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Politik

Orbans Besänftigungsversuch

24. September 2022

Korruptionsvorwürfe und mangelnde Rechtsstaatlichkeit: Ungarn droht der Entzug von EU-Fördergeldern. Nun versucht die Regierung von Viktor Orban, noch schnell das Ruder herumzureißen.

Ungarn I Parlamentsgebäude in Budapest
Ungarisches Parlament in Budapest: Gesetztentwurf zu später Stunde auf der InternetseiteBild: Lotti Fabio/Zoonar/picture alliance

7,5 Milliarden Euro Fördermittel stehen für Ungarn auf dem Spiel. Diese Summe hält die EU-Kommission unter Verschluss, solange jahrelange Vorwürfe nicht endlich ausgeräumt sind. Es geht um den mutmaßlichen Missbrauch von EU-Geldern und Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Die EU-Kommission hat der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban zwei Monate Zeit gegeben, um die Missstände abzustellen und damit ungeschoren aus dem Rechtsstaatsverfahren auszusteigen.

Wenn es ums Geld geht, scheint der Druck aus Brüssel auf Budapest zu wirken: Ungarns rechtsnationale Regierung hat jetzt innerhalb weniger Tage ein zweites Gesetzespaket vorgelegt, mit dem der Missbrauch von EU-Geldern verhindert werden soll. Im Kern beinhaltet es den Aufbau einer Integritätsbehörde. Diese kann eingreifen, wenn Beamte bei mutmaßlichen Betrugsfällen oder Fehlverhalten im Zusammenhang mit EU-Geldern nicht einschreiten.

Weitere Gesetze in Arbeit

Die neue Behörde soll die Vorbeugung, Ermittlung und Korrektur von möglichem Betrug, Interessenskonflikten, Korruption und anderen Regelwidrigkeiten bei der Verwendung von EU-Geldern erleichtern. Einen entsprechenden Vorstoß hat jetzt Justizministerin Judit Varga vorgelegt. Die Gesetzesvorschläge wurden am späten Freitagabend auf der Internetseite des ungarischen Parlaments veröffentlicht. Weitere Entwürfe sollen folgen.

Justizministerin Varga: Vorbeugung, Ermittlung und Korrektur von möglichem Betrug, Interessenskonflikten, KorruptionBild: John Thys/AFP/Getty Images

Vor wenigen Tagen hatte die Regierung in Budapest ein erstes Gesetzesprojekt zu diesem Thema vorgelegt. Es sieht eine Unvereinbarkeitsregelung für die Mitglieder von Kuratorien öffentlicher Stiftungen sowie eine verbesserte Amtshilfe für die EU-Korruptionsermittlungsbehörde OLAF vor. Die neue Integritätsbehörde soll dem Entwurf zufolge unabhängig von der Regierung funktionieren.

Mitspracherecht für internationale Expertenkommission geplant

Ihren Präsidenten und dessen zwei Stellvertreter ernennt allerdings Ungarns Staatspräsident auf Vorschlag des Vorsitzenden des ungarischen Rechnungshofs. Das Führungstrio bekommt ein sechsjähriges Mandat - so der Plan aus Budapest. Ein Mitspracherecht bei der Besetzung dieser Chefposten soll eine mit internationalen Experten besetzte Kommission haben, die die Integritätsbehörde beraten und überwachen soll.

Ministerpräsident Orban: Seit langer Zeit Streit mit der EUBild: Darko Vojinovic/AP/picture alliance

Zur Besetzung dieser Kommission veröffentlichte die ungarische Regierung am Freitagabend eine internationale Ausschreibung. Darin heißt es unter anderem, dass diese Kommission "rechtsverbindliche Meinungen" zur Besetzung der drei Chefposten der Integritätsbehörde abgeben solle. Zudem soll die Integritätsbehörde verpflichtet sein, Betrugs- und Korruptionsfälle auch der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) anzuzeigen.

Ungarn weigert sich bislang strikt, Teil der seit 2021 funktionierenden EUStA zu werden, der bisher 22 EU-Staaten angehören. Eine Teilnahme bedeutet, dass EUStA in den betreffenden Ländern Ermittlungen anordnen darf.

Ministerpräsident Orban hat über lange Zeit mit der Europäischen Union im Streit gelegen. Angesichts steigender Energiekosten, einer schwachen Landeswährung und einer möglichen Rezession im kommenden Jahr hat Orban seinen Kurs inzwischen offensichtlich geändert.

AR/se (dpa, rtr)

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