mit Zyanid. Die Technologie der Zyanidwäsche ist sehr effektiv, wenn Gestein nur geringe Mengen an Edelmetallen enthält. Aber auch hochgefährlich. Zyanidwäsche ist daher in fast allen europäischen Ländern verboten.

Auch viele Rumänen wollen seit dem Zyanidunfall in Baia Mare vor zwei Jahren keinen Zyanidbergbau mehr. Das Projekt von Rosia Montana wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Rumänische Umweltgruppen, Bürgervereinigungen und auch internationale Organisationen wie Greenpeace seit Sommer mehrfach Protestdemonstrationen vor Ort abgehalten.

Gabriel Dumitrascu, der stellvertretende Direktor der Rosia Montana Gold Corporation beschwert sich über die Umweltschützer:

"Alle ihre Anschuldigen sind unbegründet und haben keine reale Basis, es sind nur apokalyptische Vermutungen. An unserem Projekt haben rumänische und internationale Spezialisten gearbeitet. Ich glaube nicht, dass alle diese Spezialisten etwas ausgearbeitet haben, das zu einem ökologischen Desaster führen wird."

Die Zahlen des Rosia-Montana-Projektes klingen gewaltig: 400 Millionen Dollar will die kanadisch-rumänische Firma investieren und mehrere tausend Arbeitsplätze schaffen. Auf 21 Quadratkilometern sollen insgesamt 225 Millionen Tonnen Erde und Gestein bewegt und mit jährlich 5 000 Tonnen Zyanid behandelt werden. Ein riesiger Stausee soll gebaut werden, Fassungsvermögen: 250 Millionen Kubikmeter Abwässer. Die Abwässer würden kaum Zyanid enthalten, weil diese vor ihrer Einleitung in den Stausee neutralisiert werden würden, behaupten Techniker der Rosia Montana Gold Corporation.

Mihaela Lazarescu ist eine der führenden rumänischen Experten für Bergbauanlagen und Rückstandsbecken. Sie bezweifelt, dass die Technologie des Projektes umweltfreundlich sein wird:

"Rosia Montana wird eine ökologische Bombe sein. Nach zwanzig, dreißig Jahren, wenn der Goldabbau beendet sein wird, werden wir auf dem Rückstandsbecken und auf den Halden sitzen bleiben, die sehr schwer zu beseitigen sind. Dass ein geschlossener Zyanidkreislauf existiert und nichts austreten wird, das behaupten die Leute von der Firma, aber so etwas gibt es nicht."

Das rumänische Umweltministerium hat der kanadisch-rumänischen Firma dennoch eine Genehmigung für das Projekt erteilt. Immerhin geht es für den Staat um Investitionen und Beschäftigung in einer Region, in der 40 Prozent der Menschen ohne Arbeit sind.

Nicht nur in Rumänien, sondern auch bei der Europäischen Union in Brüssel sieht man die Genehmigung des Projektes mit Besorgnis. Pia Ahrenkilde-Hansen, Sprecherin der EU-Umweltkomissarin Margot Wallström, bringt diplomatische Kritik an:

"Wir verfolgen das Rosia-Montana-Projekt, und die EU-Komission hat betont, dass alle Aspekte wie das Befragen der Leute und der Umweltschutz befolgt werden sollten. Aber natürlich ist Rumänien kein EU-Mitglied, und wir können über dieses Projekt nicht entscheiden. Wir haben gegenüber Rumänien jedoch unterstrichen, dass es wichtig ist, Umweltregeln zu beachten."

In Rosia Montana selbst sind die Menschen gespalten. Manche freuen sich über das Projekt und hoffen auf einen Arbeitsplatz oder sind bereits weggezogen. Hundert Häuser und Grundstücke hat die kanadisch-rumänische Firma schon aufgekauft, zu hohen Preisen. Andere Bewohner wollen um keinen Preis weg.

Einer von ihnen ist Eugen Cornea, ein ehemaliger Bergbauingenieur, der jetzt als Rentner mit seiner Frau im Ort lebt. Zusammen mit anderen aus dem Ort hat er die Vereinigung Alburnus Maior gegründet, die gegen die Umsiedlung protestiert.

(Cornea) "Überall in der Welt, wo diese transnationalen Firmen waren, haben sie eine Wüste hinterlassen, Mondlandschaften, die Umwelt ist nicht wieder hergestellt worden." Seit die kanadisch-rumänische Firma im Ort ist, habe sich das Leben zum Schlechten geändert, erzählt Cornea. "Es ist ein fantastischer Stress, sie führen einen psychologischen Krieg gegen uns. Früher waren wir wie eine Familie. Heute bedrohen mich die Leute im Ort. Manche haben mir gesagt, es könnte sein, dass mich ein Auto anfährt. Aber wir werden hier nicht weggehen, dass das klar ist." (TS)